Medienerziehung in der Familie – Neue Wege für die Zusammenarbeit mit Eltern

Fachtagung der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) am 12. April 2013 in Berlin

Das Interesse an den Vorträgen und Workshops zum Thema Medienerziehung in der Familie – Neue Wege für die Zusammenarbeit mit Eltern war groß, über hundert Gäste lockte es in die nordrhein-westfälische Landesvertretung. Vorrangig ging es um die Potenziale, die die Medien und das Internet zu bieten haben – und die vor allem Kinder aus bildungsschwachen Milieus schwer erreichen.

Nicht einzelne Medienformate oder Inhalte wie Gewalt wurden als problematisch bewertet, sondern eher das Zeitbudget für die Mediennutzung insgesamt, das andere sinnvolle Aktivitäten sehr an den Rand drängt. Prof. Dr. Norbert Neuß von der Universität Gießen plädierte dafür, den Zugriff auf gute Angebote zu erleichtern, indem Maßstäbe für Qualität formuliert und entsprechende Siegel vergeben werden.

Kinder erlebten sich „mit den Medien als authentisch“, erläuterte Prof. Dr. Gudrun Marci-Boehnke von der TU-Dortmund in einem unterhaltsamen Vortrag, den auch die grässliche Powerpoint-Präsentation nicht verderben konnte. Die grundsätzliche Frage, ob der Ruf nach mehr Medienkompetenz der Eltern die Verantwortung für die Medienerziehung nicht auf die schwächsten Schultern lade, beantwortete Marci-Boehnke treffend mit dem Satz „Medienerziehung ist keine Privatsache“. Es gehe darum, allen Kindern in Bezug auf ihr Medienhandeln Kenntnisse, Fertigkeiten und Werthaltungen mit auf den Weg zu geben (vgl. auch „KidSmart – Medienkompetenz zum Schulübergang“). Dafür müssten verbindliche Standards gesetzt und die Bildung „vernetzt geplant“ werden.

Die Medienlandschaft hat sich in den letzten Jahren so rasant verändert, dass den Eltern Heuristiken, einfache und effiziente Regeln aus Erfahrungswissen, weitgehend fehlen, was zu Ängsten und viel Misstrauen gegenüber dem Medienhandeln der Kinder führt. Deshalb sollen sie lernen, auch bei befremdlichen Medienvorlieben ihrer Kinder deren wirkliche Bedürfnisse zu erkennen. Hinter einer exzessiven Zuwendung zu Medien steckt im Regelfall keine „Mediensucht“, die es überhaupt nur in seltenen Ausnahmefällen gibt, sondern eher ein ganz konkretes anderes Defizit wie z.B. fehlende Anerkennung und Ansprache in der Schule oder in der Familie, erklärte Prof. Dr. Schulte-Markwort, Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychatrie in Hamburg. Er berichtete auch von dem interessanten Projekt, Eltern bei der U5, der Vorsorgeuntersuchung im 6. Lebensmonat, ein Buchpaket mitzugeben. Das verbessere nachweislich die Lesefähigkeit, denn offenbar ist das Vertrauen in die Ärzte so groß, dass den Kindern diese Bücher auch wirklich angeboten werden – quasi als Buchstabenmedizin.

Auf der Tagung wurde „Medienerziehung in der Familie“ in erster Linie als elterliches Handeln gesehen. Vielleicht sind aber auch die Kinder der Schlüssel zum Erfolg, wenn sie in Kita, Schule und Hort so gute Medienprojekte erleben und so viele Angebote an Liedern, Filmen, Büchern und Internetseiten kennen lernen, dass immer etwas dabei ist, was sie begeistert und in ihrer Entwicklung voran bringt. Daran könnten sie ihre Eltern teilhaben lassen – was wiederum die Kommunikation in der Familie beleben würde. Für mich steht also am Ende einer interessanten und klug konzipierten Tagung die Frage: Was muss sich ändern, damit unser Bildungssystem das leisten kann?

Pressemitteilung zur Tagung Medienerziehung in der Familie – Neue Wege für die Zusammenarbeit mit Eltern.
Das Programm als PDF steht Ihnen hier zum Download zur Verfügung.

Der Veranstaltungsbericht der GMK, sowie der Beitrag von Norbert Neuß Medienerziehung durch Eltern und Kita ist hier abrufbar.

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Über Susanne Bergmann

Susanne Bergmann ist Dozentin und Autorin, u.a. für den Kinderfunk von rbb und dlr. Seit 1995 Prüferin bei der FSF. Seit 2020 Ehrenamtliche Richterin am Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.