Neu: tv diskurs 3/2016 Political Correctness. Normierte Sprache gegen Diskriminierung

In wenigen Tagen erscheint das neue Heft der tv diskurs – Verantwortung in audiovisuellen Medien. Hier gibt es schon einmal eine kleine Vorschau auf die 77. Ausgabe!

Wenn in der Gesellschaft Menschen wegen ihrer Hautfarbe, Religion oder ihrer sexuellen Orientierung abgelehnt werden, drückt sich das nicht zuletzt in der Sprache aus. Wörter, die wir zur Bezeichnung von Menschen verwenden, können entweder mit diskriminierenden Attributen verbunden sein, oft reicht aber schon die Nennung eines allgemein gebräuchlichen Begriffs, um ablehnende und negative Assoziationen zu erzeugen. So kann auch ein scheinbar neutraler Begriff durch entsprechenden Gebrauch in der Gesellschaft eine negative, diskriminierende Aussage beinhalten. Wie benennen wir einen Menschen mit dunkler Hautfarbe? Der Begriff „Neger“, der auf dem lateinischen Wort für „schwarz“ beruht, ist aufgrund seiner Geschichte mit negativen Assoziationen behaftet: Es schwingen Bewertungen wie „Außenseiter“, „weniger wert“, „schlechter gebildet“ mit, obwohl diese im eigentlichen Begriff gar nicht enthalten sind. Die Folge ist, dass dieses Wort beispielsweise in den Medien wohl kaum verwendet werden kann, ohne den Vorwurf von Rassismus oder Ähnlichem zu riskieren.

In der Hoffnung, damit Diskriminierungen verhindern oder wenigstens reduzieren zu helfen, wird zunehmend mehr Sorgfalt im Umgang mit der Sprache gefordert. Es sollen neutrale und unbelastete Begriffe verwendet werden. Aber können damit tatsächlich tief verwurzelte Bewertungen und Vorurteile aufgelöst werden? Macht nicht gerade die innere Bewertung die negative Assoziation des Begriffs aus – und nicht umgekehrt? Entsprechend führen Gegner dieser sprachlichen Sorgfalt den Kampfbegriff „Political Correctness“ ins Feld und meinen damit, dass es sich um Selbstzensur handelt, wenn versucht wird, tief verwurzelte Diskriminierungen in das Unbewusste zu verdrängen, statt sie offensiv im Diskurs zu bekämpfen.

Durch die Ereignisse in der Silvesternacht in Köln, als zahlreiche Frauen bestohlen und sexuell belästigt wurden, wurde die Diskussion um Political Correctness noch um eine Variante erweitert. Aus Angst, sie könnten die aufkeimende Feindseligkeit gegen Flüchtlinge und Asylanten aus afrikanischen und arabischen Staaten noch weiter anfachen, machte die Polizei in ihrer Pressearbeit zu den Herkunftsländern der Täter keine Angaben – und folgte damit auch dem Pressekodex des Deutschen Presserates, der formuliert, dass „die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten“ nur dann genannt werden muss, „wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht.“

Die Absicht dieser Richtlinie ist nachvollziehbar, aber in welchem Verhältnis steht sie zum Anspruch der Gesellschaft auf Information? Kann der mündige Mediennutzer nicht selbst entscheiden, ob die Herkunft von Tätern ein relevanter Fakt ist oder nicht? tv diskurs möchte die kontroverse und oftmals emotional geführte Diskussion darstellen und dabei versuchen, zur Versachlichung beizutragen.

