Ein Blick auf das Filmfest München

Das Filmfest München ist das Festival der langen Wege. Seitdem nicht mehr ein Multiplex-Kino Spielort ist, verteilen sich die Filmstätten auf die ganze Stadt, so dass man zwischen zwei Vorführungen schon einmal eine Weile unterwegs sein kann.

© FILMFEST MÜNCHEN/BrauerPhotosDB
© FILMFEST MÜNCHEN/BrauerPhotosDB

Nur die Pressevorführungen, die finden morgens in den vier Sälen der Atelier- und City-Kinos statt, die durch einen Innenhof verbunden sind. Daher läuft man sich dort zwangsläufig über den Weg und trifft immer wieder Kollegen, die man außerhalb der Festivals nur selten sieht. Dadurch hat München auch den Charme eines Filmkritikertreffs, bei dem man sich zwischen zwei Filmen problemlos bei einem Kaffee und einer Butterbrezn austauschen kann.

Abgesehen davon ist das Filmfest München für drei Dinge bekannt: Zum einen ist es die erste Gelegenheit für alle Nicht-Cannes-Fahrer, einen Teil der dort gezeigten Filme zu sehen. Zum anderen werden dort sehr viele US-Independentfilme gezeigt, die man in dieser Fülle in Deutschland auf keinem anderen Festival findet. Und außerdem gibt es eine eigene Sektion für das deutsche Kino. Während in den ersten beiden Sektionen die Auswahl in diesem Jahr durchwachsen war, überzeugten insbesondere die deutschsprachigen Produktionen mit einer ungeheuren Vielfalt. Denn neben den zu erwartenden, eher mainstreamigen Filmen wie Becks letzter Sommer fand man in dieser Sektion feinstes Genrekino mit dem Horror-Monster-Coming-of-Age-Film Der Nachtmahr, vielversprechende Debüts wie Schau mich nicht so an, unerwartete Filmperlen wie Coconut Hero und vielschichtige, interessante Dokumentationen wie Staatsdiener und Nightsession.

Begeistert haben mich insbesondere die bitterbösen Satiren Heil und Outside the Box. Während sich Dietrich Brüggemann in Heil der Neonazi-Szene in Ostdeutschland mit allen möglichen Implikationen und Komplikationen annimmt, liefert Philip Koch mit Outside the Box eine Business-Farce im Westernformat. Heil startet bereits am 16. Juli, Outside the Box wird voraussichtlich nächstes Jahr in die Kinos kommen. Daneben gab es auch ernsthafte Töne, die insbesondere das Sozialdrama Babai gekonnt anschlug.

Val Maloku, Visar Morina, Astrit Kabashi (BABAI) © FILMFEST MUENCHEN 2015 Foto Volker Rebhan
Val Maloku, Visar Morina, Astrit Kabashi (BABAI) © FILMFEST MUENCHEN 2015 Foto Volker Rebhan

In seinem Debüt erzählt Regisseur Visar Morina eindringlich und konzentriert von einem zehnjährigen Jungen und seinem Vater, die aus dem Kosovo in den 1990er-Jahren auf verschiedenen Wegen nach Deutschland flüchten – und erhielt in drei von vier möglichen Kategorien den Förderpreis Neues Deutsches Kino. Dieser Film wird ebenfalls in den Kinos starten.

Daneben gibt es beim Filmfest München auch eine Sektion für Fernsehfilme, in der – wie bereits seit einigen Jahren – nur Produktionen der öffentlich-rechtlichen Sender liefern. Nach Aussage von Kuratorin Ulrike Frich reichen die privaten Fernsehsender keine Produktionen mehr ein, was sie bedauere. Tatsächlich könnte dadurch die Auswahl noch vielfältiger werden. Aber immerhin liefen in diesem Jahr ausnahmsweise keine Reihenkrimis aus Polizeiruf und Tatort, wodurch die Dominanz dieser Reihen in der Fernsehrezeption nicht auch bei dem Filmfest widergespielt wurde. Außerdem gibt es als zweite Fernsehreihe seit diesem Jahr auch die Reihe Neue Deutsche Serien – und vielleicht ist diese im nächsten Jahr für Privatsender ja ebenfalls interessant. Wünschenswert wäre es, denn schließlich besteht das neue deutsche Fernsehen nicht nur aus Produktionen der öffentlich-rechtlichen Sender.

Über Sonja Hartl

Sonja Hartl studierte Deutsche Sprache und Literatur, Medienwissenschaft und Sozial- und Wirtschaftsgeschichte in Marburg und schreibt seither als freie Journalistin über Film, Fernsehen und Literatur. Außerdem betreibt sie das Blog Zeilenkino und ist Chefredakteurin von Polar Noir.