Gestatten, Manic Pixie Dream Girl (MPDG)

Das „New Girl“ der gleichnamigen Serie ist der Inbegriff eines MPDG. Noch nie gehört? Dann lassen Sie mich die Dame mal vorstellen.

Sie ist lebenslustig, leicht durchgeknallt, voller liebenswürdiger Macken, mit wilder Frisur und vor allem – sie hat eine Mission: einen verlorenen jungen Mann retten, der sich daraufhin sehr in sie verliebt. Klingt wie eine Umkehrung des Dornröschenmythos? Leider falsch. Manic Pixie Dream Girls tauchen seit einigen Jahren immer wieder auf unseren Bildschirmen auf. Klassifiziert hat dieses Fabelwesen der US-Kritiker Nathan Rabin in einem Text zum Film Elizabethtown (2005) anhand der Figur der Claire. Das MPDG existiere nur in den Fieberträumen sensibler Autoren-Regisseure, um grüblerischen, schwermütigen jungen Männern beizubringen, wie man das Leben genießt, mit all seinen Mysterien und Abenteuern, schreibt Rabin. Das Hauptcharakteristikum dieser Frauenfiguren ist dementsprechend das Fehlen eines solchen. Das MPDG sei keine Figur mit eigener Sichtweise, ihr würde kein Innenleben zugestanden, anstelle einer Persönlichkeit hätte sie exzentrische Eigenheiten, präzisierte die Autorin Laurie Penny jüngst in einem Artikel für den NewStatesman.

Außer Claire in Elizabethtown werden etwa noch Sam (Natalie Portman) in Garden State (2004) und Becky (Juliette Lewis) aus What’s eating Gilbert Grape (1993) als Beispiele angeführt. Der Name, der am häufigsten in Zusammenhang mit dem MPDG auftaucht, ist Zooey Deschanel.

Sie hat es zu der zweifelhaften Ehre gebracht, nicht nur mit ihren Rollen, sondern inzwischen auch als Person für dieses Phänomen zu stehen. Ihr letzter Coup ist New Girl – eine Serie, mit der mich eine Art Hassliebe verbindet. Sie ist cool, witzig und originell und die Macher schaffen es, Charaktere zu zaubern, die gleichermaßen schräg und liebenswert sind und die man dennoch ernst nimmt, weil sie trotz comedyhafter Überhöhung glaubwürdig erscheinen.

Das alles gilt jedoch nur für die Männer. Wenn ich an die Serie denke, sehe ich die drei Jungs: den tollpatschigen, verkorksten und seinen Weg suchenden Nick, den überheblichen, aber immer noch von seiner früheren Fettleibigkeit geplagten Schmidt und den zwar selbstbewussten, aber von einem Karriereknick etwas durchgerüttelten Winston. Und schließlich ist da noch Jess, gespielt von Zooey Deschanel, die im Hintergrund irgendwelche unmotivierten Verrenkungen macht. Ständiges Kuchenbacken, kitschige Pyjamas, spontane Singerei, grenzenlose Naivität, das Hässliche-Entlein-Syndrom – dem Zuschauer soll permanent weisgemacht werden, dass sie nicht wirklich ansehnlich ist, obwohl Zooey Deschanel natürlich bildhübsch ist. Gepaart mit nervigen Parodien alter Serienhelden, Unentschlossenheit, der Unfähigkeit, eine Ikea-Kommode selbst aufbauen zu können, männlich-kumpelhaftem Verhalten und einer merkwürdigen Stimme, die sich ununterbrochen im Stimmbruch zu befinden scheint, nicht zu vergessen: die quietschbunten Klamotten: All das sind Einzelteile, aber sie ergeben keine Summe. Diese scheinbar liebenswürdigen, aber auf Dauer nervigen Verhaltensweisen summieren sich nicht zu einer Persönlichkeit! Obendrein dienen sie, wenn man genau hinsieht, nur als Sprungbrett für die Texte, Sprüche und Witze der Jungs. Natürlich ist sie nicht nur Stichwortgeberin, sondern Jess soll mit Hilfe ihres seltsamen und teils naiven Verhaltens so auch alle retten – die Sinnsuchenden.

Et voilà: ein Manic Pixie Dream Girl wie es im Buche (oder besser in der Kritik) steht. Es ist schon ein wirklicher Geniestreich, eine Serie zu erschaffen, die eine weibliche Hauptheldin hat und diese sogar im Titel ankündigt, sie dann aber so inkonsistent zu gestalten, dass man sich hinterher kaum an sie erinnern kann.

New Girl, © FOX

Auch, weil ihr eine Frauenfigur zur Seite gestellt wird, die tatsächlich einigen Eindruck macht: ihre beste Freundin Cece, das Model. Und man sollte meinen, hier würden jetzt die Klischees abgerollt werden, als gäbe es kein Morgen. Weit gefehlt. Naja, fast. Für die Modelwitze müssen ihre Mitbewohnerinnen herhalten, aber wir reden hier schließlich von einer Sitcom. Cece ist wunderschön, ohne es jedoch ständig herauszukehren. Sie ist intelligent, lässt sich kein X für ein U vormachen, vor allem nicht von Männern, mit deren Reaktionen auf ihr Aussehen sie souverän umzugehen weiß. Sie hat Schwächen, zu denen sie steht, macht Fehler, aber lernt daraus. Es sieht also nicht völlig finster aus mit den Frauenfiguren in New Girl, dass allerdings ausgerechnet das Foto der Namensgeberin im Lexikon unter MPDG zu finden ist, mutet schon ziemlich bitter an. Nathan Rabin hält das MPDG für eine Alles-Oder-Nichts-Angelegenheit. Entweder der Zuschauer würde sie sofort heiraten wollen oder ihr schlimme Dinge wünschen. Ich fürchte, ich gehöre wie er selbst, der letzteren Kategorie an.

Die 2. Staffel New Girl läuft aktuell auf ProSieben, immer mittwochs um 21:15 Uhr.

Über Katja Dallmann

Katja Dallmann hat ein Übersetzer-Diplom und einen Bachelor in Publizistik- und Kommunikationswissenschaft abgeschlossen. Sie ist freie Übersetzerin und Autorin, hat als Onlineredakteurin gearbeitet und verschiedentlich in Print und Online publiziert. Katja ist leidenschaftlicher Serienfan und bloggt sonst unter Serielle Schnittstelle.