Generation Porno…? Jetzt entscheide ich! – ein medienpädagogischer Workshop

EvaBorries
Eva Borries, medius-Preisträgerin 2013

Oder warum wir in der medienpädagogischen Präventionsarbeit zum Thema Pornografie mehr auf die Mädchen eingehen sollten …

Über die „Generation Porno“ wurde in den letzten Jahren ausführlich berichtet. Über die Wirkung von Pornografie auf den Menschen ist man sich nach wie vor uneinig, aber dass Pornos im Leben Heranwachsender eigentlich nichts zu suchen haben, ist unumstritten. Pornos sind jedoch im Netz permanent und kostenlos verfügbar, und auf den Smartphones Heranwachsender werden solche Filmchen nun mal geschaut. Was nun? Da die deutschen Jugendmedienschutz-Regularien nicht im weltweiten Netz gelten, gewinnt neben dem gesetzlichen wieder einmal der pädagogische Jugendmedienschutz und mit ihm eine spezielle Form der Medienkompetenz an Bedeutung. Wir müssen Jugendliche medienkompetent machen für den Umgang mit sexualisierten Inhalten und Pornos im Netz. Der obenstehende Leitsatz: Generation Porno? Jetzt entscheide ich! deutet jenes Menschenbild eines selbstbestimmten, kompetenten Nutzers an und diente als Titel für meine medienpädagogische Diplomarbeit, in der ich einen Praxisworkshop entwickelte, der sich besonders an Mädchen richtet. Aber wieso Mädchen?

Jungen nutzen sexualisierte Inhalte statistisch häufiger und benennen andere Motive als Mädchen. Aber Mädchen sind, entgegen der Annahme (oder der Moralvorstellungen) vieler Erwachsener auch mit Pornos konfrontiert: seltener, eher durch Zufall oder in der Clique, oder sie berichten von ungewollten Kontakten. Aber es kommt vor. Und danach sind sie oft verunsichert und wünschen sich kompetente Unterstützung und Gesprächsangebote, jedoch lieber von Externen als von der eigenen Lehrkraft – all dies zeigten Grimm et al. in ihrer Interviewstudie Porno im Web 2.0 (2011).

Kann man ein und dasselbe Praxismaterial für Jungen und Mädchen einsetzen?

Auf der Grundlage dieser Befunde und der offensichtlichen Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen stellte sich mir die Frage: Kann man ein und dasselbe Praxismaterial für Jungen und Mädchen einsetzen, oder ist es nicht sinnvoll, geschlechtsspezifische Angebote anzubieten? Letzteres muss her, entschied ich als damals angehende Medienpädagogin und bereits erfahrene Referentin, und entwickelte zusammen mit der Diplom-Psychologin Christin Fritz einen medienpädagogischen Workshop, der sich – nach ausreichender Sichtung der Forschung und der vorhandenen Fachliteratur – mit einigen Themen beschäftigt, die Mädchen im Zusammenhang mit Pornos im Netz wichtig finden. Allein schon weil man zwischen gewolltem Kontakt (vermehrt bei Jungen) und ungewollter Konfrontation (bei Mädchen) mit Pornos unterscheiden muss, stehen im Fokus der Mädchenarbeit andere Aspekte als bei den Jungen. In der Mädchenarbeit geht es daher z.B. darum, „dabei [zu] helfen, ungewollte Konfrontation zu vermeiden und zu verarbeiten“ (Döring, 2008, S. 273). Es dominieren Themen wie persönliche und sexuelle Identität, Attraktivität und Normalität, Aussehen, sexuelle Bedürfnisse und Erwartungen an sich und den Partner (Hajok, 2011). Es geht um die Bildung einer selbstbestimmten Haltung zum Thema Pornografie, um die Stärkung der eigenen positiven körperlichen und geschlechtsspezifischen Wahrnehmung als Mädchen/Frau und um die Förderung des zielgerichteten Surfens, damit ungewollte Kontakte vermieden werden.
Der Workshop Generation Porno? Jetzt entscheide ich! richtet sich explizit an Mädchen, obwohl die Forschung sie eher als desinteressiert und weniger „anfällig“ darstellt. Er soll von externen medienpädagogischen Fachkräften angeboten werden – der Unvoreingenommenheit und Anonymität wegen, die bei diesem Thema sehr wichtig sind –, schafft ein offenes Gesprächsangebot und richtet den Blick auf Erfahrungen, die Mädchen mit dem Thema Porno faktisch machen.

Gefahrenzonen besser identifizieren

So widmet sich eine Übung explizit der ungewollten Konfrontation mit Pornos – wo geraten wir überall an Pornos? – und zeigt, wie man Gefahrenzonen besser identifizieren kann. Eine andere Übung stellt sich dem Thema „Gefühle“ beim Umgang mit Pornos und geht darauf ein, wie ambivalent wir dabei empfinden können. In der aktuellen Ausgabe der tv-diskurs (67, 1/2014) werden ausgewählte Übungen aus dem Workshop Generation Porno? Jetzt entscheide ich! genauer vorgestellt und am aktuellen Thema „Sexting“ veranschaulicht.

Zum „weiteren Weiterlesen“: das medienpädagogische Workshopkonzept einschließlich eines eigenen Theoriemodells erscheint im Frühjahr 2014 im Verlag Empirische Pädagogik als Buch.

Generation Porno..? Jetzt entscheide ich! - Preisverleihungsclip (c) FSF
Preisverleihungsclip medius 2013 auf YouTube (c) FSF

Eva Borries wurde 2013 mit dem medius ausgezeichnet. Auf unserem YouTube-Kanal gibt es den Clip der anläßlich der Preisverleihung gezeigt wurde. Fotos und Hintergrundinformationen zur medius– Vergabe 2013 in Potsdam gibt es in unserem Blog und auf unserer Website Hintergrundinfos zum medius.

Döring, N.: Sexuelles Begehren im Cyberspace. In: R. B. Schmidt & U. Sielert: Handbuch Sexualpädagogik
und sexuelle Bildung. Weinheim 2008, S. 271-279

Grimm, P. et al.: Porno im Web 2.0: Die Bedeutung sexualisierter Web-Inhalte in der Lebenswelt von Jugendlichen.
Berlin 2011

Hajok, D.: Sexuelle Entwicklung mit dem Internet: Pornografiekonsum Jugendlicher und Konsequenzen für die
pädagogische Praxis. In: Bundeskonferenz für Erziehungsberatung e.V.: Generation digital. Neue Medien in
der Erziehungsberatung, Fürth 2011, Bd. 19, S. 146–169

Über Eva Borries

Eva Borries ist Diplom-Medienpädagogin und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Zentrum für Empirische Pädagogische Forschung (zepf) an der Universität Landau. Außerdem arbeitet sie deutschlandweit als Referentin für Medienkompetenz. Sie entwickelt individuelle medienpädagogische Fortbildungen, Vorträge und Workshops: Webseite Eva Borries.