Tage von Freiheit

Die Zeit scheint in den Stein geschlagen, der Daniel Holden seit neunzehn Jahren umgibt. Ein Rhythmus der täglich gleichen Routine, geschaffen aus Isolation und Regeln, hat ein neues Zeitgefühl beschert. Ein Gefühl, aus dem heraus er selbst die wichtigeren Augenblicke bestimmen lernte und das Außen vielleicht sein Innen nicht mehr zu fassen bekommen sollte. Verurteilt für ein Verbrechen, das sein18-jähriges Ich an seiner damals 16-jährigen Freundin Hanna begangen haben soll, wird der einstige Teenager erwachsen, erlebt hier in einer Zelle sein ganzes halbes Leben, abseits von unserem Verständnis von Normalität, in einem Umfeld, dass seine eigene harte Sicht auf diese Realitäten innehat. Die Flucht aus dem eigenen Kopf ebnete ihm Literatur und Meditation, die gleichermaßen helfen, die Geschehnisse rund um ihn herum in einen Rahmen zu sortieren. Doch dann kommt der Tag, jener Tag, der Freiheit im Kopf mit der Freiheit des Körpers zu einen versucht, und hier an diesem Punkt beginnt die Renaissance des Daniel Holden.

 „You better wake up.“
„Why?“
„Why?!“
„What does it matter?“
„It matters cause you got a chance to live.“

 

Mit leiser Poesie ist Rectify im Jahr 2013 im kleinen Örtchen Griffin im US-Bundesstaat Georgia eingezogen und zeigt seitdem die Dialoge zwischen den Momenten. Eine Welt aus grünen Wiesen, weißen Zäunen und sonntäglichen Barbecues findet sich leicht bis mittelschwer verstört zurück, nachdem also ein verurteilter Sexualstraftäter und Mörder dem Tod von der Pritsche springt und zurückkehrt in seinen einstigen Heimatort. Während die Patchwork-Kernfamilie – bestehend aus teils eifersüchtigen Stiefgeschwistern, religiöser Schwägerin, Löwenmutter und -schwester – gespalten über die Fragen von Schuld und Unschuld des Rehabilitierten versucht, eine neue Definition von Alltag zu erlernen und die aufkeimenden Konflikte auf konstruktiv pazifistische Art zu lösen, so steht der Lynchmob schon bereit. Der Senator und ehemals Staatsanwalt in genau diesem Verbrechen sowie einige besorgte Bürger glauben nicht an diese, durch neue DNA-Proben bewiesene, Unschuld.

Die Geschichte um den Kriminalfall und die Beweissuche für oder gegen den Protagonisten erstrecken sich über die bisherigen drei Staffeln und versorgen mit Kriminalgeschichte und einem linearen Handlungsbogen. Die wahre Erzählung jedoch zeigt sich in der Studie des Daniel Holden. Die weiche und atypische Art, in der ein zaghafter und auf eine sonderbare Art und Weise verletzlicher Charakter niedergelegt wird, um sich ganz der Sezierung durch etwaige Betrachter hinzugeben, zeigt das Besondere in dieser Serie auf. So wird eine Ebene geschaffen, auf der ein Bewusstsein geschürt wird, dass ein Mensch geworden ist, wie er ist, durch ein Leben unter steter Kontrolle und Beobachtung von außen. Mit seinem lyrisch-verqueren Innenkonzept – von Zeit und Leid geformt – bietet dieser Charakter in jedem Moment Interaktion.

Obwohl die erste Staffel in sechs Episoden die ersten sechs Tage in Freiheit von Daniel zeigt, so fühlt sich doch jede Folge wie ein Serienmonat an und der Protagonist selbst gibt zu: „Every day felt like a lifetime“. Die Begleitung von Daniels neuem Lebensabschnitt hat gerade erst begonnen und sowie wir die weiteren Staffeln erkunden, so lernen wir, was das Wort ‚normal’ bedeuten könnte.

Rectify befindet sich auf einer Suche nach dem Glauben. Welchen Weg diese Reise auf der Zielgeraden in Staffel vier einschlägt, ist in der synchronisierten Fassung ab dem 8. Dezember 2016, 22.00 Uhr, bei Sky Atlantic HD zu sehen. Auf Sky Go, Sky Ticket und Sky On Demand steht die Folge bereits eine Woche früher als Preview zum Abruf bereit.
Und wer jetzt Lust auf die Serie bekommen hat oder ein paar Episoden versäumt hat, so bleibt noch etwas Zeit zum Nachholen, bevor die finale Staffel auf Sendung geht. (Die Staffeln eins und zwei sind noch auf Box Sets als Stream verfügbar.)

FSF-Freigabe (Staffel 1)

FSF: freigegeben ab 12 Jahren | Hauptabendprogramm © FSFDie Serie greift keine speziell für Kinder und Jugendlichen interessanten Themen auf und bietet keinerlei Anknüpfungspunkte an deren Lebenswelt. Auch die langsame Erzählstruktur der Serie dürfte jüngere Zuschauer eher wenig ansprechen. Konflikte werden vor allem auf der Dialogebene entwickelt und von allen Seiten beleuchtet. Eine Identifikation mit der Hauptfigur Daniel kann aufgrund der Geschichte ausgeschlossen werden. Einige verwirrende Darstellungen von Sexualität und Schilderungen von sexueller Gewalt können jüngere Zuschauer verstören und ängstigen. Ab 12-Jährigen wird aber zugetraut, diese Szenen zu verkraften und einzuordnen. Die dargestellte Gewalt (Vergewaltigung, Mord, Suizid) ist größtenteils zurückhaltend inszeniert und kann von der Altersgruppe adäquat verarbeitet werden. Einzelne, unvermittelte Gewaltspitzen können auch ältere Kinder ängstigen und müssen für die Platzierung im Hauptabendprogramm entfernt werden.

Zur dieser und weiteren ProgrammInfos auf der FSF-Website geht es hier.

Bitte beachten Sie: Bei den Altersfreigaben handelt es sich nicht um pädagogische Empfehlungen, sondern um die Angabe der Altersstufe, für die ein Programm nach Einschätzung der Prüferinnen und Prüfer keine entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungsrisiken mehr bedeutet.

Mehr Informationen zur Programmprüfung erhalten Sie auf unserer Website. Dort veröffentlichen wir jede Woche neue ProgrammInfos zum aktuellen Fernsehpramm. Auch diese Auswahl stellt keine Empfehlung dar, sondern zeigt einen Querschnitt der Programme, die den Prüfausschüssen der FSF von den Mitgliedssendern vorgelegt werden.

Über Tabea Dunemann

Tabea studierte Theaterwissenschaft und Ethnologie an der Universität Leipzig. Dank wohlgesonnener Professoren konnte sie außerdem viele andere Disziplinen erkunden und war u.a. lange Zeit für das Studierendenradio mephisto 97.6 tätig. In ihrer Freizeit textet Tabea Dunemann gern für den fsf blog und war auch als Redakteurin für die tv diskurs tätig.