Prominent um jeden Preis? Ein Blick auf die Geschichte des Starwesens

Die Situation ist paradox: Einerseits gab es noch nie so viele von Medien als solche etikettierte „Stars“, ja es werden sogar immer neue „Superstars“ gesucht. Andererseits wird dem Starsein offenbar nur noch geringer Wert zugemessen, wenn sogar „Stars“ sich in australischer Dschungelkulisse peinlichen Prüfungen unterziehen.

Die DVD-ROM Faszination Medien (FaMe) bietet die Möglichkeit sich eingehend mit dem Phänomen „Star“ sowie dem medialen Starsystem auseinanderzusetzten. In einem der fünf multimedialen Diskurse wird Jugendlichen auf einer interaktiven Lerntour die grundsätzliche Frage mit auf den Weg gegeben: Prominent um jeden Preis? Aber fangen wir von vorn an:


Ein Blick auf die Geschichte des Starwesens

Kann es sein, dass es so etwas wie eine gesellschaftliche „Star-Gesamtsumme“ gibt, die sich entweder auf wenige wirklich große oder sehr viele Ministars verteilt?

Der Gedanke ist natürlich absurd, aber mit Blick auf die Geschichte des Starwesens auch nicht völlig von der Hand zu weisen.
Die Namen der Schauspieler wurden anfangs nicht genannt, aber die Popularität des „Biograph Girl“, Florence Lawrence, der wichtigsten Darstellerin der Biograph Company, hatte zur Folge, dass diese 1910 nach einem Wechsel der Produktionsfirma namentlich aufgeführt wurde. Zwar mussten nun den Hauptdarstellern höhere Gagen gezahlt werden, dafür warben sie mit ihrem Namen für die Filme, in denen sie auftraten. Im besten Fall entstand so Publicity auf Gegenseitigkeit: Der Film und das produzierende Studio profitierten vom Auftritt des Stars, der Star konnte mit jedem erfolgreichen Auftritt seinen Ruhm mehren. In Gang gehalten wurde dieses System durch Presseberichte und Stardevotionalien wie etwa Sammelbilder, die beide sowohl zum Aufbau des Starimages beitrugen als auch davon ebenfalls profitierten – die Presse „machte“ Stars, aber sie brauchte sie auch, um Zeitungen und Zeitschriften zu verkaufen.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde zunächst der Filmstar zum Inbegriff des „Stars“. Und er hatte tatsächlich viel mit einem „Stern“ gemein – beide waren nur gelegentlich zu sehen und unerreichbar, gleichzeitig waren beide aber auch strahlend und faszinierend. Gut dosierte Medienberichte versorgten die Öffentlichkeit mit Informationen über ihre Stars. Ein „Star“ war ein knappes Gut und immer auch ein wenig ein Rätsel, damit seine Fans eigene Vorstellungen und Fantasien in ihr persönliches Starbild einbringen konnten.

Dieser Star-Begriff wurde in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zusehends problematischer, was vor allem zwei Ursachen hatte. Erstens differenzierte sich die (Medien-)Kultur immer mehr aus, weshalb es immer weniger universelle, also schichten- und generationenübergreifende Stars gab, dafür immer mehr „Zielgruppenstars“. Zweitens nahm die Zahl der Medien, die Stars hervorbringen, in denen über Stars berichtet wird und die Stars benötigen, immer mehr zu. Was u. a. auch zur Folge hatte, dass bei neueren Stars die durchschnittliche Verweildauer im Starstatus immer mehr abnimmt.

Spätestens ab den 1990er-Jahren ist die Situation weitgehend unüberschaubar. Seitdem aus dem traditionellen Kino ein Event primär für jüngere Publika geworden ist, Fernsehen ein Nebeneinander von 100 Programmen darstellt und sich der Musikmarkt in ein Labyrinth aus mindestens zehn Hauptgenres mit jeweils zahllosen Untergenres verwandelt hat, sind die meisten neuen „Stars“ lediglich Stars in einer Nische und weiten Teilen der Öffentlichkeit kaum bis gar nicht bekannt. Als Konsequenz sind traditionelle Verkleinerungsformen von „Star“ wie „Starlet“ oder „Sternchen“ aus der Alltagssprache weitgehend verschwunden, stattdessen ist der „Star“ selbst abgewertet worden. Heute konkurriert der „Star“ begrifflich mit dem „Promi“, wenn nicht sogar mit der „Nase“ – einem Synonym, das den im Wortsinn herausragendsten Teil des Gesichts eines Prominenten benennt.

