Fressen oder gefressen werden – Crossbones

Zu Pfingsten werden auf SUPER RTL dunkle Flaggen gehisst, denn die Piratenserie Crossbones sticht in See. Am 24. und 25. Mai gibts ab 20.15 Uhr gleich mehrere Folgen am Stück über den weißbärtigen Schwarzbart zu sehen.

Wenn ein John Malkovich sich in ein Piratenkostüm begibt, lässt dies vermuten, dass es sich dabei nicht um einen gewöhnlichen Halunken handeln wird, sondern eine ganz eigene Person. Und so ist es: Anstatt eines Säbel schwingenden Haudegens wird aus der Legende Blackbeard ein Mann von Intelligenz in asiatischen Gewändern, mit weißem Bart und einer Schwäche für Uhren. Als undurchsichtiger und subtiler Herrscher der Piratenrepublik New Providence auf Santa Compana wird er mit Spotlight inszeniert.

Wie des Öfteren in Geschichten über sagenumwobene Legenden (My Week with Marilyn, The Last King of Scotland, Copying Beethoven) wird auch hier nicht aus der Perspektive von Edward Teach alias Blackbeard erzählt, sondern einem Neuling und baldigem Vertrauten: Thomas Lowe (Richard Coyle). Er ist ein als Arzt getarnter Spion der englischen Flagge und als Attentäter engagiert, um den Albtraum der Handelsflotten – den Schwarzbart – zu beseitigen. Die Erfindung des Chronometers, ein Navigationswerkzeug für Übersee, spielt dabei keine unbedeutende Rolle. Jedoch lässt ihn die Zeit auf der Pirateninsel – hier wird versucht unter demokratischen Bedingungen zu leben – und Blackbeards Motive zweifeln. Ist dieser Mann wirklich ein Monster? Wem ist Lowe mehr verpflichtet? Außerdem ist da ja noch diese Frau …
Kate (Claire Foy) ist als Logistin der Insel mit ihrem großen Mundwerk und ihrer Vorliebe fürs Nacktbaden alles andere als ein Püppchen. Das imponiert auch Lowe. Die übrige Brigade stellt eine Figurenkonstellation dar, wie wir sie sonst aus Kostümfilmen und Serien des Mittelalters kennen: Die kampflustigen Gehilfen des Bösewichts, bestechliche Prostituierte, treu ergebene Freunde, ein eifersüchtiger Ehemann und die finstere rechte Hand des Königs.

Die Zeiten, in denen Piraten als Barbaren und die englische Krone als Heilige erscheinen, sind vorbei. So werden die Mittel des englischen Königtums in Form von Folter, Entführung und Mord ebenso bestialisch präsentiert wie Blackbeards hinterlistige Pläne und willkürliche Grausamkeiten. Selbst die Identifikationsfigur Thomas Lowe wählt zweifelhafte Wege, um an das zu gelangen, was er will. Apropos: Was will er überhaupt? Sein Ziel scheint irgendwo zwischen „die eigene Haut retten“, „die Frau retten“ und „das Empire schützen“ zu liegen. Schwierig, denn der so selbstsicher auftretende Lockenkopf verliert bei seinem Motivationsroulette manchmal die Glaubwürdigkeit. Aber vielleicht steigt ihm auch einfach nur die Hitze zu Kopf.
Genug Fans auf der Insel hat er dennoch allemal, denn es scheint nichts zu geben, was der Mittvierziger nicht kann. So wirken, trotz zugeschriebener Ambivalenz, die Helden etwas zu heldenhaft, die Tölpel etwas zu tölpelhaft und die wahren Schurken etwas zu schurkenhaft. Gute Hauptdarsteller lassen da glücklicherweise ein, zwei Ungenauigkeiten verzeihen. Und nicht zuletzt sollte erwähnt werden: Das goldene Chronometer geht ans Kostümdesign! Hier trägt kein Pirat Lappen, sondern wendet sich in einem exotischen Stilmix aus farbenfrohen Stoffen.

Es hat lange gedauert, bis der Stoff über Piraten es auch ins Serienformat geschafft hat. 2014 kamen gleich zwei Serien auf den Markt: Black Sails und Crossbones. Letztere zeigt sich jugendfreier als sein Konkurrent des Pay-TV-Senders Starz. Mit etwas weniger Sex und etwas weniger präziser Gewalt legt NBC’s Crossbones seinen Fokus auf Intrigen und Strippenzieherei. Deshalb dürften sich nicht nur Piratenfans, sondern auch Anhänger von Formaten wie The Tudors oder Reign angesprochen fühlen. Neil Cross, James V. Hart und Amanda Welles orientierten sich bei dem Entwurf der Serie an dem Roman The Republic of Pirates von Colin Woodard, der von der Zeit 1715 bis 1725 handelt. Deshalb gibt auch die Serie das ein oder andere Mal interessante Fakten zum Goldenen Zeitalter der Piraterie preis.

Nun kommt die Piratenserie mit karibischem Flair Pfingstsonntag und Pfingstmontag ins deutsche Free-TV, zu SUPER RTL.

Freigegeben ab …
Das Gewaltniveau der vorliegenden Serie ist relativ hoch, was u.a. dem Genre der Piratenserie geschuldet ist. Der FSF lag die Serie in einer bearbeiteten Fassung vor, in der die Gewaltspitzen gegenüber der Originalversion entfernt wurden, dazu gehören auch explizite Folter- und Tötungsszenen. Es verbleiben genretypische Kampf- und Gewalthandlungen, die aber nicht über das hauptabendprogrammtaugliche Maß hinausgehen. Das ferne Piraten- und Abenteuergenre sowie das historische Setting wirken ausreichend distanzierend. Übertragungseffekte auf die eigene Lebensrealität erscheinen unwahrscheinlich. Ältere Kinder ab 12 Jahren können das Geschehen klar als fiktional und genretypisch einordnen.

Zur ProgrammInfo auf der FSF-Website geht es hier.

Hinweis zu den aktuellen FSF-ProgrammInfos:
Bitte beachten Sie, bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Programm nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungsrisiken mehr bedeutet.

Mehr Informationen zur Programmprüfung erhalten Sie auf unserer Website. Dort veröffentlichen wir jede Woche neue ProgrammInfos zum aktuellen Fernsehprogramm. Auch diese Auswahl stellt keine Empfehlung dar, sondern zeigt einen Querschnitt der Programme, die den Prüfausschüssen der FSF von den Mitgliedssendern vorgelegt werden.

Über Henrike Rau

Henrike Rau studierte Architektur an der Universität Kassel und danach Digitale Medienkultur und Medienwissenschaften an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF. Neben Uniprojekten wie Sehsüchte, der Kinderfilmuni oder Kooperationen mit dem Filmmuseum Potsdam haben Praktika beim UFALab und bei der FSF ihre Ausbildung mit Praxis belebt.