Ende der Spielzeit. Teil 3 – Britisches

Katja Dallmann schaut zurück – auf die letzte Herbst/Winter-, die eigentlich eine Herbst/Winter/Frühling-Saison ist. Und die hatte wahrlich so einiges zu bieten. Teil 1 und 2 Ende der Spielzeit erschienen bereits zu Beginn der Woche. Heute nun der letzte Streich!

Von den Briten gab es in der letzten Saison hauptsächlich Kostümgewaltiges – von der Welt der Kaufhäuser um die vorletzte Jahrhundertwende über Gangsterbanden und die Aristokratie zu Beginn des 20.- bis hin zu altbekannten französischen Helden des 17. Jahrhunderts. Außer natürlich … Sherlock. Von dem gab es nämlich die lang erwartete dritte Staffel. Und die sorgte gleich für Kontroversen. Denn die Macher waren vom gewohnten Stil abgewichen – dramaturgisch und visuell. Es gab neue Regisseure und es menschelte. Sherlock (Benedict Cumberbatch) tat plötzlich Dinge, die man von ihm nicht gewohnt war und die am Mysterium kratzten und so mancher Fan tat sich schwer damit. In Foren konnte man lesen, dass man auch gern noch fünfzig Jahre hätte im alten Fahrwasser weiter schwimmen können. Und ich muss sagen, auch bei mir stellte sich nach der ersten Folge noch nicht ganz die alte Begeisterung ein. Doch zum Schluss war sie wieder da. Denn mehr noch als zuvor waren die einzelnen Folgen über einen durchgängigen Handlungsstrang verbunden. Der fast übernatürlich wirkende Gegner ließ einem das Blut in den Adern gefrieren und die Dynamik zwischen Sherlock, Watson (Martin Freeman) und dem Neuzugang Mary Morstan, gespielt von Martin Freemans Ehefrau Amanda Abbington, schlug Funken. Am Ende fügte sich alles zu einem einheitlichen Bild und endete – einmal mehr – mit einem Kracher.

Das Aufkommen des Kaufhauses scheint für Serienmacher eine besondere Faszination zu bergen, denn derzeit sind ganze zwei aufwendig produzierte Serien zu diesem Thema unterwegs. Da gibt es zum einen die ITV-Serie Mr. Selfridge, die sich um die illustre Figur des Amerikaners Harry Selfridge dreht, der nach London kommt, um die Welt des Konsums zu revolutionieren. Doch sie nutzt das Kaufhaus auch als symbolhaften Mikrokosmos und Abbild der britischen Gesellschaft. Da ist das wohlhabende Bürgertum, das nach Anerkennung strebt, der verarmte Adel, der nur noch Einfluss und Glamour zu bieten hat, die erstarkende Arbeiterschicht, die mehr vom Leben will. Und auch die Rolle der Frau wird durch alle Schichten als stark im Umbruch befindlich nachgezeichnet, teils anhand aussagekräftiger Details. Zum Beispiel, als in der zweiten Staffel der Erste Weltkrieg ausbricht und plötzlich auch der Lieferbereich mit seiner körperlich schweren Arbeit von weiblichem Personal bestritten werden muss. Wem Amanda Abbington in Sherlock gefallen hat, der kann sie hier in einer der Hauptrollen des Ensembles wiedersehen. Und auch alle anderen Figuren sind großartig besetzt.

Die veränderte Rolle der Frau nach dem Ersten Weltkrieg ist auch ein Thema der Saga Peaky Blinders, das in Birmingham anno 1919 spielt. „Dieses ganze verdammte Geschäft war Frauensache, während ihr im Krieg wart“, erklärt die Tante (Helen McCrory) der Hauptfigur Tommy Shelby (Cillian Murphy).

„Was hat sich verändert?“ „Wir sind zurück“, lautet seine Antwort. Und das ist nicht das Einzige, was sich verändert hat. In dieser Nachkriegsgesellschaft wurden die Rollen der Institutionen teils von verschiedenen Gangs übernommen. Es wimmelt darin von traumatisierten Männern, Armen und Vergessenen. Es ist eine Welt, in der die Zivilisation zum Teil zusammengebrochen ist und das Recht des Stärkeren regiert. Darin versucht Klanführer Tommy Shelby, seiner Familie einen besseren Stand und größere Sicherheit zu ermöglichen. Die Peaky Blinders – benannt nach Rasierklingen im Visier ihrer Schiebermützen, die sie im Kampf einsetzen – basieren auf historischen Vorbildern. Die Serie nutzt auf originell anachronistische Weise Musik von Künstlern wie Nick Cave und den White Stripes, was ihr eine sehr eigene Geschmacksrichtung verleiht. Und sie kommt ein wenig daher wie das Kontrastprogramm zu Downton Abbey, das seine vierte Staffel ablieferte. Auch hier wird die Zeit des Umbruchs nach dem Ersten Weltkrieg verhandelt, nur auf einer anderen Ebene – der des Adels. Die alte Art zu leben, mit ihrer sozialen Undurchlässigkeit und Rigorosität, gehört der Vergangenheit an. Das Anwesen Downton steht da, in all seiner Pracht, wie ein Dinosaurier und hat nicht nur finanzielle Probleme, sondern auch welche, gutes Personal zu finden. Denn eine Anstellung in einem „guten Haus“ ist bei weitem nicht mehr der große Traum aller jungen Leute aus bescheidenen Verhältnissen. Und so kommt es, dass Lady Mary nachts im Schlamm rumrennt und eigenhändig Schweine rettet. Definitiv der Höhepunkt der letzten Staffel.

