Das neue Geschäft mit der hohen Altersfreigabe

Die meisten Blockbuster, die in den USA produziert werden, streben eine Altersfreigabe ab 13 an. Mit dem sogenannten PG-13-Rating* kann ein Film das größtmögliche Publikum ansprechen, und Produktionsfirmen sind bereit, dafür so einige Veränderungen hinzunehmen. Denn diese Altersfreigabe kann im Grunde direkt in Einnahmen an den Kinokassen umgerechnet werden. Gerade im Comicgenre wird in der Regel eine niedrige Altersfreigabe angestrebt, weil das Zielpublikum des Materials ohnehin jünger ist. Sämtliche Marvel-Filme der letzten Jahre bekamen eine PG-13-Freigabe – sogar die Batman-Reihe von Christopher Nolan.

Man ist also bisher davon ausgegangen, dass Filme mit höherer Altersfreigabe kein Geld einbringen. Vor allem, wenn es sich um Massenunterhaltung handelt. Nun hat ein Film dieses Mantra durchbrochen: Deadpool. Dass Deadpool mit dem sogenannten R-Rating an den Start gehen sollte, wurde als großes Risiko angesehen. Der Film, der jahrelang nicht in die Gänge kam, sollte nun auch noch einem eingeschränkten Publikum zugänglich gemacht werden. Die Werbekampagne für Deadpool setzte gekonnt auf den Ruf, den eine hohe Altersfreigabe mit sich bringt, sodass der Streifen an seinem Eröffnungswochenende weltweit um die 260 Mio. Dollar einspielte. Das ist ungefähr das Vierfache seiner Produktionskosten.

R steht dabei für „restricted“, also eingeschränkt. Alle Kinobesucher unter 17 müssen in Begleitung eines Erwachsenen kommen. Nun ist es nicht so, als gäbe es nicht bereits eine Reihe von Comicverfilmungen mit R-Rating – etwa beide Sin City-Verfilmungen oder auch die KickAss-Adaptionen. Doch diese Filme ließen die Kassen eben nicht so klingeln wie Unterhaltungsfilme mit einer 13er-Freigabe. Deadpool jedoch ist mit seinen Einnahmen auf Platz 13 der finanziell erfolgreichsten Comicverfilmungen gelandet, noch vor PG-13-Filmen wie Captain America: The Winter Soldier, X-Men: Days of Future Past oder Thor: The Dark World. Und kaum waren die Zahlen für Deadpool veröffentlicht, verkündete die Produktionsfirma von Batman v Superman, dass es von diesem Film nun auch eine R-Version geben würde, und zwar auf DVD. Prompt fragten sich einige Filmjournalisten, was das Ganze soll und wo diese Version bitte herkommen sollte, da der Film zum Zeitpunkt der Bekanntmachung praktisch fertiggestellt war. Gefolgt wurde das von der Ankündigung, dass der nächste und Hugh Jackmans letzter Wolverine-Film ebenfalls ein R-Rating anstreben würde.

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Die Frage ist, ob es sich beim Deadpool-Phänomen um eine befreiende oder einschränkende Wirkung handelt. Denn Filme „blutig“ zu machen und die Figuren möglichst viel „bad language“ sprechen zu lassen, nur weil das jetzt gerade angesagt ist, wäre reichlich albern. Die Machart sollte immer noch vom Material bestimmt werden, so wie das bei früheren mit R eingestuften Comicadaptionen der Fall war. Das Ausgangsmaterial von Sin City und Kick-Ass war nicht gerade für kleine Kinder gedacht. Marvel hat bisher seine düsteren und risikoreicheren Adaptionen zu Netflix ausgelagert, mit großem Erfolg. Denn dort ist die Düsternis und Gewalt, wie etwa bei Daredevil, völlig nachvollziehbar aus den Figuren und der Geschichte heraus motiviert. Etwas, was sich sicher auch bei Batman v Superman angeboten hätte, wenn man es denn von Anfang an hätte umsetzen wollen. Wie man an Sin City sieht, ist Frank-Miller-Material prädestiniert für höhere Altersfreigaben. Das dem Film im Nachhinein aufdrücken zu wollen, kommt einem jedoch in der Tat reichlich zynisch vor. Auch jüngere Fans von Marvels Wolverine werden sich fragen, wieso sie die früheren Filme sehen durften und den neuen nicht. Einen derartigen Stimmungsumschwung in einer etablierten Reihe herbeizuführen, ist ebenfalls etwas fragwürdig. Und es birgt die Gefahr, dass ein jüngeres Publikum versucht, sich Zugang zum Film zu verschaffen, obwohl er nicht für sie gemacht ist.

Doch vielleicht könnte man das Ganze auch positiv betrachten. Denn die Tatsache, dass man auch mit härteren Erzählweisen Geld verdienen kann, könnte Filmemacher aus den Zwängen des PG-13-Ratings befreien. Denn Letzteres herrscht in Hollywood mit tyrannischer Macht. Wenn Deadpool dafür sorgt, dass sich Filmemacher freier entscheiden können, welche Art von Film sie machen wollen, ist das nur zu begrüßen.

 

*Das PG-13-Rating wurde erst 1984 in den USA eingeführt, um eine bessere Abstufung zwischen PG und R zu erreichen.

Die in den USA vergebenen Ratings (Altersfreigaben) werden von einer unabhängigen Tochterorganisation der MPAA (Motion Picture Association of America), der Classification and Rating Administration (CARA) vergeben. Diese finanzieren sich durch Gebühren, die für die Bewertung der Filme erhoben werden. Dennoch tragen die Bewertungen stets das Logo der MPAA.

Das MPAA-System unterscheidet sich insofern vom deutschen FSK-System, als dass mit Ausnahme der NC-17-Filme alle Filme grundsätzlich von Kindern und Jugendlichen jeglichen Alters gesehen werden dürfen. Es wird höchstens die Begleitung durch Erwachsene vorgeschrieben (R) oder empfohlen (PG, PG-13).

Bei der Vergabe der Ratings (Altersempfehlungen) handelt es sich nicht um eine staatliche Maßnahme, sondern um eine freiwillige Selbstkontrolle der Filmindustrie, ähnlich der deutschen FSK. Anders als diese sind die Empfehlungen der MPAA jedoch nicht rechtsverbindlich.

Vertiefend beschäftigt sich der Beitrag Altersfreigaben in den USA: Blutleere Gewalt ab 13 von Katja Dallmann, mit dem Thema. Lesenwert und in unserem Blog abrufbar!

Über Katja Dallmann

Katja Dallmann hat ein Übersetzer-Diplom und einen Bachelor in Publizistik- und Kommunikationswissenschaft abgeschlossen. Sie ist freie Übersetzerin und Autorin, hat als Onlineredakteurin gearbeitet und verschiedentlich in Print und Online publiziert. Katja ist leidenschaftlicher Serienfan und bloggt sonst unter Serielle Schnittstelle.

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1 Kommentar zu “Das neue Geschäft mit der hohen Altersfreigabe

  1. Interessanter Beitrag.
    Aber was hätte das für einen Einfluss auf Deutschland? Ich meine bei uns gibt es ja FSK 12 und danach kommt die 16. Werden die Filme dann für FSK 12 freigeben? oder 16? bei 12 kann ich mir gut vorstellen, dass einige Sachen zensiert werden könnten.