Auflösung Filmquiz

Wer würde sich wohl über jegliche Veränderung in seinem Leben, sei es zum Guten oder zum Schlechten, besonders freuen? Sicher jemand, der das Gefühl hat zu stagnieren, der sein Dasein als ewige Wiederholung erlebt, sich wie in einer Zeitschleife gefangen fühlt. Abgesehen davon, dass wahrscheinlich jeder von uns das unangenehme Gefühl kennt, manchmal in einem Hamsterrad zu laufen und sich gegen den ewig wiederkehrenden Lauf der Dinge zu stemmen, hat es den Protagonisten in unserem gesuchten Film besonders schlimm erwischt, denn die richtige Lösung unseres Zitaträtsels lautet diesmal:

D       Und täglich grüßt das Murmeltier (1993)

Bill Murray als Phil Connors in Groundhog Day © Columbia TriStar Home Entertainment
Bill Murray als Phil Connors in Groundhog Day © Columbia TriStar Home Entertainment

In der von Harold Ramis gedrehten US-amerikanischen Fantasy-Komödie reist Phil, ein mürrischer, zynischer Menschenfeind, als Wetterreporter für einen regionalen Fernsehsender am 2. Februar zum „Groundhog Day“ nach Punxsutawney in Pennsylvania. Dort zeigt alljährlich ein aus dem Winterschlaf erwachendes Murmeltier den baldigen Frühlingsbeginn oder signalisiert die Verlängerung des Winters. Phil verachtet nicht nur das Ereignis selbst, sondern auch die abergläubischen Provinzler, seine unstandesgemäße Unterkunft und seine Produzentin Rita. Als sich am Ende des verhassten Tages herausstellt, dass die Crew aufgrund eines Unwetters eine weitere Nacht in dem Ort verbringen muss, ist Phils Alptraum perfekt.

Der bis dahin herkömmliche Plot einer romantischen Komödie erfährt an dieser Stelle eine Wendung, die den Film schnell zu einem der einflussreichsten im modernen Kino werden ließen, denn am nächsten Morgen beginnt für Phil der Murmeltiertag von Neuem. Er wird nicht nur von derselben Melodie im Radio geweckt, auch die Bewohner und Kollegen sprechen ihn mit genau den gleichen Worten an wie am Vortag. Von nun an muss er seinen ungeliebten Job in dem Ort mit dem unaussprechlichen Namen – der übrigens in der Realität inzwischen zu einer berühmten Touristenattraktion geworden ist – immer wieder erledigen. Phil ist ab jetzt ein Gefangener der Zeit und beginnt an seinem Verstand zu zweifeln, doch Ärzte und Psychologen erklären ihn für gesund.

Fünf Sterbephasen

Die Idee der sich ewig wiederholenden Zeitschleife, in der jemand gefangen ist, ist grandios, war aber auch 1993 schon nicht neu. In Charles Crichtons Traum ohne Ende aus dem Jahr 1945 berichtet ein Architekt nach einem Besuch eines Landhauses, das Haus und die Menschen aus einem wiederkehrenden Alptraum zu kennen. Und die eingeladenen Gäste in Luis Buñuels surrealistischem Gleichnis Der Würgeengel (1962) können nach einer Feier aus unerklärlichen Gründen die Räumlichkeit nicht mehr verlassen und sind tagelang gezwungen, bei abnehmender Respektierung konventioneller Schranken und zunehmenden Aggressionen den unerklärlich zwanghaften Zustand zu ertragen. Darüber hinaus hat die Idee aus Groundhog Day natürlich auch zahlreiche Filme im Nachhinein inspiriert, wie z.B. Tom Tykwers Lola rennt (1998), 12 Monkeys (1995) und Source Code (2011), oder sogar zu fast identischen Kopien verführt, in der nur die Prämisse leicht verändert wurde. Ein gutes Beispiel dafür ist Doug Limans Edge of Tomorrow (2014), in dem Tom Cruise als US-Major in Kampf gegen Außerirdische in einer Art D-Day-Szenario ständig ums Leben kommt, um anschließend aufzuwachen und die Schlacht in einer Zeitschleife immer wieder neu erlebt.

Was aber Und täglich grüßt das Murmeltier auf besondere Art auszeichnet, sind die Phasen, die Phil im Umgang mit seinem Zustand durchläuft. Diese orientieren sich nämlich nach der Idee des Regisseurs an dem Modell der fünf Sterbe- bzw. Trauerphasen der amerikanischen Ärztin und Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross. Zu Beginn des Films verleugnet Phil die Situation. Was mit ihm passiert, liegt außerhalb seiner Vorstellungskraft, und er irrt etwas hilflos durch das Szenario. In der zweiten Phase steigert sich seine ihm innewohnende Wut gegenüber anderen und er begegnet allen Personen mit noch mehr Ablehnung.

