Do you know YouNow?

Rechtliche Stolperfallen bei der Nutzung von YouNow

Als Ergänzung zu den Beiträgen YouNow: Think before you stream! und Umgang mit YouNow in der Praxis von der Medienpädagogin Eva Borries geht es im Folgenden detailliert um rechtliche Stolperfallen, in die Kinder und Jugendliche bei der Nutzung von YouNow tappen können, und um mögliche Gefahren, denen sie sich bei ihrer eigenen „Liveshow“ im Internet aussetzen.

Verletzung von Persönlichkeitsrechten

Gestreamt wird aus dem Klassenzimmer oder auch gern direkt von der Party – auf der Aufnahme befinden sich schnell Lehrer, Mitschüler oder Partygäste. Landen die Aufnahmen ohne Einverständnis der Abgebildeten im Internet, wird das Recht am eigenen Bild verletzt (§§ 22, 33 KunstUrhG). Das kann eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe zur Folge haben.

Die Möglichkeit, anonym Kommentare im Rahmen des Chats abzugeben und sich nicht vis-à-vis bspw. auf dem Schulhof die Meinung sagen zu müssen, lässt die Hemmschwelle sinken, andere verbal zu attackieren, selbst zum Cyber-Mobber zu werden. Schnell kann man sich der Beleidigung oder anderer ehrverletzender Delikte wie Verleumdung, üble Nachrede u.Ä. schuldig machen (§§ 185 ff. StGB). Die Rechtsprechung definiert Beleidigung als den Angriff auf die Ehre einer anderen Person durch die „Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung“. Fallen Begriffe, die sich eindeutig nur als Beschimpfung verstehen lassen, wie „Idiot” und ähnliche Formalbeleidigungen, handelt es sich um eine strafbare Beleidigung. Dies kann eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafen nach sich ziehen.

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Gelangen auch vertrauliche Gespräche oder Unterrichtsbeiträge von Lehrern auf diesem Weg in die Öffentlichkeit, handelt es sich um eine Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes (§ 201 Strafgesetzbuch [StGB]). Strafbar machen sich nicht nur diejenigen, die für die Veröffentlichung der Aufnahmen im Internet sorgen, sondern bereits jene, die die Aufnahmen erstellen. Das mögliche Strafmaß liegt hier bei bis zu drei Jahren Freiheitsentzug oder einer Geldstrafe.

Strafmündigkeit

Zu erinnern sei an dieser Stelle daran, dass die Strafmündigkeit (= Schuldfähigkeit) mit der Vollendung des 14. Lebensjahrs einsetzt (vgl. § 19 StGB). Strafunmündige Kinder (also unter 14 Jahren) werden strafrechtlich nicht verfolgt. Besteht ein Tatverdacht gegen ein Kind, wird von Polizei und Staatsanwaltschaft dennoch ermittelt, um den Sachverhalt aufzuklären und um zu prüfen, ob ggf. auch Strafmündige an der Tat beteiligt werden. Verfahren gegen strafunmündige Kinder werden in jedem Fall eingestellt, die Polizei informiert jedoch das zuständige Jugendamt. Es liegt dann im Ermessen des Amtes, ob Jugendhilfemaßnahmen wie spezielle Anti-Gewalttrainings oder sogar ein Elterncoaching verordnet werden.

Verletzungen von Urheberrechten

Dass das Abfilmen und Streamen des vortragenden Lehrers oder die Musikuntermalung der eigenen Darbietung aus dem Kinderzimmer Urheberrechtsverletzungen darstellen, dürfte gerade den jüngeren YouNowern nicht unbedingt bewusst sein. Konkret geht es um das Senderecht des Urhebers, nach dem jede/-r das eigene Werk über Funk (wie Ton- und Fernsehrundfunk) oder ähnliche technische Mittel der Öffentlichkeit zugänglich machen kann (§ 20 UrhG). Das Live-Streaming auf YouNow ist als eine Zugänglichmachung „mit ähnlichen technischen Mitteln“ zu verstehen. Sollten die Urheber ihre Rechte nicht selbst wahrnehmen, sondern sich von der GEMA vertreten lassen, können beim Abspielen entsprechend anmeldepflichtiger Musikstücke GEMA-Gebühren anfallen.

