Auflösung Filmquiz

Ende Februar diesen Jahres sorgte in den sozialen Netzwerken ein Foto für Gesprächsstoff, das Hunderte von Journalisten bei einem Showreel für neue Handymodelle zeigt. Alle Teilnehmer trugen die neueste Generation einer Virtual-Reality-Brille und schauten sich ein Fußballspiel in Barcelona an, während Mark Zuckerberg unbemerkt an der Menge vorbeischritt, um zu einem unangekündigten Besuch auf die Bühne zu kommen.

© Facebook/Mark Zuckerberg
© Facebook/Mark Zuckerberg

Nachdem Zuckerberg das Foto auf seinem Facebook-Profil teilte, folgten zahllose Reaktionen, die eine dystopische Zukunft in Aussicht stellten. Ausnahmslos düstere Visionen einer Gesellschaft, in der das Individuum in seiner heutigen Form nicht mehr existiert, da die Menschen zu Sklaven der Technik geworden sind. Abgeschottet von der Wirklichkeit verharren wir und verlieren den Blick für die Realität, weil das Virtuelle für uns zur Wirklichkeit wird. Fast genau mit diesen Worten lässt sich auch der Inhalt unseres gesuchten Films zusammenfassen, der diese Utopie bereits im Jahr 1999 und anschließend 2003 in zwei weiteren Teilen einer Trilogie zum zentralen Thema werden ließ. Die richtige Lösung unseres zugegebenermaßen schwierigen Zitaterätsels lautet diesmal:

A             Matrix Reloaded (2003)

Den Matrix-Filmen gelang es wie nur wenigen Science-Fiction-Blockbustern zuvor, die Behandlung von populärphilosophischen Themen mit meisterhaft choreographierten Actionszenen zu kombinieren. Die Reihe strotzte nur so von atemberaubenden visuellen Elementen. Die „Bullet Time“ – ein Spezialeffekt, bei der die Kamera sich um ein in der Zeit eingefrorenes Objekt dreht – wird heute gefühlt in jedem zweiten Actionfilm verwendet, wurde hier aber tatsächlich zum ersten Mal gezeigt. Doch wirklich interessant wurden die Matrix-Filme durch ihre philosophischen Fragen in Bezug auf eine mögliche Diskrepanz zwischen Schein und Sein, mythologische und religiöse Anspielungen sowie progressive Botschaften von Nonkonformität und Selbstverwirklichung. Der Filmkritiker Georg Seeßlen schrieb zusammenfassend: „Die Matrix-Trilogie ist […] so tiefsinnig wie 2001 – Odysee im Weltraum, so märchenhaft wie Krieg der Sterne, so diskursiv wie Blade Runner. Matrix ist eine einzigartige Mischung aus Design und Philosophie, Action und Religion.“

„Du hast bisher in einer Traumwelt gelebt“

Im ersten Teil der Trilogie (Matrix, 1999) beginnt alles mit der Frage, ob Neo, ein pflichtbewusster Angestellter, der nachts als Computerhacker tätig ist, die blaue oder die rote Pille schlucken will, die er vom geheimnisvollen Morpheus angeboten bekommt. Die blaue Pille steht dafür, dass einem die Realität und die Wahrheit egal sind, für Wunschdenken, Selbstbetrug und Illusion: „Wenn du die blaue Pille nimmst, ist alles vorbei. Du wachst auf in deiner Welt und glaubst an das, was du glauben willst.“ Doch Neo entscheidet sich für die rote Pille, die ihn ins „Wunderland der Wahrheit“ führt und erkennen lässt, dass er sich bisher in einer computergenerierten virtuellen Wirklichkeit – der Matrix – befand, die von Maschinen mit künstlicher Intelligenz, die vor vielen Jahren von den Menschen selbst entwickelt wurden, kontrolliert und gesteuert wird. Diese Maschinen brauchen die Menschen als Stromquelle und halten sie deshalb – bis auf eine kleine Gruppe von Rebellen und eine Stadt im Untergrund – in einem Zustand permanenter Halluzination. Morpheus glaubt, dass Neo einem Mythos nach der „Eine“, der Auserwählte ist, der die Menschheit retten wird und bildet ihn für den Kampf in der virtuellen Realität aus. Der Erlöser Neo (Anagram: One) nimmt mithilfe einer Rebellentruppe den Kampf gegen die aus dem Ruder gelaufene Technik auf und setzt sich gegen die falsche Wirklichkeit zur Wehr. Als Zuschauer könnte man sich – angesichts der trostlosen „Wüste der Wirklichkeit“ und der durchaus funktionierenden virtuellen Welt – fragen, was die Widerständler sich von diesem Gefecht eigentlich erhoffen? Aber wir sollen mit dem Film aufgefordert werden, unseren inneren Geist zu erforschen und aufzuwachen. Wie sich die Wirklichkeit dabei bildlich darstellt, ist eher zweitrangig – es geht ums Prinzip.