Wenn aus einem „Star“ ein „Promi“ oder eine „Nase“ wird, verringert sich die Distanz zu seinem Publikum natürlich gegen null. Anders als frühe Filmstars wirkt er nicht mehr unerreichbar und rätselhaft, in der meist kurzen Phase seiner besonderen Bekanntheit ist er in der Regel medial geradezu omnipräsent, und seinen Fans ist kaum ein Detail aus seinem Privatleben und seiner Biografie fremd. Ein weiterer wichtiger Unterschied: Frühe Filmstars mussten meist lange und hart arbeiten, ehe sie Stars wurden. Heute ist Beharrlichkeit nicht mehr unbedingt erforderlich, es genügt oft schon ein einmaliger Erfolg, ein Fernsehauftritt oder ein Internetvideo mit großer Resonanz. Zwar weiß in solchen Fällen bald kaum noch jemand, wie ein Promi zum Promi geworden ist, dennoch ist diese Personengruppe äußerst gefragt. Fernsehshows vieler Genres brauchen sie als bekannte Gesichter, die Boulevardpresse als Berichterstattungsgegenstand – und nicht zuletzt verleihen sie den in diesem Zusammenhang oft zitierten Baumarkteröffnungen.

Von Prof. Dr. Gerd Hallenberger – einer der zahlreichen Experten, die auf FaMe zu Wort kommen.

Prominent um jeden Preis?
„Ich bin ein Star – holt mich hier raus!“ Oder lieber doch nicht? Im Diskurs Prominent um jeden Preis? dreht sich alles um Stars und das mediale Starsystem. Dabei leiten die Begriffe „Star“, „Celebrity“ und „Prominenter“ in eine Struktur, die von permanenter Medienpräsenz, Skandalen, makelloser Schönheit und Shows lebt.

Eine Frage lautet beispielsweise, welchen Stellenwert prominente Personen aufgrund ihrer Präsenz in den Medien haben. Im Hinblick darauf erklären Experten wie  Dr. Martina Schuegraf und Prof. Dr. Thomas Macho das Starsystem, seine Inszenierungsprinzipien und die gegenseitige Abhängigkeit von Stars und Medien.

Screenshot aus der DVD-ROM Faszination Medien, Diskurs "Prominent um jeden Preis?" (c) bpb / FSF / FilmuniversitätDabei werden geschönte Bilder ebenso diskutiert wie Kameratechniken, Lichtgestaltung und Bühnenästhetik.

Der multimediale Diskurs setzt sich eingehend mit dem Verhältnis zwischen Stars, Prominenten und Medien auseinander und bringt den Nutzer über interaktive Screens dazu sich die Frage zu stellen: Prominent um jeden Preis?

Im Diskurs kommt auch die deutsche Schauspielerin Maria Dragus zu Wort. Sie spricht auf Faszination Medien über die Fankultur im Zeitalter digitaler Medien; das Verhältnis von Nähe und Distanz gegenüber Fans und über den Star als Vorbild. Zwei der Videos haben wir auf unserem YouTube-Kanal bereitgestellt.

Maria Dragus wurde 1994 geboren und stand zum ersten Mal mit 13 Jahren vor der Kamera. Für ihre Rolle als Pfarrerstochter in Das weiße Band (2009) von Michael Haneke erhielt sie 2010 den Deutschen Filmpreis als beste Nebendarstellerin. International bekannt wurde Maria Dragus durch ihren Auftritt in der australischen Fernsehserie Dance Academy – Tanz deinen Traum (2010). Seither spielte sie inzahlreichen Kino- und Fernsehfilmen mit und wurde auf der Berlinale 2014 als Shootingstar des europäischen Films ausgezeichnet.

Neben Experteninterviews und der intensiven Auseinandersetzung mit dem Verhältnis zwischen Stars und Prominenten sowie den Medien, wird den Jugendlichen in interaktiven Aufgaben die Frage gestellt, ob sie an diesem System aktiv teilhaben wollen und wenn ja, warum.

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Aus der DVD-ROM Faszination Medien, Diskurs „Prominent um jeden Preis?“: Lies Dir folgende Argumente von Befürwortern und Kritikern der Sendung durch und entscheide, welches für Dich das stärkere Argument ist.

Faszination Medien (FaMe) ist in Zusammenarbeit der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) mit der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) und mit Unterstützung der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF entstanden. Sie ist über die bpb erhältlich.

Die begleitende Website bietet umfassende Einblicke in die DVD-ROM.

 

Über Gerd Hallenberger

Dr. phil. habil. Gerd Hallenberger forscht als freiberuflicher Medienwissenschaftler über Fernsehunterhaltung, allgemeine Medienentwicklung und Populärkultur. Er lehrt an verschiedenen Universitäten und ist Mitglied des Kuratoriums der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF).