Und was schauen Sie, Herr Mikos?

Lothar SimpsonAcht Fragen an Lothar Mikos, Professor für Fernsehwissenschaft an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ Potsdam-Babelsberg und geschäftsführender Direktor des Erich-Pommer-Instituts für Medienrecht, Medienwirtschaft und Medienforschung.

Sie haben beruflich tagtäglich mit Fernsehen zu tun – wie oft schalten Sie da noch privat Ihren Fernseher an?

Ich kann privates und berufliches Fernsehen kaum trennen. Private Pflichtprogramme sind die Fußball-Bundesliga und die Champions League auf Sky, manchmal auch Formel 1 auf RTL oder Tennis auf Eurosport. Ansonsten versuche ich, mir einen Überblick über das Programm zu schaffen, und zappe ziemlich viel. Dann bleibe ich schon mal bei Musikdokumentationen auf Arte hängen oder bei sensationellen Shows wie Germany’s Next Topmodel bei ProSieben oder Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! bei RTL.

Wann und in welchen Situationen schalten Sie den Fernseher an und was schauen Sie regelmäßig?

Die Zeiten, als ich noch im Büro die ganze Zeit fünf bis sechs Fernsehprogramme parallel verfolgt habe, sind vorbei. Ich schalte den Fernseher grundsätzlich zum Frühstück ein, um mich beim ARD-Teletext auf den neuesten Nachrichtenstand zu bringen. Ich könnte es nicht ertragen, morgens ins Büro zu gehen und nicht zu wissen, was gerade in der Welt los ist. Am späten Abend muss der Teletext mir wieder die neuesten Sportergebnisse liefern. Ansonsten schaue ich regelmäßig nur Sport: Fußball, Formel 1, Basketball, Tennis und die Bergetappen der Tour de France.

Wird der „On-Knopf“ gedrückt, weil Sie ein bestimmtes Programm sehen wollen oder zappen Sie sich durch die Kanäle, bis Sie etwas Passendes finden? Und wann betätigen Sie den „Off-Schalter“?

Das kommt drauf an. Bundesliga und Champions League werden gezielt eingeschaltet. Ansonsten hängt es von der Situation ab. Wenn ich Sonntagabend zu Hause bin, dann ist zum Beispiel der Tatort Pflicht. Danach setze ich mich an den Schreibtisch, um die kommende Woche vorzubereiten – es sei denn, dass irgendwo noch ein skandinavischer Krimi läuft. Der „Off-Schalter“ wird betätigt, wenn ich Musik hören will oder wenn mir einfällt, dass der Fernseher noch immer ohne Ton läuft, während ich am Schreibtisch sitze und Mails beantworte oder Fragebögen wie diesen ausfülle.

Wie verbringen Sie Ihre Zeit vor dem Fernseher? Sind Sie ein aufmerksamer Zuschauer oder erledigen Sie beim Fernsehen Dinge nebenbei?

Wenn ich den Ton zum Bild anhabe, schaue ich auch hin, z.B. bei Germany’s Next Topmodel und beim Fußball sowieso. Das hält mich aber nicht davon ab, trotzdem nebenbei zu lesen. Wenn der Ton aus ist, mache ich alles Mögliche nebenbei: arbeiten, aufräumen, die Steuererklärung, Musik hören, Bücher und Zeitschriften lesen, essen, trinken und – ja, auch schlafen.

Sind Sie durch Ihre Arbeit auf bestimmte Programme aufmerksam geworden, die Sie nun auch in Ihrer Freizeit interessieren – und die Sie sich gar auf DVD besorgen?

