Tanz noch einmal für uns, Johnny! Das glücklich-tragische Leben des Patrick Swayze

„Hast du schon Dirty Dancing gesehen? Den musst du sehen! Patrick Swayze ist sooo süß!“

Mich befiel eine gewisse Skepsis, stammten diese Worte ‒ gesprochen 1987 ‒ doch von meiner Cousine Lena, die kurz zuvor aus der DDR eingewandert war. Aus jenem Land, das ich damals für das wohl tristeste überhaupt hielt ‒ gab es dort doch angeblich weder Schokolade noch amerikanische Spielfilme. Und dann stand diese lebensfrohe, wohlgenährte Zehnjährige vor mir, die Schokolade sehr wohl nicht nur vom Hörensagen kannte und mir Erzeugnisse des „Klassenfeindes“ empfahl. Ich war verwirrt. Als dann der Abspann zum allerersten Mal lief, hatte sich meine Skepsis zunächst in Dankbarkeit, dann in eine lange währende Faszination verwandelt ‒ die Inkubationszeit war wohl kürzer als bei einer Grippe. Fortan übten wir stundenlang und dennoch nur mäßig erfolgreich Tanzschritte.

Dabei hatte mich das Patrick-Swayze-Virus unbemerkt schon einige Monate vorher erwischt. Anfang 1987 löste die deutsche Erstausstrahlung von Fackeln im Sturm die gefühlt 37. Wiederholung von Bonanza in der Gunst Dutzender Zuschauer ab. Patrick Swayze wurde für uns zum ersten interessanten Mann ‒ naja, seit Ken und He-Man. Wir wollten wissen ‒ wer ist dieser Typ, der fast zeitgleich Tausende Yankees bekämpfen und perfekt den Mambo tanzen konnte?

Eigentlich war die Schauspielerei nur eine Notlösung. Als Patrick Wayne Swayze am 18. August 1952 im texanischen Houston geboren wurde, schien sein Weg klar vorgezeichnet: Tänzer werden, um später die mütterliche Tanzschule zu übernehmen. Dort lernte er schon zu Beginn der 1970er-Jahre seine spätere Ehefrau Lisa Niemi kennen. Und tatsächlich deutete zunächst alles darauf hin: Nach dem Besuch der Waltrip High School und zwei Jahren am San Jacinto College zog Patrick nach New York City, um eine Ausbildung zum Balletttänzer zu absolvieren. Ein Umstand, der es vielen Jungs in meiner Klasse später unmöglich machte, ihn „cool“ zu finden. Er tanzte leidenschaftlich gerne und es lässt sich nur vermuten, wie schwer es ihn traf, als eine Knieverletzung im Jugendalter seine Tanzkarriere abrupt beendete. Vielleicht begann schon da ein bisschen die Dramatik seines Lebens, das mit nur 57 Jahren in einem Albtraum enden sollte. Patricks Mutter arbeitete nebenbei erfolgreich als Choreografin einiger Hollywood-Produktionen. Der Sprung nach Hollywood schien also nur logisch. Oder könnten Sie sich den Mann etwa als Buchhalter oder Versicherungsangestellten vorstellen?

Sein Kinodebüt gab Swayze 1979 mit einer kleinen Rolle in Skatetown, U.S.A.im Fernsehen trat er das erste Mal in der Serie M.A.S.H. auf. Es folgten einige kleinere Rollen ‒ vor allem als Darrel in The Outsiders ‒, bis Patrick als Orry Main die Südstaaten-Uniform überstreifte, um im Amerikanischen Bürgerkrieg seine vermeintlichen Rechte als Plantagen- und Sklavenbesitzer zu verteidigen. Blöd nur, dass sein bester Freund George Hazard auf der Seite der Feinde kämpfte. Die Besetzungsliste liest sich wie das „Who is who“ vergangener und zukünftiger Hollywoodstars: James Read, Olivia de Havilland, Jean Simmons, Parker Stevenson (ja, vor Baywatch hat er auch seriöse Serien gedreht …), Lesley-Anne Down, David Carradine. Die Liste ließe sich nahezu beliebig verlängern. Selbst Johnny Cash tauchte in einigen Episoden auf. Und die meisten waren als (temporäre) Mitglieder der Familien Main oder Hazard zumindest zeitweilig irgendwie miteinander verwandt – ein bisschen wie in Dallas.

Und dann kam Dirty Dancing. Zwar ist Orry Main etwa seit der Mitte der ersten Staffel durch eine Kriegsverletzung auf einen Gehstock angewiesen, doch erinnerte sich Produzentin Linda Gottlieb 1987 wohl an Swayzes Vergangenheit als Tänzer, als sie ihn für den Low-Budget-Film engagierte. Er sollte sämtliche Rekorde brechen und katapultierte Swayze und seine ungeliebte Filmpartnerin Jennifer Grey (Ferris Buellers fiese Schwester) direkt auf den Olymp Hollywoods. Die Story ist schnell erzählt: Schüchterne 17-Jährige trifft im Cluburlaub mit der Familie einen Tanzlehrer und verliebt sich in ihn. Nicht gerade tiefgründig, aber mal ehrlich: Haben wir damals nicht alle auf unseren Tanzlehrer gewartet? Patrick Swayze jedenfalls konnte sich seine Rollen von da an quasi aussuchen. Ob seine Wahl immer glücklich war, sei dahingestellt: etwa als Türsteher in Road House (1989), als Cowboy Pecos Bill in Tall Tale: The Unbelievable Adventures of Pecos Bill oder als (von vielen Kritikern übrigens gefeierte) Dragqueen in To Wong Foo, Thanks for Everything! Julie Newmar (1995).

An den großen Erfolg von Dirty Dancing anknüpfen konnte er aber nur noch mit einer Produktion: Ghost ‒ Nachricht von Sam skizziert sehr anrührend und ein bisschen kitschig, wie ein getöteter Banker als Geist Kontakt mit seiner Witwe aufnimmt, um seinen Mörder zu überführen. Natürlich mit ganz viel Lovestory und ein paar Intrigen.

Privat lief es für Patrick Swayze nicht ganz so gut: Zwar hielt die Ehe mit Lisa bis zu seinem Tod und er war spätestens seit seinem Durchbruch bestens mit Rollen versorgt, doch stürzte ihn der Tod des Vaters 1982 in eine tiefe Krise, die ihn letztlich vermutlich das Leben kostete. Alkoholabstürze gehörten seither nahezu regelmäßig zu seinem Alltag. Dazu rauchte er über Jahrzehnte mehrere Päckchen Zigaretten täglich ‒ wohl eine der Ursachen für Bauchspeicheldrüsenkrebs. Die Diagnose erhielt er im Januar 2008. Der Nachtclubbesitzer Velvet Larry in Powder Blue sollte seine letzte Rolle bleiben. Patrick Swayze verlor den Kampf gegen den Krebs am 14. September 2009 in Los Angeles. Und die Welt einen äußerst talentierten, vielseitigen Schauspieler, der nur allzu oft auf seine (zugegebenermaßen erfolgreichsten) Rollen als nicht mehr ganz jugendlicher Lover reduziert wird. Naja, ein bisschen mache ich das zum Schluss jetzt auch: Tanz noch einmal den Mambo für uns, Johnny!

Über Cornelia Klein

Dr. Cornelia Klein studierte Diplom-Pädagogik mit dem Schwerpunkt Medienpädagogik und promovierte über die mediale Vorbildkompetenz. Sie arbeitet als Lektorin und Redakteurin bei einem pädagogischen Fachverlag.