Ich bin dann mal „analog“

Klicken, tippen, wischen, aktualisieren: So ein Leben mit Smartphone kann mitunter in Stress ausarten. Wenn irgendwann selbst hartgesottenen Internetjunkies die Ohren klingeln und die Augen zucken, kommt spätestens die Frage nach einer sinnvollen Mediennutzung auf. Nur wie gelingt die digitale Abstinenz? Diverse Apps bieten Hilfe für überforderte Netznutzer an.

Christine Watty schildert in tv diskurs 74 ihren Entzugsversuch aus der digitalen Welt.

App Forest © FSF
App Forest © FSF

Ich bin dann mal „analog“. Apps helfen beim Abschalten

Wir müssen gar nicht lange drum herumreden: Ich bin smartphonesüchtig. Erwache ich nachts, nutze ich mein Smartphone nicht nur als Uhr, ich checke meine E-Mails und lese dann auch mal aus Versehen im Halbschlaf interessiert Spamnachrichten. Ich aktualisiere meinen Account im sozialen Netzwerk und recherchiere mitten in der Nacht die Hintergründe einer Eilmeldung, die mir die Tagesschau-App geschickt hat. Und das tue ich inzwischen völlig automatisch. Dafür schäme ich mich kurz ein bisschen und sinke wieder in meine Träume, die sich dann zur Strafe aus den Informationen des nächtlichen Internetkonsums zusammensetzen.

Ich bin außerdem die Mutter auf dem Spielplatz, die das rutschende Kind mit einer Hand festhält und mit der anderen Mails beantwortet oder den Post eines Kollegen mit einem schnellen „Like“ versieht. Bei Bahnfahrten ärgere ich mich über alles in Sachen Internetverbindung, aber spätestens über die Tunnel, in denen der Empfang komplett unterbrochen wird und ich für die sagenhafte Länge von ca. 20 Sek. von der digitalen Außenwelt abgeschnitten bin. Das Geständnis hier ist natürlich Programm – wer zum Entzug will, muss sich zunächst „ehrlich machen“. Das ist hiermit geschehen: Ich bin reif für „digital detox“.

Schön an dieser Herausforderung ist natürlich, dass sie da beginnt, wo ich mich am liebsten aufhalte. Im Internet. Denn wer hilft mir beim digitalen Entzug, wenn ich nicht sofort einen Therapeuten zurate ziehen möchte? Natürlich meine kleinen virtuellen Begleiter, die Apps. Es sei gleich vorweggenommen – das Angebot für mein Gerät ist dürftig. Schnell stoße ich im Netz auf die eigentlich logische Information, dass die Firma Apple kein besonderes Interesse daran hegt, Menschen zu helfen, auf ihre Geräte zu verzichten. Das Prinzip, per App zu entziehen, hat tatsächlich auch etwas von der Absurdität, einem trinkfreudigen Menschen für die Phase der Abstinenz einfach ein anderes alkoholisches Getränk hinzustellen. Aber – was soll ich machen?

Ich installiere also zunächst mit zitternden Fingern die App Moment. Denn diese App soll mir – ähnlich wie das Pendant Menthal für Android-Geräte – zeigen, wie es in Sachen Internetabhängigkeit um mich steht, konkret: wie oft ich auf das Telefon drücke. Das Gefühl, das mich begleitet, seit die App installiert ist, ähnelt dem längst verdrängten Hoffen und Bangen vor der Rückgabe einer Schularbeit: Vielleicht ist es ja nicht so schlimm, denke ich, vielleicht sagt die App ja auch: Alles in Ordnung, es gibt wirklich dramatischere Fälle.

Den Gefallen tut mir diese Anwendung natürlich nicht, sie kommuniziert nur in Zahlen. Auch mein Versuch, besonders tapfer zu sein, führt zu nicht viel: Die App ist erst 10 Min. installiert, ich habe – unbewusst – schon acht Mal auf das Telefon gedrückt. Natürlich liefert Moment dazu auch keine beruhigende Einschätzung meiner Lage.

Die App zählt nur meine „Pick-ups“ des Telefons, also meinen Klick-Irrsinn. Allerdings bietet die Anwendung gegen Aufpreis konkrete Hilfe. Für knapp 5 Euro kann ich selbst einige therapeutische Maßnahmen auswählen. Beispielsweise ist es möglich, ein tägliches Limit für den Smartphone-Gebrauch
festzulegen. Ich scrolle mich zum Ende der angebotenen Zeitleiste und wähle 12 Std. aus – um mich dann gerade noch zur Ordnung zu rufen und mutige 20 Min. einzustellen.

App Forest © FSF
App Forest © FSF

Pünktlich nach 20 Min. erreicht mich die Information, dass meine tägliche Smartphone-Nutzung nun beendet sei und ich das Telefon ausschalten solle. Und zwar bis zum nächsten Tag! Das ist mir selbstverständlich zu lang, ich finde das auch ein bisschen zu streng und klicke auf „disable“.
Vielleicht bin ich auch einfach noch nicht reif für die App Moment.

Die folgende Zeit verbringe ich mit dem wieder aktivierten Telefon und einer Recherche im Internet, welche anderen Möglichkeiten mir noch bleiben. Sympathisch ist mir als Großstadtmensch mit Wohnung ohne Garten sofort die Idee von Forest.

[…]

Welche Apps die Autorin Christine Watty noch ausprobierte und ob bzw. wie diese wirkten, lesen Sie im gesamten Artikel, der hier als PDF abzurufen ist. Weitere Artikel der letzten tv diskurs-Ausgabe Aus dem Gleichgewicht. Wenn Mediennutzung stresst finden Sie unter Publikationen auf unserer Website.

Über tv diskurs

Die Fachzeitschrift tv diskurs – Verantwortung in audiovisuelle Medien informiert wissenschaftlich, pointiert und verständlich über aktuelle Entwicklungen im Bereich des Jugendschutzes, der Medienforschung und der Medienpädagogik. Sie erscheint viermal im Jahr und bietet ein Forum für unterschiedliche Positionen. Es werden nicht nur aktuelle Entwicklungen im Medien- und Jugendschutzbereich aufgegriffen, sondern auch grundlegende, philosophische Fragestellungen diskutiert.