Aus der Zeit gefallen

2 x 2 zauberhafte Schwestern in der neuen Mysteryserie Witches of East End, jeden Donnerstag 20.15 Uhr auf Sixx.

Ausgerechnet jetzt, so kurz vor der Märchenhochzeit von Ingrids kleiner Schwester Freya mit dem smarten Arzt Dash Gardiner, ist plötzlich alles wie verhext: Die unschuldige Braut in spe hat verfängliche Visionen von einem anderen Kerl, der dann auch noch leibhaftig vor ihr steht und sich als Dashs geheimnisvoller Bruder Killian entpuppt. Auch Ingrid erfährt von Tante Wendy verblüffende Neuigkeiten über ihre Familie, die ihr Leben fortan um Einiges komplizierter machen. Warum hat ihre Mutter ihnen nicht schon längst erzählt, dass sie allesamt unsterbliche Hexen sind, aber mit einem fürchterlichen Fluch belegt? So muss sie es von einer ziemlich schrulligen Verwandten hören, die sie bisher noch gar nicht kannte und die auf Katzenpfoten in ihr Leben geschlichen kommt. Nur weil sich die beiden älteren Schwestern vor hundert Jahren zerstritten haben, nachdem Wendy ihre Nichte Ingrid getötet hatte, die sie eigentlich retten wollte …

Moment! Wie noch mal?!? Die Gebrauchsanweisung für soviel Hokuspokus kann Anfängerhexen schnell überfordern. Dabei wollen es die beiden Töchter zuerst gar nicht glauben. „Dein einziger Zaubertrick sind deine Brüste“, witzelt die brave Bibliothekarin Ingrid (Rachel Boston) über ihre flotte Schwester (Jenna Dewan-Tatum), die als Kellnerin jobbt. Da sind beide noch ganz glücklich mit ihrer „normalen“ Existenz und ahnen nicht, was sich zusammenbraut – ausgerechnet hier an dem beschaulichen Küstenstreifen von Neuengland. Jenem sonderbar idyllischen Flecken Erde, dessen strenges puritanisches Erbe schon Hawthorne in seinen Geschichten nach Schuld und Aberglauben und grausamen Riten abklopfte: wo Lovecraft mörderische Organismen im Keller alter Häuser wähnte – wie in Witches of East End der neugierige Dash (Eric Winter) in den Katakomben seines Gutshauses –; und aus dem Edgar Allan Poe seine verhängnisvollen Fetischfrauen mit klingenden Namen wie Morella und Ligeia immer aufs Neue wiederauferstehen ließ, um die Männer in den Wahnsinn zu treiben.

Das sah dann bei Roger Corman in seinen 1960er-Jahre B-Pictures ziemlich camp und doch tieftraurig aus, mit geheimnisvoll hölzernen Aktricen wie Barbara Steele oder Debra Paget. Ein ähnliches Kaliber beweisen auch die zauberhaften Schwesternpaare vom East End (in der Romanvorlage von Melissa de la Cruz ist es nebenbei noch das East End von Long Island, das aber auch mal zu Neuengland zählte). Passend zum Grundthema fast pausenloser Reinkarnationen (ob als Fluch oder Segen), tauchen Starlets aus der Vergangenheit auf,  wie die wunderbar bizarre Mädchen Amick (vor zwanzig Jahren noch blonde Mordverdächtige in Twin Peaks) und Virginia Madsen (einst Femme Fatale in Genreperlen wie Dennis Hoppers Hot Spot), aber auch Supersoftie Freddie Prince Jr. als ewiger Jüngling, der kurze Zeit hofft, Tante Wendy (Amick) sei eine wie keine.

Im Mittelpunkt der magischen Turbulenzen jedoch kämpft  Julia Ormond (Legenden der Leidenschaft) mit schlafwandlerischer Autorität als Mutterhexe Joanna gegen Formwandler, Wiedergänger und Brüche im Raum-Zeit-Kontinuum, eingerahmt in Tapeten und Kleiderstoffe, die so schwindelerregend aus der Zeit gefallen sind (wie gesagt, Neuengland), dass es eine Wonne ist und dass man den einen oder anderen blutrünstigen Schrecken gar nicht mehr wahrnimmt. Gegen diesen Kleinstadtzauber könnten selbst die mächtigen Halliwell-Hexen aus Charmed als kalifornische Großstadthipster nicht das Geringste ausrichten.

Die FSF prüfte drei Folgen der ersten Staffel und gab diese für das Hauptabendprogramm (20.00 – 6.00 Uhr)/ ab 12 Jahren frei. Zur ProgrammInfo der Serie auf der FSF-Website geht es hier.

Bitte beachten Sie: Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Programm nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungsrisiken mehr bedeutet.

Mehr Informationen zur Programmprüfung erhalten Sie auf unserer Website. Dort veröffentlichen wir jede Woche neue ProgrammInfos zum aktuellen Fernsehprogramm. Auch diese Auswahl stellt keine Empfehlung dar, sondern zeigt einen Querschnitt der Programme, die den Prüfausschüssen der FSF von den Mitgliedssendern vorgelegt werden.

Über Jürgen Dünnwald

Studierte Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften, Völkerkunde und Anglistik sowie Kunst an der FH Köln. Seit 1991 ist er Verfasser von Drehbüchern für Fernsehfilme und -serien, seit 2011 übernimmt er Museumsmoderationen und -workshops für Kinder und Jugendliche für die Kulturprojekte Berlin. Jürgen Dünnwald ist Prüfer bei der FSF.