Das flexible Selbst

Martin Odum (Sean Bean) hat ein Problem, er hat Schwierigkeiten mit seiner Identität. Als einer der talentiertesten Ermittler des FBI ist sein Spezialgebiet die Undercoverarbeit. Im Rahmen der Ermittlungen nimmt er die Identitäten erfundener Personen – sogenannter ‚Legends‘ – an und infiltriert Verbrecherorganisationen auf diese Weise.  Diese Arbeit verlangt teils über Monate hinweg die Trennung von seinem Selbst als Martin Odum und die Transformation von Körper und Geist, bis die Kunstfigur zur neuen Realität wird.

Schwierig wird es erst wirklich, wenn er den Rückweg zur eigenen Persönlichkeit antreten muss. Mangelnder Kontakt zu Vorgesetzten (u.a. Ali Larter als Crystal McGuire) und der Familie während seiner Einsätze schürt Misstrauen unter den Beteiligten und führt zu spürbarem Stress innerhalb Odums Ichbewusstsein.

Im Fortlaufen der ersten Episode wird bereits deutlich, wie schwer es ihm fällt, den Rückweg zu seiner Rolle als FBI-Ermittler und Familienvater anzutreten. Nicht immer scheint ihm der Übergang von der einen in die andere Person bewusst zu sein, und während einer Nachbesprechung eines abgeschlossenen Einsatzes rutscht er tatsächlich öfter zurück in das körperliche und geistige Verhalten der ‚Legende‘, die er zuvor erschaffen hat. Während die Mitglieder seines Teams bereits beunruhigt sind, splittert Odums Selbst- und Weltbild noch stärker, als ein Fremder auf ihn zutritt und ihm vehement zu verstehen gibt, dass er nicht der sei, für den er sich hält.

Als zersprungene Einheit kämpft sich Martin Odum also durch die Welt von Legends und versucht den Schein aufrechtzuerhalten, seinen Pflichten beruflich wie privat nachzukommen und doch sieht es so aus, als ob der Grund, auf dem die Realität fußt, nicht so solide ist, wie er dachte. Zweifel an der eigenen geistigen Gesundheit könnten ihn in eine Identitätskrise stürzen, die sein Verständnis von der Wirklichkeit erschüttern würden.

Schöpfer der Serie ist Howard Gordon, der auch schon Jack Bauer in 24 auf Verbrecherjagd schickte. Martin Odum könnte der Nachfolger dieses zähen Stehaufmännchens werden, zumindest was Ideenreichtum und Effizienz angeht, steht er Jack Bauer in nichts nach. Vielleicht wurde ihm deswegen auch ein Sidekick mit dem praktischen Namen McGuiver zur Seite gestellt. Möglicherweise eine Hommage an das Genre der Action-Agenten-Weltenretter. Treu seiner Gattung sind auch in Legends die teils überzeichneten Bösewichte dabei, die Weltherrschaft an sich zu reißen, während die Ritter des Lichts versuchen, mit allem was sie haben dagegenzuhalten – der Zweck heiligt die Mittel, war das nicht so?

Nur, wenn die Wahrheit und die erfundene Wahrheit nicht mehr zu unterscheiden sind, wo verlaufen dann die Grenzen des Ichs und die des gedachten Ichs? Wann fließt ein Charakter mit den Wesenszügen des anderen zusammen und worin genau liegt dann die Begründung des Handelns? Plötzlich sind die Grenzen zwischen Hell und Dunkel nicht mehr so deutlich erkennbar – eine neblige Sache. Der Agent, der hier in Frage gestellt wird, wurde bereits mehrfach für nicht einsatzfähig erklärt, gerade weil er Probleme zu haben scheint, diese Grenzverläufe zu erkennen – und dennoch ist er der Einzige, der dem Druck gewachsen ist. Ob er und diejenigen, die ihm nahestehen an dieser Aufgabe zugrunde gehen könnten? Gut möglich. Muss die Welt gerettet werden? Definitiv.

Ab heute, 13. April 2015, 20.15 Uhr, können wir nun wöchentlich auf TNT Serie beobachten, wie das Gute gegen das Böse kämpft und die Schachfiguren ein ums andere Mal über die scharfen Kanten von schwarz und weiß wandern müssen.

Freigegeben ab …
Die Anfänge von Legends  sind mit Gewaltspitzen gespickt, die auch von 12-Jährigen noch als genretypisch in einem alltagsfernen Milieu eingeordnet werden können und für diese Altersgruppe verkraftbar sein sollten. Spätere Episoden zeichnen dann ein Bild, das stärker von Gewaltszenen durchzogen ist, wobei neben Schlägen auch Folterungen und Erschießungen verbildlicht sind. Schwierig wird es hierbei vor allem dann, wenn diese ansteigende Gewaltintensität auch von der Hauptfigur Odum ausgeht, der dies teils zynisch kommentiert. Die drastischeren Bilder können insbesondere auf die jüngeren der 12- bis 16-jährigen Zuschauer verstörend und ängstigend wirken. Außerdem dürfte das in der Serie vermittelte zweifelhafte Helden- bzw. Männerbild beim Publikum der unter 16-Jährigen auf noch nicht ausreichende Kritik- und Einordnungsfähigkeiten stoßen. Deshalb wurden die meisten der eingereichten Episoden vom FSF-Prüfausschuss für das Spätabendprogramm (22.00 – 6.00 Uhr), für Zuschauer ab 16 Jahren freigegeben. Ausnahmen bildeten die ersten beiden Episoden, sie erhielten jeweils die Freigabe für das Hauptabendprogramm (20.00 – 6.00 Uhr), ab 12 Jahren.

Zur ausführlichen ProgrammInfo auf der FSF-Website geht es hier.

Der Sender TNT Serie darf die Sendung auch schon vor 20.00 Uhr ausstrahlen, weil er als Pay-TV-Anbieter eine Jugendschutzsperre aktivieren kann, die von den Zuschauern mit der Eingabe einer Jugendschutz-PIN freigeschaltet werden muss. Somit gelten die üblichen Sendezeitbeschränkungen und Schnittauflagen nicht. Weitere Informationen zu Vorschriften und Anforderungen an digitale Vorsperren als Alternative zur Vergabe von Sendezeitbeschränkungen sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (§ 5 Abs. 3 Nr. 1; § 9 Abs. 2 JMStV) sowie in der Jugendschutzsatzung der Landesmedienanstalten (§ 2 bis § 5 JSS) zu finden.”

Bitte beachten Sie: Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Programm nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungsrisiken mehr bedeutet.

Mehr Informationen zur Programmprüfung erhalten Sie auf unserer Website. Dort veröffentlichen wir jede Woche neue ProgrammInfos zum aktuellen Fernsehprogramm. Auch diese Auswahl stellt keine Empfehlung dar, sondern zeigt einen Querschnitt der Programme, die den Prüfausschüssen der FSF von den Mitgliedssendern vorgelegt werden.

Über Tabea Dunemann

Tabea studierte Theaterwissenschaft und Ethnologie an der Universität Leipzig. Dank wohlgesonnener Professoren konnte sie außerdem viele andere Disziplinen erkunden und war u.a. lange Zeit für das Studierendenradio mephisto 97.6 tätig. In ihrer Freizeit textet Tabea Dunemann gern für den fsf blog und war auch als Redakteurin für die tv diskurs tätig.