Großes Serienkino

Ich saß letztes Jahr in einer Veranstaltung der Berlinale Talents, bei der es um Serienproduktionen ging. Illustre Gäste auf der Bühne und allerlei zu erfahren über das Serienmachen. Alles sehr interessant. Doch der eigentlich spektakuläre Moment kam, als ein Trailer zur zweiten und damals noch unveröffentlichten Staffel Hannibal gezeigt wurde.

Serien tauchen seit einiger Zeit immer wieder auf Kinoleinwänden auf. Letztes Jahr konnte man auf der Berlinale die ersten zwei Folgen House of Cards, Staffel 2, sehen.

Und für dieses Jahr hat das Festival offenbar auch Großes vor, was Serien angeht. Die erste Folge der neuen Doctor Who-Staffel kam in die Kinos. Und jüngst wurde angekündigt, dass die letzten zwei Folgen der vierten Staffel Game of Thrones auf IMAX-Leinwänden zu erleben sein werden, gefolgt von einem exklusiven Trailer zur neuen Runde. IMAX! Noch größer als groß. Als erste Serie überhaupt. Zwei Tage später wurde dann übrigens verkündet, dass der Aufführungstermin wegen großer Nachfrage nach hinten verschoben wurde. Damit mehr Kinos mitmachen können.

Verdeutlicht wird damit, dass Serien heutzutage eben nicht nur inhaltlich hohes Niveau bieten. Auch visuell setzen Regisseure immer wieder neue Maßstäbe. Sei es in der schon erwähnten Serie Hannibal, deren berechnend-präziser Stil Einstellungen wie grausam-opulente Stillleben daherkommen lässt oder die tristen Grautöne der epischen Panoramen in True Detective, die der Serie ihr ganz eigenes Kolorit verleihen. Oder eben Game of Thrones, dessen bildgewaltige Wucht und aufwendige Ausstattung Fantasyspektakeln im Kino in kaum etwas nachsteht. Das neue Netflix-Epos Marco Polo lässt den gesamten Hofstaat Kublai Khans mit Scharen von Statisten wieder auferstehen. Für die Serie Sherlock wurde einmal ein Bett mit Hebevorrichtung mitten in die Landschaft gestellt, nur für eine Szene – um eine ganz bestimmte Einstellung und einen ganz speziellen Effekt zu ermöglichen. Allein die Tatsache, dass Regisseure Serien ihren eigenen visuellen Stempel aufdrücken können, spricht für ein Potenzial hoher Qualität. Lang vergangen sind die Tage des Seifenopern- und Krimigeschichteneinheitsbreis. Hinzu kommt die Tatsache, dass auch Gesichter des Kinos heutzutage in Serien keine Seltenheit mehr sind. Das vereinte Charisma von Matthew McConaughey und Woody Harelson trägt sicher nicht unwesentlich dazu bei, dass True Detective auch auf einer großen Leinwand bestehen könnte. Viele der guten Serien heutzutage könnten das.

Der Vergleich mit dem Kino drängt sich unweigerlich auf, obwohl die Debatte darum, dass das Fernsehen das neue Kino sei, so langsam veraltet ist. Erstens hat gerade das Kinojahr 2014 bewiesen, zu welchen Höhenflügen Filme auch nach wie vor in der Lage sind. Und zweitens ist das ein Denkansatz, der immer noch Staunen darüber birgt, dass Serien nun gut sind. So gut, dass sie süchtig machen oder relevante gesellschaftliche und politische Debatten aufgreifen und kontrovers verhandeln. Doch nach mehr als einem Jahrzehnt nach Sopranos (1999) und The Wire (2002) – das eben in einer neuen HD-Fassung veröffentlicht wurde – sollte man sich über die hohe Qualität von Serien eigentlich nicht mehr wundern. Dennoch kann man sich des Gedankens nicht erwehren, dass die Serien nun, da sie offenbar auch noch in die Kinosäle einziehen, den Filmen doch ein wenig das Terrain streitig machen. Zumal es ja inzwischen nicht nur die vor der Kamera stehenden Hollywood-Größen ins Seriengeschäft zieht. Auch die Regisseure toben sich in diesem Genre aus. Steven Soderbergh etwa mit dem düsteren medizin-historischen Drama The Knick, Guillermo del Toro mit der Vampir-Horror-Serie The Strain und Woody Allen offenbar mit einer Serie, die er demnächst für Amazon schreiben und drehen wird. Man darf gespannt sein. Ihren cineastischen Stil bringen sie dabei natürlich alle mit.

Und nicht zuletzt ist da der Aspekt des Zusammengehörigkeitsgefühls der Fangemeinde. Das Erlebnis, die Lieblingsserie nicht einfach nur auf der großen Leinwand, sondern zudem mit vielen Menschen gemeinsam zu sehen. Da Serienvorstellungen im Kino bisher die Ausnahme sind, stellen sie jedes Mal ein Ereignis dar. Eine Möglichkeit, seine Serie zu feiern, mit Kostümen und dem stolzen zur Schau stellen der eigenen Begeisterung. Gerade die Doctor Who-Jubiläumsfolge, die 2013 von Millionen Zuschauern gleichzeitig in Kinosälen auf der ganzen Welt geguckt wurde, war dafür der beste Beweis. Von diversen Doktoren bis hin zu einer TARDIS saß dort alles im Publikum, was das Fanherz begehrte. Und ich habe so den Verdacht, dass das bei Game of Thrones nicht anders sein wird. Obwohl ich dies nicht werde verifizieren können, da für Deutschland leider keine Vorstellungen angekündigt sind.

Im Übrigen würde das Zeigen von Serien im Kino vielleicht auch mit der unnötigen Tradition Schluss machen, Filme in Serien zu verwandeln und umgekehrt. Denn ich persönlich brauche weder einen weiteren Sex and the City-Film noch eine weitere From Dusk Till Dawn-Staffel. Aber die nächste Runde Sherlock auf der großen Leinwand, das wäre was.

Über Katja Dallmann

Katja Dallmann hat ein Übersetzer-Diplom und einen Bachelor in Publizistik- und Kommunikationswissenschaft abgeschlossen. Sie ist freie Übersetzerin und Autorin, hat als Onlineredakteurin gearbeitet und verschiedentlich in Print und Online publiziert. Katja ist leidenschaftlicher Serienfan und bloggt sonst unter Serielle Schnittstelle.