Ironie und Popkultur

Zur Gewaltdarstellung in Irgendwann in Mexiko

Der US-amerikanische Spielfilm Irgendwann in Mexiko aus dem Jahr 2003 schließt die El Mariachi-Trilogie ab. Regisseur Robert Rodriguez liefert mit der überdreht und opulent inszenierten Actionkomödie ein wahres Feuerwerk an Zitaten und filmgeschichtlichen Querverweisen, an ironischen Brechungen und parodistischem Klamauk. Gewalttaten sind dabei auf eine ebenso beiläufige wie humorvoll überzogen inszenierte Art ein zentraler Bestandteil der Handlung und sollen zur Unterhaltung gereichen, was die bewegte Vorgeschichte im Rahmen des Jugendschutzes erklärt.

Für die Kinoauswertung im Jahr 2003 konnte keine Jugendfreigabe von der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) erwirkt werden. Beanstandet wurde die massierte Inszenierung von Tötungen zu Unterhaltungszwecken. In der Argumentation wird Jugendlichen nicht zugetraut, die ironischen Brechungen zu erkennen. Im Jahr 2006 wurde von der FSF dieses Ergebnis für eine geschnittene Fassung bestätigt, auch von einem Berufungsausschuss. Zehn Jahre später bestätigte ein FSF-Prüfausschuss das Ergebnis für die integrale Fassung mit ähnlichen Argumentationslinien, allerdings nur noch mit einer knappen Mehrheit. Die aktuelle Entscheidung des FSF-Berufungsausschusses gewichtet das Genre der überdrehten Actionkomödie als zentrales Entlastungsmoment weitaus stärker, die etliche filmgeschichtliche Bezüge abfeiert, ironisch bricht und parodiert. Auch wenn 16-Jährige nicht alle Bezüge und Zitate entschlüsseln können, zweifellos können sie den Film als ironisches Werk der Popkultur erkennen.

Schon der Titel (Originaltitel Once Upon a Time in Mexico) stellt eine Verbeugung vor den epischen Spaghettiwestern vergangener Dekaden dar, ebenso der bombastische Soundtrack. Dieser wird ergänzt durch die überzogen sentimentalen Mariachi-Gesänge des Haupthelden, die den Humorcharakter unterstreichen. Da das Geschehen in die Heimat des Regisseurs verlegt wurde und mit der zentralen Heldenfigur den traditionellen Legenden von lateinamerikanischen Volkshelden folgt, wird ein weiterer Bezug hergestellt, der hier jedoch ebenfalls ironisch gebrochen wird. Der Held wird zu Anfang des Films humorvoll überzogen als volkstümlicher Superstar vorgestellt. Damit wird der gesamte Film von Anfang an als Werk der Popkultur und in der Tradition des postmodernen Zitatekinos mit karnevalesken Zügen gekennzeichnet.

Der Actionfilm wartet mit einer ganzen Reihe von spektakulären Gewaltszenen auf, die aber niemals in die Nähe von realistischer Gewaltdarstellung gelangen. Bereits zu Anfang gibt es eine furiose Szene in einem Saloon, in der eine Gitarre zum Maschinengewehr und eine fahrbare Bar zum Schutzschild wird, während die getroffenen Angreifer in hohem Bogen durch die Luft fliegen. Auf diese Art wird das hohe Level von Gewaltaction vorgestellt, die jedoch stets auf eine übermütige Art in den Slapstick gezogen und absolut unrealistisch inszeniert wird.

Damit wird die Tonlage des Werkes vorgegeben. Spektakel vor Realismus, opernhafte Actionchoreografien vor detaillierten Gewaltspitzen. Die Darstellung zielt nicht auf das Ausspielen von expliziten Gewaltbildern. Die Bildebene ist nur vordergründig blutig, wenn drastische Gewaltakte wie das Ausstechen der Augen oder Folterhandlungen vorkommen, so werden diese in den Details nie ausgespielt gezeigt, noch dazu ironisch gebrochen und ins Absurde geführt. Menschliches Leiden wird gar nicht gezeigt. Im Gegenteil, kann der CIA Agent mit blutigen Augenhöhlen, die wie eine Faschingsbemalung aussehen, noch auf seine Gegner zielen, was das Ganze wiederum ins Absurde hebt. Eine andere Szene, in der sich zwei Folterer unterhalten, weist in der humorigen Tonlage Bezüge zu taratinoesken Dialogen auf, die sich selbst nicht ernst nimmt. Überzogen humorvoll erscheint auch die Gesichtsoperation des Bösewichts, der hernach mumienhaft mit Gesichtsverband herumlaufen muss, unbeeindruckt und schmerzfrei. Schüsse in die Beine des FBI Agenten bewirken, dass aus dessen Knien kabelhafte Stränge hängen.