Für Urheberrechtsverletzungen können sogar Minderjährige selbst zur Haftung herangezogen werden. Die hier geltende Deliktsfähigkeit ist von der oben benannten Strafmündigkeit zu unterscheiden. Die Deliktsfähigkeit bezieht sich auf die zivilrechtliche Regelung, also, ob eine Person ggf. schadensersatzpflichtig ist. Und hierbei gilt: Minderjährige im Alter von 7 (!) bis 18 sind (immerhin) beschränkt deliktsfähig, d.h., sie sind verantwortlich für ihr Handeln, sobald sie ihr Unrecht einsehen können.

Cybermobbing leicht gemacht

YouNower können natürlich auch selbst zum Opfer von Cybermobbing werden. Im Schutze der Anonymität sind Beleidigungen schnell und leicht in das Kommentarfeld des Livechats geschrieben. Oder – als Gegenleistung für die ach so heißbegehrten Likes – kann nach scheinheiligen Komplimenten schon mal der Wunsch geäußert werden, mehr sehen zu wollen. Die Grenze zur Strafbarkeit wird hier überschritten, wenn ein Kind dazu aufgefordert wird, obszöne Stellungen einzunehmen, Geschlechtsteile zu entblößen oder sich selbst zu befriedigen (vgl. § 176 Abs. 4 Nr. 2 StGB; sexueller Missbrauch von Kindern).

Den Nutzern sollte bewusst sein, dass es mit den einfachsten technischen Mittel möglich ist, Livestreams aufzunehmen und auf dem eigenen Rechner zu speichern. In diesem Moment verliert der YouNower sämtliche Kontrolle über sein einmal Gezeigtes. Damit steht die Tür für Cybermobbing, Sexting bis hin zur Jugendpornografie (vgl. § 184 c StGB/Verbreitung Erwerb und Besitz jugendpornografischer Schriften) weit offen. In derartigen Fällen besteht die Möglichkeit, die Vorgänge den Strafverfolgungsbehörden zu übergeben. Ratsam ist hierbei, den entsprechenden Chatverlauf als Beweis zu sichern.
Befürchtet wird zudem, dass Pädophile die Plattform zur Kontaktanbahnung nutzen könnten. Zu Leichtfertig und schnell geben Kinder und Jugendliche persönliche Daten wie Name, Wohnort etc. preis.

Bekannte Gefahren in neuer Gestalt?

Die beschriebenen Gefahren sind nicht gänzlich unbekannt, treten in ähnlichem Gewand auch bei anderen sozialen Netzwerken wie Facebook oder YouTube auf. Trügerisch ist bei YouNow allerdings, dass den Nutzerinnen und Nutzern aufgrund der Direktheit des Livestreamens oftmals keine Zeit zur Reflexion bleibt.

Die Medienpädagogin Eva Borries fordert ein genaues Hinsehen der Erziehungsverantwortlichen und eine präventive Aufklärung anstelle eines Verbots der Plattform. Wesentliches Ziel der Medienpädagogik müsse sein, die Adaptionsleistung hinsichtlich bekannter Gefahren zu schulen, das nächste Social-Media-Phänomen lasse bestimmt nicht lange auf sich warten.

Über Anke Soergel

Studierte Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln. Im Rahmen ihres Referendariats arbeitete sie u.a. bei der Verwertungsgesellschaft VG Bild-Kunst sowie bei der Produktionsfirma Zieglerfilm Köln GmbH. Als Volljuristin nahm sie 2008 ihre Tätigkeit als Referentin für Jugendschutzrecht bei der FSF auf. Sie betreut u.a. den Rechtsreport in der tv diskurs.