Das Problem ist die Entscheidung

Das oben genannte Zitat stammt aus Matrix Reloaded, dem zweiten Teil der Trilogie, in der Neo auf den „Architekten“, den Designer und Programmierer der Matrix, trifft. Mit weißem Bart und einem hellen Anzug sitzt dieser gottesgleich in einem Raum mit Hunderten von Monitoren, auf denen er über die verschiedenen Schauplätze der Erde wacht. Der Schöpfer erklärt, dass Neo sich bereits in der sechsten Version des Erlöserprogramms befinde. Die Erscheinung eines Erlösers ist in der Matrix eine Anomalie, die alle paar Jahre auftrete und – im Glauben, die Wirklichkeit der Menschen zu retten – den Zentralrechner der Matrix neu bootet. Doch Neo ist verliebt und bringt somit eine neue Komponente in den Mythos der ständigen Wiederkehr. Er muss sich schließlich zwischen zwei Türen entscheiden: Die eine führt zur Quelle der Matrix, zum Neustart des Systems und zur Rettung der Rebellenstadt Zion. Die andere führt zurück in die Matrix, zu seiner geliebten Trinity und damit zum Systemabsturz und zur Auslöschung aller Menschen. Neo wählt, ohne zu zögern, die zweite Tür. Die Reaktion des Architekten: „Hope. It is the quintessential human delusion, simultaneously the source of your greatest strength and your greatest weakness.“ wurde in der deutschen Fassung jedoch unkorrekt mit “… sowohl Quelle unserer größten Stärken als auch unserer größten Schwächen.“ übersetzt (statt eurer), wodurch in der Synchronfassung noch stärker der irrtümliche Eindruck entsteht, dass es sich beim Architekten um ein menschliches Wesen handelt, statt der Filmlogik nach um eine Maschine oder ein Programm.

Der anfängliche Vergleich mit Mark Zuckerberg und seinem Spiel mit der Macht über unsere (virtuelle) Realität scheint mir nach der Zusammenfassung des Filmplots nun doch etwas weit hergeholt. Schließlich kann man sich trotz seines „diabolischen“ Grinsens relativ sicher sein, dass es sich bei Zuckerberg – im Gegensatz zum Architekten der Matrix – um ein menschliches Wesen handelt. Das Bild zeigt ja auch nur die Momentaufnahme einer Veranstaltung, wie sie alle Tage vorkommt. Sollten wir deswegen in Anbetracht der technischen Entwicklungen Angst vor unserer Zukunft haben und denken, dass wir zu Unmündigen mutieren und hilflos in der Matrix verschwinden? Sicher nicht, denn wir besitzen doch alle einen gesunden Menschenverstand und können noch jederzeit über uns und unser Handeln bestimmen. Allerdings habe ich mich auch bei der Frage, ob ich die rote oder die blaue Pille nehmen möchte, für die blaue Pille entschieden …