Erst in Phase drei erkennt Phil seinen Zustand an und versucht zu „verhandeln“. Er lotet die neuen Möglichkeiten aus und vertreibt sich mit albernen Scherzen die Zeit, verführt die Dorfschönheit und legt sich mit der Polizei an. In dieser Phase entdeckt er, dass auch sein Sterben nichts an den Gegebenheiten ändert, und experimentiert mit riskanteren Situationen. Er weiß: Der nächste Tag beginnt, als wäre gestern nicht gewesen. Doch gibt er die Hoffnung auf Veränderung noch nicht auf, auch wenn es vorerst nur Wünsche bleiben.

Auf Dauer wird Phil langweilig und er versucht, die Zuneigung seiner Produzentin zu gewinnen, was sich als enorm schwierig erweist. In dieser (vierten) Phase, in der er von Rita immer wieder einen Korb bekommt und darüber zunehmend depressiv wird, hat der Film seine lustigsten Momente. In kurzen Schnipseln sehen wir, wie Phils erbärmliche Annäherungsversuche immer wieder scheitern und wie er versucht, sie zu optimieren. Ritas Aussage, sie habe französische Poesie des 19. Jahrhunderts studiert, kontert Phil zu Beginn unbeholfen mit „Was für eine Zeitverschwendung“, um tags darauf – in fließendem Französisch – ein Gedicht von Jacques Brel zu zitieren, und Rita damit erstmals ein wenig beeindruckt. Doch als Phil nicht wirklich vorankommt, verfällt er in eine hoffnungslose innere Leere. Er wird seines Lebens überdrüssig und versucht mit diversen Methoden sich das Leben zu nehmen, doch natürlich wacht er stets wieder morgens in seiner Pension auf. „I’ve killed myself so many times,“ sagt Phil später, „I don’t even exist anymore.“

Nun erreicht Phil auch noch die fünfte Phase, in der er sein Schicksal vollends akzeptiert und eine besondere Form der Sensibilität gegenüber seiner Umgebung erlangt. Er möchte ein besserer Mensch werden, hilft alten Leuten, rettet einem Jungen das Leben und verbreitet als Klavierspieler Freude unter seinen Mitmenschen – alles bisher undenkbare Handlungen für ihn. Dadurch erlangt er nebenher zunehmend die ehrliche Wertschätzung seiner Kollegin, die sich doch noch in ihn verliebt. Nach der ersten gemeinsamen Nacht wachen sie am nächsten Morgen auf und zum ersten Mal erklingt nicht der gewohnte Song aus dem Radio. „You know what today is?“, fragt er Rita. „Today is tomorrow“.

Keinerlei Erklärung

Sicherlich ließe sich die etwas offensichtliche Botschaft, man müsse nur jeden Tag gute Taten vollbringen, um ein besserer Mensch zu werden und damit das Schicksal zu beeinflussen, kritisieren. Doch die meiste Zeit arbeitet der Film sowohl die komischen Elemente der Situation als auch die ihr innewohnende Tragik, die zeitweise beklemmende Züge annimmt, grandios heraus. Und für Phil bieten sich durch die Anerkennung der Wiederholung neue Chancen und Möglichkeiten – im Alten wird etwas Neues zum Vorschein gebracht.

Was der Film aber konsequent verweigert, ist eine Erklärung für die Zeitschleife. Eine Akzeptanz der Prämisse wird beim Zuschauer einfach vorausgesetzt. Man möchte sich kaum vorstellen, mit welchen verrückten Theorien der Film überschüttet und zerpflückt worden wäre, hätte es 1993 schon unsere heutige digitale Kommunikationsstruktur gegeben.

Nichtsdestotrotz bietet der Film auch heute noch genügend Ansatzpunkte zu einer detaillierten Analyse. Regisseur Ramis erzählt, befragt nach dem Zeitraum, den sein Protagonist in der Zeitschleife verbringt, von der ersten Idee, Phil über 10.000 Jahre feststecken zu lassen. Nachdem das den Produzenten nicht gefiel, änderte er seinen Ansatz auf 10 Jahre. Nun haben Filmliebhaber mittels digitaler Möglichkeiten errechnet, dass Phil exakt 33 Jahre und 358 Tage jeweils am gleichen Morgen aufgewacht sein muss. Grundlage der Berechnung waren die für den Zuschauer sichtbaren Tage, die Tage, von denen im Film nur erzählt wird, wie z.B. die diversen Selbstmordversuche und schließlich die Zeit, die Phil für die Perfektionierung aller am Ende erlernten Künste, wie das Klavierspielen, das Sprechen fremder Sprachen und das Bearbeiten von Eisskulpturen verbracht haben muss.

Was sich für uns wie eine unendliche Qual anhört, hätte nach Phils eigener Ansicht erst gar keine werden müssen: Ich war mal auf den Jungferninseln, da habe ich ein Mädchen kennengelernt. Wir haben Hummer gegessen und Piña Colada getrunken. Und bei Sonnenuntergang haben wir uns geliebt wie die See-Otter. Das war gar kein schlechter Tag. Warum erlebe ich nicht diesen Tag wieder und wieder und wieder?“