Weniger Kontrolle, mehr Schutz

Ein norwegischer Gesetzesentwurf setzt Selbstregulierung als plattformübergreifendes Prinzip in beispielhaft einfacher und klarer Weise um

Bei der International Film Classifiers Conference in Fredrikstad, Norwegen, die vom 22. bis zum 23. Oktober 2014 statt fand, stellte das Gastgeberland Norwegen ein geplantes neues und bestechend einfaches „Gesetz über den Schutz Minderjähriger vor schädlichen Bildprogrammen u.a.“ vor. Dieses soll die bestehenden Regelungen zu Rundfunk, Film und Video ablösen und zugleich eine verbindliche Regelung für fernsehähnliche Inhalte im Netz schaffen. Line Langnes, juristische Beraterin bei der norwegischen Medienaufsicht Medietilsynet, fasste die wesentlichen Punkte zusammen: Hauptziel ist es, eine plattformneutrale Regulierung im Bereich von Bewegtbildinhalten festzuschreiben, die den Schutzgedanken der KRK und der EU-Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste (AVM-Richtlinie) in nationales Recht umsetzt und dabei der Grundprämisse der KRK Rechnung trägt, dass „die Gesellschaft eine Verantwortung dafür trägt, dass Kinder und Jugendliche Zugang zu Medieninhalten haben, die sozial und kulturell von Wert für diese sind“. Maßstab für eine etwaige schädigende Wirkung von Medieninhalten ist dabei, inwieweit diese das „Wohlergehen des Kindes“ (UN-Kinderrechtskonvention Artikel 17) beeinträchtigen können. In den skandinavischen Ländern ist die UN-Kinderrechtskonvention der zentrale Referenzpunkt für die Gesetzgebung im Bereich des Jugendmedienschutzes. Meinungs- und Informationsfreiheit, auch durch Massenmedien, kulturelle Teilhabe und Zugang zum Internet werden in der UN-Kinderrechtskonvention wie auch im norwegischen White Paper grundsätzlich als dem Wohl des Kindes förderlich und als eine seiner Grundbedingungen angesehen.

Im Wesentlichen legt der Gesetzesentwurf drei Punkte fest:

1.    Für kommerziell vertriebene oder zugänglich gemachte Bildprogramme muss – mit Ausnahme von Kinofilmen, für die weiterhin die staatliche norwegische Medienaufsicht zuständig bleibt, vom Anbieter – ein Alterskennzeichen festgelegt werden.

2.    Der Anbieter muss den Nutzer über dieses Alterskennzeichen informieren.

3.    Der Anbieter muss Schutzmaßnahmen einleiten mit dem Ziel, dass Kinder und Jugendliche Inhalte, die schädigend auf eine bestimmte Altersgruppe wirken können, üblicherweise nicht wahrnehmen. Im Fernsehen können dies Sendezeitregelungen sein, im Internet das Bereitstellen einer Jugendschutz-PIN.

Kann Jugendmedienschutz tatsächlich so einfach und einleuchtend sein

Anmerkung: In tv diskurs 71 (erscheint Januar 2015) stellt die Autorin in einem Tagungsbericht zur International Film Classifiers Conference die UN-Kinderrechtskonvention in ihrer Bedeutung als rechtliche Grundlage für den Jugendmedienschutz und weitere Inhalte der Tagung ausführlicher vor. Im White Paper enthalten ist eine gute Überblicksdarstellung der verschiedenen Jugendschutzsysteme in Europa.

Über Christina Heinen

Christina Heinen studierte Soziologie und absolvierte ihr Volontariat an der Journalistenschule der Evangelischen Medienakademie in Berlin. Sie arbeitete als freie Journalistin mit den Schwerpunkten Medienthemen, Film- und Fernsehkritik und ist seit 2004 hauptamtliche Prüferin bei der FSF.