Die Bildebene bewegt sich an keiner Stelle auf dem Niveau von Gewaltdarstellungen von FSK-18-Filmen. Die offensiv künstlichen Effekte referieren vielmehr auf Genreklischees und spielen lustvoll mit deren Dekonstruktion. Ebenso wenig sind Zynismen enthalten, die ansonsten in der Spruchpraxis „keine Jugendfreigabe“ rechtfertigen. Die humoristischen Elemente sind durchgängig überzogen verspielt und comichaft, nicht nur ironisch gebrochen, sondern gereichen zur anarchischen Genreparodie. Ob nun der Mariachi mit seiner Liebsten als Slapstickeinlage durch Handschellen gefesselt eine abenteuerlich artistische Flucht aus dem 5. Stockwerke hinlegt, der Held lässig aus der Hüfte eine ganze Armada von Angreifern erschießen kann, während er im Kugelhagel nicht einen Treffer abbekommt oder der FBI Agent seinen Ausweis mit Tipp-Ex fälscht.

Die Rezeptionsgewohnheiten von Jugendlichen ab 16 Jahren haben sich in den letzten zehn Jahren gewiss geändert. Die heutige Generation ist durch ihre Rezeptionsgewohnheiten und etliche Parodien – wie etwa die populären Verballhornungen von Blockbustern auf YouTube – zweifelsohne eine Ironie geschulte Generation. Parodien gehören quasi zum Mainstream der Jugendkultur. Es erscheint aus heutiger Sicht tatsächlich etwas lebensfern, wenn dieser Generation unterstellt würde, sie könnte die Ironie des Filmes nicht entschlüsseln. Auch schon ab 16-Jährige sind in der Lage, den Kunstcharakter des Werkes zur Distanzierung zu nutzen. Sie werden sich unterhalten fühlen, aber keine abträglichen Verhaltensmuster in ihren Alltag übernehmen. Eine Parodie ist eine Parodie. Und die hier vorgeführte Ironie verortet sich ganz offensiv in der Popkultur.

Sky Cinema Action/HDzeigt Irgendwann in Mexiko ab heute Abend um 21.15 Uhr. Weitere Ausstrahlungstermine zu finden bei Sky.

FSF ab 16 Jahren © FSF

Die FSF hat den Actionstreifen für ein Publikum ab 16 Jahren freigegeben.

Zur dieser und weiteren ProgrammInfos auf der FSF-Website geht es hier.

*Der Sender Sky darf den Film auch schon vor 22.00 Uhr ausstrahlen, weil er als Pay-TV-Anbieter eine Jugendschutzsperre aktivieren kann, die von den Zuschauern mit der Eingabe einer Jugendschutz-PIN freigeschaltet werden muss. Somit gelten die üblichen Sendezeitbeschränkungen und Schnittauflagen nicht. Weitere Informationen zu Vorschriften und Anforderungen an digitale Vorsperren als Alternative zur Vergabe von Sendezeitbeschränkungen sind im Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (§ 5 Abs. 3 Nr. 1; § 9 Abs. 2 JMStV) sowie in der Jugendschutzsatzung der Landesmedienanstalten (§ 2 bis § 5 JSS) zu finden.”

Bitte beachten Sie: Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Programm nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungsrisiken mehr bedeutet.

Mehr Informationen zur Programmprüfung erhalten Sie auf unserer Website. Dort veröffentlichen wir jede Woche neue ProgrammInfos zum aktuellen Fernsehpramm. Auch diese Auswahl stellt keine Empfehlung dar, sondern zeigt einen Querschnitt der Programme, die den Prüfausschüssen der FSF von den Mitgliedssendern vorgelegt werden.

Über Christiane Radeke

Studium der AV-Medienwissenschaften an der Filmuniversität Babelsberg KONRAD WOLF, arbeitete für Filmfirmen und Festivals. Tätigkeit als Publizistin u.a. für das Kinder- und Jugendfilmzentrum in Deutschland. Ausbildungen zum Creative Producer, zur Synchronbuchautorin und in Creative Writing. Seit einigen Jahren Autorin von Jugendbuchtexten. 2013 erschien ihr Romandebüt Herz Schlag Zeit im Thienemann Verlag.