Eine Serie, die meisterhaft gesellschaftliche Entwicklungen mit gut gemachter Krimispannung verbindet, ist Ripper Street. Während sich die erste Staffel noch mit den Nachbeben der Ripper-Morde und ihren verheerenden Auswirkungen auf das Vertrauen der Bevölkerung in die Polizei beschäftigt und ihre Hauptcharaktere einführt, nimmt die zweite richtig Fahrt auf. Sie erzählt die Einzelschicksale der Hauptfiguren ausführlicher und verknüpft jeden Fall mit Themen, die die damalige Zeit im Schmelztiegel London prägten. Sei es das Aufkommen von Heroin, die Ausbeutung von Arbeiterinnen, Antisemitismus oder medizinischer Perfektionswahn. Das Dreigespann aus Inspektor Edmund Reid (Matthew Mcfadyen), dem Arzt Homer Jackson (Adam Rothenberg) und dem Mann fürs Grobe, Bennet Drake (Jerome Flynn), ist wirklich sehenswert.

Doch zurück zu den Kaufhäusern. Eine Serie, die zunächst aussieht wie Mr. Selfridge in Pastell, ist The Paradise von der BBC. Auch hier geht es um einen Kaufhausbesitzer, der das beste Kaufhaus aller Zeiten betreiben möchte. Es geht einerseits um den Kampf des kleinen Händlers gegen das große schimmernde Imperium und andererseits um den Kampf des Visionärs um die Mittel zur Verwirklichung. Dabei geht es ein wenig zu wie in einem Disneyfilm, wo die Bösen nicht wirklich böse sind und sich am Ende alle lieb haben. Ein Problem? Keineswegs. Es gibt eine Liebesgeschichte in widrigen Umständen, ein junges Mädchen, das seine Träume und Ambitionen verwirklicht und einen wirklich grundanständigen Haupthelden, der halt trotzdem den Kleinhändler plattmacht, weil der Fortschritt eben nicht aufzuhalten ist. Das Ganze ist gut inszeniert und gespielt, bevölkert von sympathischen Figuren, mit denen man gern Zeit verbringt, und schön anzusehen. Und bei all den abgründigen, düsteren Antihelden, die die Serien derzeit bevölkern, ist das sehr erholsam.

Im Namen guter Unterhaltung hat die BBC sich außerdem noch eines eigentlich urfranzözischen Stoffes angenommen – der drei Musketiere. Und weicht auch gleich, bis auf ein paar Grundkonflikte, davon ab. Allerdings nicht zum Nachteil der Serie. Die heißt denn auch The Musketeers. Die „drei“ hat man sich geschenkt. Die Serie glänzt mit Action, Spannung und Intrigen und einem schmutzig glamourösen Stil. Gedreht wurde in Prag vor aufwendiger historischer Kulisse, und wer den neuen Doctor Who schon einmal in voller Pracht bewundern möchte, der kann hier Peter Capaldi als Kardinal Richelieu erleben. Eine Rolle, die ihm auf den Leib geschneidert ist. Die Adaption verändert vor allem die Figur des D’Artagnan, der von seinem überholt übertriebenen Ehrbegriff befreit wird, der ihn so oft zur Witzfigur macht. Und auch die anderen Musketiere bekommen jeweils ausgefeilte Vorgeschichten, mit denen ein Großteil der ersten Staffel bestritten wird. Fortsetzung folgt.

Gespannt sein darf man außerdem auf die neue Staffel von Doctor Who, in der der eben schon erwähnte Peter Capaldi sein Debut als Doktor geben wird. Denn Matt Smith hat im Weihnachts-Special 2013 nun endgültig abgedankt. Dabei hat Steven Moffat ihm einen Abschied geschrieben, der wirklich kein Auge trocken ließ. Und er durfte zuvor noch einmal gemeinsam mit ganzen zwei weiteren Doktoren – dem ebenfalls sehr beliebten David Tennant und dem neu eingeführten John Hurt – in der 50-Jahre-Jubiläumsfolge brillieren. Diese wurde gleichzeitig in 94 Länder der Welt ausgestrahlt und zog damit ins Guinnessbuch der Rekorde ein. Und sie war vor allem eins: zu kurz!

Über Katja Dallmann

Katja Dallmann hat ein Übersetzer-Diplom und einen Bachelor in Publizistik- und Kommunikationswissenschaft abgeschlossen. Sie ist freie Übersetzerin und Autorin, hat als Onlineredakteurin gearbeitet und verschiedentlich in Print und Online publiziert. Katja ist leidenschaftlicher Serienfan und bloggt sonst unter Serielle Schnittstelle.