Kriegsheldenpathos im Krankenhaus oder seichte Kritik am US-amerikanischen Gesundheitssystem?

Ab dem 2. September 2014 zeigt FOX jeden Dienstagabend ab 21.00 Uhr die Krankenhausserie The Night Shift (2014).

Wie der Titel vermuten lässt, spielt The Night Shift während einer Nachtschicht einer hektischen, finanziell angeschlagenen Notaufnahme in San Antonio. Die Serie gibt vor, dass die Notaufnahme des San Antonio Medical Centers die einzige in der ganzen Gegend ist, die nachts geöffnet hat. Wenn auch das amerikanische Gesundheitssystem gravierende Schwächen aufweisen mag, erscheint diese Darstellung in Anbetracht der Tatsache, dass San Antonio mehr als 1,3 Millionen Einwohner zählt und die siebtgrößte Stadt der USA darstellt, etwas unglaubwürdig. Auf alle Fälle erklärt sich hieraus, warum die Nachtschicht mit enorm vielen und heftigen Krankheitsfällen konfrontiert ist.

Das Besondere dieser Serie ist: Die meisten der hier praktizierenden Ärzte sind ehemalige Militärärzte. Worauf die Serie damit abzielt, ist mir nach Sichtung der Pilotfolge noch nicht ganz klar. Vielleicht wird zukünftig die Schwierigkeit der Reintegration in den „normalen“ Berufsalltag problematisiert? Vielleicht werden posttraumatische Erinnerungen noch eine tief greifende Rolle spielen? Vielleicht soll dies aber auch erklären, warum die Ärzte so brillant in ihrer Tätigkeit sind und sich so solidarisch gegen die Anweisung von oben widersetzen, nur versicherte Patienten zu behandeln, solang es sich nicht um gravierende Notfälle handelt. Fest steht: Diese Ärzte sind Action-Ärzte, die selbst zum Unfallort rasen, Verbrechen bekämpfen und im Zweifel auch mal dem Krankenhausverwalter eine runterhauen. Selbstverständlich wird dies angereichert mit Beziehungsproblemen und Anbändeleien. Die Kollegen haben bereits … , werden noch, oder schlafen zurzeit miteinander, wie man in der Serienkritik der USA flüstert.

Das Ensemble der Charaktere folgt einem bekannten Muster: Im Mittelpunkt steht der unrasierte, attraktive, häufig sein T-Shirt ausziehende, rebellische Militärarzt TC Callahan, der von dem irischen Schauspieler und Model Eoin Macken (Merlin) gespielt wird. Eben aus Afghanistan zurückgekehrt, bedient sich TC bei der Behandlung seiner Patienten oftmals unkonventionellen Methoden. Dies stößt bei dem streng, geldgierig wirkenden Krankenhausverwalter Ragosa (Freddy Rodriguez, Six Feet Under) nicht auf Wohlwollen ihm gegenüber. Unter seinen Kollegen gilt TC jedoch als hervorragender, nicht zu ersetzender Arzt. Seine Exfreundin Jordan (Jill Flint, Garden State) ist neuerdings seine Chefin und versucht TC‘s Eigenwilligkeit zu bändigen und zwischen Ragosa und TC zu vermitteln. Da wären ferner, um die Stereotypen, mit denen hier gearbeitet wird, beim Namen zu nennen: heiße Latina, lustiger Schwarzer, heimlicher Schwuler und verlässlicher Chinese. Solche Charaktere kennen wir zwar bereits aus Grey’s Anatomy und Scrubs, aber das hat dort doch auch prächtig und jahrelang funktioniert!

Ich finde die Serie unterhaltsam, mitunter sogar lustig – anspruchsvoll und innovativ dagegen eher nicht. In den USA erzielte sie trotz Ausstrahlung zur Sommerzeit (Serienstart 27. Mai 2014, NBC) eine Zuschauerquote von 6,6 Millionen pro Episode, womit sie ganz gut im Durchschnitt US-amerikanischer Krankenhausserien liegt (Grey’s Anatomy erzielte durchschnittlich 9,1 Millionen in Staffel 09 und Srubs – Die Anfänger 3,8 Millionen in Staffel 09). Die Idee zu The Night Shift stammt übrigens von den Beverly Hills 90210-Machern Gabe Sachs und Jeff Judah. Ihre Produktion wurde von den FSF-Prüfer/-innen für die Ausstrahlung im Hauptabendprogramm ab 20 Uhr freigegeben und für  jugendliche Zuschauer ab 12 Jahren als unproblematisch befunden. Zur ausführlichen ProgrammInfo zur Serie The Night Shift auf der FSF-Website geht es hier.

Bitte beachten Sie: Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Programm nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungsrisiken mehr bedeutet.

Mehr Informationen zur Programmprüfung erhalten Sie auf unserer Website. Dort veröffentlichen wir jede Woche neue ProgrammInfos zum aktuellen Fernsehprogramm. Auch diese Auswahl stellt keine Empfehlung dar, sondern zeigt einen Querschnitt der Programme, die den Prüfausschüssen der FSF von den Mitgliedssendern vorgelegt werden.

Über Mareike Müller

Mareike Müller studierte Kulturanthropologie und Rechtswissenschaften (BA) sowie European Studies (MA) an der Georg-August Universität Göttingen und Europa Universität Viadrina. Nach verschiedenen Erfahrungen in der politischen und kulturellen Vermittlungsarbeit im In- und Ausland war sie von 2012 bis 2014 als studentische Mitarbeiterin bei der FSF redaktionell und im Projektmanagement tätig. Seit 2015 schreibt sie als freie Autorin für der FSF-Blog.