Blutiger „Tanz der Zuckerfee“

Horrorfilme zu Weihnachten

Wer kennt sie nicht, all die harmlos klingenden, mit Festtagsstimmung und Kuschelzeit verbundenen Weihnachtslieder. Dazu die vielen bunten Weihnachtslichter, die freundlich aussehenden Weihnachtsmänner, die mit ihrem tief ausgesprochenen Ho ho ho die Wünsche der Kinder aufnehmen, und dann die Weihnachtsmärkte – getragen vom Duft frisch gebrannter Mandeln – mit dem freudigen Kinderlachen. All die Anhängsel der Weihnachtszeit, so harmonisch, besinnend und Freude verbreitend. Wer würde sich dabei je etwas Böses denken?

Doch genau hierfür gibt es ein ganzes Genre der Filmgeschichte, das mit dieser Naivität spielt: Weihnachtshorrorfilme. Der Spieß dreht sich um, die Situationen wandeln sich von der beschaulichen, friedvollen Zeit zu bedrohlichen Momenten.

Santa-Claus-Maske, Foto: 1112869, pixabay.com
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Plötzlich kommt die Frage auf: Wer steckt eigentlich hinter dem Kostüm des weißbärtigen Mannes mit seiner tief ins Gesicht gezogenen Mütze und dem dicken roten Mantel? Die einst andächtig klingenden Lieder erscheinen nun beängstigend, tragen eine böse Vorahnung mit sich. Die hell erleuchteten Lichter sind jetzt zu viel, wirken grell und blenden. Und Weihnachtsmärkte versprühen nun nicht mehr den Charme, als wären es Orte der Freude und des Friedens – das Gefühl entsteht, sie bergen nun mit ihren Menschenmassen, der Dunkelheit und Naivität perfekte Schauplätze für ungesehene Verbrechen.

Ist es nicht faszinierend, wie es diese Horrorstreifen schaffen, solch rein positiv konnotierte Situationen und die damit verbundenen Emotionen ins Negative umzuwandeln?

Nehmen wir zum Beispiel den Film Black Christmas: Immer bevor dort die Figur des Psychopathen erscheint, ertönt Tschaikowskys Tanz der Zuckerfee. Dieses Musikstück voll munterer Glockentöne schafft es, einem Schauer über den Rücken zu jagen. Da bleibt nichts heimeliges mehr, nichts harmloses. Tschaikowskys Werk wandelt sich von der reinen Unschuld in die pure Vorahnung des Bösen.

Ähnlich im Film Silent Night: Hierin läuft ein als Weihnachtsmann verkleideter Verrückter frei auf den Straßen herum und begeht unter dem Schutze des Kostüms etliche Morde. Aber als ein Weihnachtsmann unter vielen ist das Aufspüren des „richtigen“ natürlich nicht leicht. Mit einem Schlag vermutet man hinter jedem Weihnachtsmann einen Mörder, denn unter der Maskerade steckt eben doch nur ein Mensch, hinter dessen Fassade man nicht blicken kann.

Böser Clown, Foto: 1537543, pixabay.com
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Verkleidungen hatten schon immer Gruselpotenzial. Man nehme nur einmal die Welt der Clowns – das wohl berühmteste Beispiel für eine erheiternde (Kinder)Attraktion –, bei der sich die Clownfigur ganz schnell in ein furchteinflößendes Wesen verwanden kann. Abschrecken und Widerwillen speisen sich aus der unbeweglichen Maske und der überzogenen Schminke, die keine menschlichen Gesichtszüge oder ursprünglichen Merkmale durchschimmern lassen. Sobald die Identifizierung menschlicher Attribute schwerfällt, löst dies Unwohlsein aus. Es ist nicht mehr möglich, Empfindungen oder Gedanken des Gegenübers einzuschätzen.

In dieser Hinsicht trägt der Weihnachtsmann sicher weniger Grauen mit sich, da das Gesicht trotz des Bartes recht gut erkennbar bleibt. Weihnachtsmänner als Horrorfiguren sind tatsächlich eher eine Seltenheit – und doch gibt es sie.

Warum fasziniert es uns, schöne Situationen in gruselige umzuwandeln? Die Begeisterung dafür rührt vielleicht aus den Emotionen und ausgelösten Assoziationen eines Menschen: ohne Begeisterung keine Zu-, aber auch keine Abneigung. Die Schwierigkeit und auch Seltenheit dies in einer Zeit spielen zu lassen, die generell positiv konnotiert ist, hebt es von anderen Arten des Horrorfilmgenres ab. Es gilt die vorhandenen Urängste der Dunkelheit, des Versteckten und des Auftauchens von Verbrechen in Momenten und an Orten, in einer Zeit auszulösen, in der man am wenigsten mit rechnet, die für Besinnlichkeit und Vorfreude steht.

Es handelt sich hier um ein Filmgenre, das sich durch die gegebenen Umstände, die eigentlich mit einem so harmlosen Grundgefühl verbunden sind, vollkommen austoben kann.

Über Carolin Nägele

Carolin Nägele studierte Kommunikations- und Wirtschaftswissenschaften an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald. Nach ihrem Auslandspraktikum in den USA beim Philadelphia Chapter of the American Alpine Club, dort war sie in den Bereichen PR und Social-Media-Marketing tätig, sammelte sie weitere Praxiserfahrungen im Bereich des Jugendmedienschutzes bei der FSF.