Naja, bei mir sind Arbeit und Privates beim Fernsehen kaum zu trennen. Beruflich habe ich eine Formatdatenbank angelegt, so dass ich jedes neue Format, das im deutschen Fernsehen lief, in mindestens einer Folge auf DVD (bzw. zu Beginn noch auf VHS) habe – das meiste davon schaue ich mir irgendwann an. Ansonsten lege ich mir einige Comedy-Formate wie Kurt Krömer und Loriot ebenso auf DVD zu wie zahlreiche Serien. Auf Lilyhammer bin ich z.B. durch die Arbeit aufmerksam geworden, weil die norwegische Produzentin bei uns am Erich-Pommer-Institut (www.epi-medieninstitut.de) in einem Seminar war. Sonst sind es eher Empfehlungen von Freunden und mein eigener Antrieb, immer auf dem Laufenden zu sein, zumindest was Serien und Shows betrifft. Leider habe ich dann doch nicht die Zeit, alle Serien auf DVD zu gucken.

Gibt es Formate oder Programme die sich Ihrer Meinung nach im Fernsehprogramm zu wenig oder gar nicht wiederfinden? Wie kompensieren Sie diese „Lücken“?

Da vermisse ich eigentlich nichts – außer mehr Sport und vielleicht einen Popsender, der alles zeigt, was die in den Sechziger- und Siebzigerjahren Aufgewachsenen lieben, von Comics über Film und Musik bis hin zu Serien. Mir geht es eher so, dass im deutschen Fernsehen zu viele Sachen gezeigt werden, die ich nicht sehen will und die ich für vollkommen überflüssig halte – diese ganzen Mittelschicht-Dramen, wo z.B. eine frustrierte Ärztin nach Afrika fliegt, sich dort verliebt und viele eingeborene Kinder rettet, um dann doch daheim in Deutschland das Erbe des Vaters anzutreten. Oder wo eine Städterin wieder aufs Dorf oder in die Kleinstadt kommt, weil sie das Haus/Geschäft ihrer Eltern, die verstorben sind, übernehmen muss, und dann – man fasst es kaum – doch tatsächlich einer Jugendliebe begegnet, die zur Läuterung beiträgt. Oder – um das Fass zum Überlaufen zu bringen – eine Patchwork-Familie patchworkt so vor sich hin, um dann mit viel work noch mehr zu patchen. Ein Graus!!! Aber ich bin auch nicht die Zielgruppe, weil: erstens keine Frau, zweitens noch keine sechzig, drittens leider auch einigermaßen gebildet – und das ist natürlich ganz schlecht, so als Zielgruppe. Zwar heißt es immer „Bildung schadet nicht“, aber im Fall der Autoren und Redakteure dieser Machwerke hat sie offenbar auch nicht geholfen. Außerdem bin ich auch nicht die Zielgruppe von Formaten wie Berlin Tag & Nacht oder Köln 50667, die ja ganz wesentlich zu einer „Verprollisierung“ des Fernsehens beitragen – das muss auch nicht sein. 

Bei welchem Format, welchem Film hatten Sie das letzte Mal das Gefühl wirklich gut unterhalten zu werden? Was war Ihr letztes gutes Fernseherlebnis?

Gut unterhalten habe ich mich bei Germany’s Next Topmodel, beim Dschungelcamp, bei The Voice of Germany, bei Mord mit Aussicht, bei Dittsche, bei der Kurt Krömer Show, bei Inas Nacht, beim Hauptstadtrevier, bei Huber und Staller, bei Das perfekte Model, bei vielen amerikanischen Serien. Das letzte gute Fernseherlebnis waren die Champions-League-Spiele von Borussia Dortmund gegen Real Madrid und die letzten Minuten des Spiels gegen FC Malaga.

Wann schalten Sie den Fernseher ab?

Jetzt!

Das Interview führte Luise Weigelt.

Über FSF

Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) ist ein gemeinnütziger Verein privater Fernsehanbieter in Deutschland. Ziel der FSF ist es, einerseits durch eine Programmbegutachtung den Jugendschutzbelangen im Fernsehen gerecht zu werden und andererseits durch Publikationen, Veranstaltungen und medienpädagogische Aktivitäten den bewussteren Umgang mit dem Medium Fernsehen zu fördern. Seit April 1994 lassen die Vereinsmitglieder ihre Programme bei der FSF prüfen, seit August 2003 arbeitet die FSF als anerkannte Selbstkontrolle im Rahmen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV).