„Der Beweggrund ‚Angst’ ist immer falsch“

Luzifer, Satan, Mephisto, Beelzebub, Diabolus, Teufel – all diese und noch viele weitere Bezeichnungen stehen in der Geschichte, in Kunst und Kultur als Synonyme für das Böse. Barbara Weinert sprach mit dem promovierten Theologen Markus Thurau über die Bedeutung des Teufels im christlichen Glauben. Thurau arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Katholische Theologie (Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften) der Freien Universität Berlin.

Um das Bild des Teufels ranken sich unzählige Mythen, Sagen und Erzählungen. Wofür steht der Teufel in der christlichen Theologie?

Im christlichen Glauben steht der Teufel für die Personifizierung des Bösen und begegnet uns bereits biblisch in ganz unterschiedlichen Kontexten: als Verführer, Verleumder oder auch als Widersacher, der dem Guten entgegengesetzt ist. Die Bibel ist voll mit Erzählungen von Menschen, die sündigen, fehlgehen und scheitern, die dabei sich und anderen Schaden zufügen. Die Bibel ist aber gleichzeitig davon überzeugt, dass Gott den Menschen gut erschaffen hat, er das Heil des Menschen will und ihn aus seiner Not befreien kann. Nun schließt sich daran direkt die Frage an, die in der Theologie als Theodizeefrage bezeichnet wird: Wenn ein guter und gerechter Gott die Welt und den Menschen zu seinem Bild und Gleichnis erschaffen hat, wie ist es dann möglich, dass es doch soviel Unheil und Leid auf dieser Welt gibt? Woher kommt das Böse? Dass Menschen morden und fehlgehen und oftmals nicht in der Lage sind, ein glückliches und gelingendes Leben zu führen? Auf diese Fragen gibt es sicherlich unterschiedliche Antworten. Eine besteht darin, dass man das Böse, mit dem diese Menschen zu tun haben, personifiziert; wie etwa gleich zu Beginn der Bibel in der Paradiesgeschichte oder in der Geschichte vom Engelsturz. All diese Erzählungen versuchen, einen Grund für das Böse in der Welt anzugeben und zu beschreiben, was einem guten Leben mit Gott entgegensteht. Aus religiöser Sicht sind sie deshalb eine ganz wichtige Sache, man darf sie aber nicht zu sehr verdinglichen, wie es in der Geschichte des Christentums häufig passiert ist. Man sollte sich den Teufel nicht mit Hörnern, Dreizack und Schwanz vorstellen. Die Vorstellungen, die wir heute mit dem Teufel verbinden, sind recht fantasievolle, manchmal auch befremdliche Deutungen der biblischen Erzählungen, die man auf ihren Kern hin untersuchen muss. Sie stellen Versuche dar, das Böse zu erklären. Dieses Böse als Person zu beschreiben, hilft, die Eigendynamik und die Macht dieses Bösen in den Blick zu bekommen.

Wann haben die Menschen damit begonnen, sich den Teufel mit Dreizack, Hörnern und Schwanz vorzustellen?

Darin bin ich kein Spezialist, aber die Volksfrömmigkeit war schon immer recht rege darin, sowohl die biblischen Geschichten als auch das theologische Denken der eigenen Vorstellungskraft anzupassen; teilweise auf sehr interessante oder amüsante, manchmal auch auf entstellende Weise. Gerade der bildenden Kunst kam hier eine enorme Bedeutung zu. Denken wir etwa an die Bilder von Hieronymus Bosch, der in seinen Werken das Böse sehr anschaulich illustriert hat, oder an die Versuchungen des Heiligen Antonius, ein sehr populäres Motiv der bildenden Kunst. Das Spannende an diesen Darstellungen ist für mich, dass hier ein Bild, also die Vorstellung des Bösen als Person, wiederum ins Bild gesetzt wird. Ein theologisches Bild findet, wenn man so will, seinen künstlerischen Ausdruck, der allerdings dem jeweiligen Zeitgeist stark unterworfen ist. Dieser Zeitgeist muss erkannt werden, um einen moralischen Sinn hinter all diesen Höllenvisionen und Teufelsbildern entdecken zu können.

Illustration: Doro Huber www.dorohuber.de
Illustration: Doro Huber

Sind die Teufelsvorstellung und die damit verbundene Höllenangst für die Kirche nicht auch notwendig, um die Menschen beim Glauben zu halten?

Ganz grundsätzlich würde ich sagen, dass der Beweggrund „Angst“ immer falsch ist. Wenn Menschen nur dann die Gebote ihrer Religion befolgen, weil sie Angst vor möglichen Strafen haben, dann tun sie dies nicht um der Gebote willen. Viel gewinnbringender ist es doch, das Gute zu tun, eben weil es gut ist und das eigene Leben dadurch bereichert. Menschen, die ausschließlich mit einer furchteinflößenden Vision von Hölle heranwachsen, können für Moral und Religion sogar verdorben werden. Denn das Problem daran ist, dass die andere Seite dabei außer Acht gelassen wird: Das Nachdenken über das Böse in der Welt und seine Beschaffenheit, das im Christentum zur Personifizierung des Bösen geführt hat, ist ja nur möglich, wenn man daran glaubt, dass Gott die Welt gut erschaffen hat und er der Herr über diese Welt ist. Es wäre also grundverkehrt, das Böse derart in den Mittelpunkt zu stellen, dass man dasjenige, wodurch das Böse erst definiert wird, nämlich das Gute, in den Hintergrund treten lässt. Dennoch würde ich die Vorstellung vom Teufel nicht völlig diskreditieren, weil er immer noch ein Bild dafür sein kann, wovon Menschen geplagt werden. Manchmal erscheint man machtlos gegenüber seinen eigenen Fehlern und ist nicht in der Lage, sich für das Richtige zu entscheiden. Das Christentum nennt dies Sünde. Das sage ich gerade auch im Hinblick auf die heutige Zeit; einer Zeit, in der viele meinen, aufgrund der enormen Komplexität des modernen Lebens immer weniger Kontrolle über ihr eigenes Leben zu haben oder man wirklich von ‚fremden Mächten‘ beherrscht wird, egal ob das Finanzmärkte oder Konsumrausch sind.

Heißt das, die Menschen sind gar nicht selber verantwortlich für die Fehler und Sünden, die sie begehen?

Keineswegs! Die Gefahr des Teufelsglaubens besteht meiner Ansicht nach darin, dass man sich selber aus der Verantwortung für seine Schuld nehmen kann; dass man sich einem vermeintlich unabänderbaren Schicksal anheimgibt. Das gilt es zu verhindern und deshalb muss die Bedeutung der menschlichen Willensfreiheit auch in Bezug auf den Teufel bzw. das Böse betont werden. Das Böse bzw. die Sünde ist nach christlichem Verständnis eine starke Macht, die vom Menschen Besitz ergreift, aber selbst wenn sie so stark ist, dass man ihr erliegt, ist man damit nicht entschuldigt, sondern der Mensch bleibt verantwortlich für sein Tun. Das Christentum hat das Scheitern am Guten, es zu wollen und doch nicht zu tun, sehr intensiv ausgelotet; nicht zuletzt deswegen, weil es für einen Christen, einen Weg aus diesem Schuldkomplex gibt: den Glauben an Jesus Christus als Erlöser, der aus der Macht des Bösen befreit. In Bezug auf den Teufel ergibt sich von diesem Glauben her eine recht eigentümliche Situation: Zwar gehört die Personifikation des Bösen wesentlich zum Christentum, aber jede Faszination für und eine allzu große Angst vor dem Teufel stellen diesen Glauben in Frage.

Über Barbara Weinert

Barbara Weinert studierte Kommunikationswissenschaft, Politikwissenschaft und Kunstgeschichte an der TU Dresden. Von 2006 bis April 2018 lebte und arbeitete sie in Berlin und war seit 2008 zehn Jahre in der FSF als Redakteurin der Fachzeitschrift tv diskurs - Verantwortung in audiovisuellen Medien tätig.