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EDITORIAL
Das Editorial ist demnächst auch als Podcast abrufbar unter: http://fsf.de/publikationen/podcasts

INTERNATIONAL
Jugendschutz in der digitalen Gesellschaft 
Das Freigabesystem der klassischen Medien lässt sich nicht einfach übertragen
Gespräch mit Wim Bekkers

Mit dem Ajatollah im Kino
Stefan Förner

TITEL
Sensibel im öffentlichen Raum
Sorgfalt bei sprachlicher Diskriminierung und ihre Grenzen
Gespräch mit Arnd Pollmann

Denken Sie einmal nicht an rosa Elefanten
Vom Nutzen und Nachteil der politischen Korrektheit
Jens Förster

Es kann nicht sein, was nicht sein darf?
Political Correctness – Pro und Kontra
Werner C. Barg

„Political Correctness bleibt im Kern Belehrung“
Gespräch mit Klaus Theweleit

Gestörte Behaglichkeit
Vom Sinn und Unsinn politischer Korrektheit
Alexander Grau

„Prüft genau, bevor Ihr es veröffentlicht!“
Gespräch mit Lutz Tillmanns

Parolen für die Gutmenschenjagd 
Wie die Neue Rechte Begriffe kapert
Michael Ebmeyer

„Ohne Political Correctness erreicht man leider gar nichts“
Christina Heinen

Familie Braun
Das ZDF, die YouTuber und die Sache mit der Political Correctness
Susanne Vollberg

Stufen des Anstoßes
Klaus-Dieter Felsmann

PANORAMA

WISSENSCHAFT
Das Porträt: Jens Schröter
Alexander Grau

Das 8. Gebot 66
Wie Medien uns (Des-) Orientierung geben
Astrid Carolus, Maximilian Freiherr von Andrian-Werburg, Benjamin P. Lange und Frank Schwab

Musik auf dem Index
Zahlen und Argumentationen zur Indizierung von Tonträgern
Daniel Hajok

MEDIENLEXIKON

DISKURS
„Das Leben geht für uns im Netz weiter“ 
Transmediales Storytelling verändert Serien und die Beziehung des Zuschauers zu den Figuren
Gespräch mit Yasmin Akay

Netflix – zwischen Mythos und Realität 
Lothar Mikos

„… bloß eine aufgeregte Phantasie Erwachsener“
Gespräch mit Frank Herrath

Attraktiv für viele Zuschauer
Fußball und Fernsehen als gewinnbringende Symbiose
Gespräch mit Hans-Jörg Stiehler

Der Erdogan-Effekt: Medienhype um eine „Schmähkritik“
Claudia Mikat

Die Angst der Redakteure
Warum es bestimmte Drehbuchideen hierzulande grundsätzlich schwer haben
Tilmann P. Gangloff

LITERATUR

RECHT

SERVICE
Ins Netz gegangen
Unterwegs im Kosmos YouTube
Laura Carius

„Was der Bauer nicht kennt …“
Die re:publica vom 2. bis 4. Mai 2016 in Berlin
Claudia Mikat

Nachrichten und Emotionen
Das Sommerforum Medienkompetenz am 15. Juni 2016 in Berlin
Sonja Hartl

Jugendmedienschutz und Medienbildung mithilfe von Algorithmen?
medien impuls zur Künstlichen Intelligenz am 30. Mai 2016 in Berlin
Sonja Hartl

The Space is yours
45. Internationales Studentenfilmfestival Sehsüchte vom 20. bis 24. April 2016 in Potsdam
Laura Carius

Filmquiz
Die Auflösung unseres Rätsels und ein paar Hintergrundinformationen zum Film finden Sie am 10. August unter: blog.fsf.de/category/filmquiz

Auf unserer Website finden Sie nach Erscheinen der tv diskurs 3/2016 (Heft 77) die einzelnen Artikel zum Download sowie weitere Themen, da hier nur ein Auszug des Inhaltsverzeichnisses abgebildet ist. Wenn Sie Interesse an diesem Heft haben oder tv diskurs regelmäßig erhalten möchten (erscheint vierteljährlich), wenden Sie sich bitte an tvdiskurs@fsf.de.

Über tv diskurs

Die Fachzeitschrift tv diskurs – Verantwortung in audiovisuelle Medien informiert wissenschaftlich, pointiert und verständlich über aktuelle Entwicklungen im Bereich des Jugendschutzes, der Medienforschung und der Medienpädagogik. Sie erscheint viermal im Jahr und bietet ein Forum für unterschiedliche Positionen. Es werden nicht nur aktuelle Entwicklungen im Medien- und Jugendschutzbereich aufgegriffen, sondern auch grundlegende, philosophische Fragestellungen diskutiert.