Carl Ludwigs heiße Träume – Wird die Bundesprüfstelle zur Versandstelle für Sexfilmsammler?

© Artem Furman - Fotolia.com
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In einem auf den ersten Blick kuriosen Rechtsstreit hat das Verwaltungsgericht Köln die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) verpflichtet, einem privaten Sammler zur Komplettierung seiner Kollektion einen längst vergriffenen erotischen Unterhaltungsfilm zu liefern. Bei näherem Hinsehen könnte diese Entscheidung weitreichende Konsequenzen für die Verbreitung indizierter pädophiler, antisemitischer oder anderer jugendgefährdender Medien nach sich ziehen. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung ist inzwischen eine Berufungszulassung gegen dieses Urteil beantragt worden.

Gegenstand des Verfahrens war ein Film mit dem Titel Carl Ludwigs heiße Träume, den die Prüfstelle in den 1980-er Jahren als jugendgefährdend auf den Index gesetzt hatte. Da dem Sammler dieser zweite Teil einer Carl-Ludwig-Reihe fehlte, verlangte er von der Bonner Behörde die Aushändigung eines Exemplars. Er berief sich dabei – ein Novum in diesem Kontext – auf das seit 2006 geltende Informationsfreiheitsgesetz (kurz: IFG, offiziell „Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes“). Das Gesetz beginnt mit dem Satz: „Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen (§ 1 Abs. 1 Informationsfreiheitsgesetz IFG).“
Die Bundesprüfstelle bewertete den Antrag des Erotik-Archivars als „rechtsmissbräuchlich“; das IFG verpflichte nicht zur Herausgabe von sexuell orientierten Unterhaltungsmedien zur Befriedigung privater Sammlerneigungen.

Das Verwaltungsgericht Köln folgte den Argumenten der Behörde nicht. So entschied es im September 2014 zugunsten des hartnäckigen Sammlers, er könne von der BPjM eine analoge Kopie des indizierten Films verlangen. Denn die Kammer bewertet das Video als „amtliche Information“. Denn dem Gesetzwortlaut nach § 2 Abs. 1 IFG gehört dazu jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung. „Obwohl es sich um ein Unterhaltungsmedium handelt, dient das Filmexemplar der BPjM daher nicht zur Unterhaltung, sondern zu amtlichen Zwecken“, begründet das Verwaltungsgericht sein Urteil, das nicht nur juristische Laien überrascht. Bei der Liste von Träger- und Telemedien, die geeignet sind, die Entwicklung junger Menschen oder ihre Erziehung zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten zu gefährden, entscheidet die Prüfstelle nicht nur über Neuaufnahmen, sondern auch über Streichungen – zum Beispiel, wenn sich Werte nachhaltig gewandelt haben oder die Medienforschung neue Erkenntnisse gewinnt. Automatisch erfolgt eine solche Löschung nach 25 Jahren. Sollte ein Medium nach wie vor jugendgefährdend sein, muss erneut entschieden werden. Für solche Bewertungsentscheidungen bildet der Film die Grundlage, „dient also damit amtlichen Zwecken“.

Dem Anspruch des Sammlers stehen nach Ansicht der Kammer auch keine urheberrechtlichen Bedenken entgegen: Zwar stelle die Überlassung der gewünschten Kopie eine grundsätzlich eine lizenzpflichtige Vervielfältigung dar, jedoch greife hier eine Ausnahmeregelung des Urheberrechtes. Dem Sammler sei es zum eigenen Gebrauch erlaubt, einzelne Vervielfältigungsstücke herstellen zu lassen, wenn es sich wie im Fall Carl Ludwig um ein seit mindestens zwei Jahren vergriffenes Werk handelt und eine ausschließlich analoge Nutzung stattfindet (vgl. § 53 Abs. 2 S.1 Nr. 4b UrhG).

Auch das Argument der Bundesprüfstelle, das Bekanntwerden dieser Information könne die öffentliche Sicherheit gefährden (vgl. § 3 Nr. 2 IFG) greift nach Ansicht der Kammer nicht durch. Zwar zähle auch der Jugendschutz zu den von § 3 Nr. 2 IFG geschützten Belangen der öffentlichen Sicherheit. Doch würden Belange des Jugendschutzes durch die Abgabe eines indizierten Films an einen Erwachsenen nicht berührt. So würde ein Film, der für Erwachsene legal im freien Handel erhältlich war, nicht deshalb zu einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, weil er den Beschränkungen des § 15 Abs. 1 JuschG unterliege und nicht an Jugendliche abgegeben werden darf. Dies wäre mit der gesetzlichen Wertung des JuSchG nicht vereinbar, wonach der Vertrieb jugendgefährdender Filme im Übrigen grundsätzlich zulässig sei.

Der Medienrechtler Prof. Dr. Marc Liesching, der die BPjM in diesem Verfahren vertrat, befürchtet nun einen Dammbruch und beantragte daher eine Berufungszulassung gegen das Urteil. Liesching warnt: „Sollten indizierte Pornos, pädophil-orientierte Posendarstellungen Minderjähriger, antisemitische und NS-glorifizierende Medien vergriffen sein, böte sich für Interessierte nach dem Urteil also stets der Rückgriff auf die ‚Kopieranstalt‘ der Bundesprüfstelle an.“

VG Köln, Urteil vom 22.09.2014 – 13 K 4674/13
Quelle: https://openjur.de/u/741862.html

Über Anke Soergel

Studierte Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln. Im Rahmen ihres Referendariats arbeitete sie u.a. bei der Verwertungsgesellschaft VG Bild-Kunst sowie bei der Produktionsfirma Zieglerfilm Köln GmbH. Als Volljuristin nahm sie 2008 ihre Tätigkeit als Referentin für Jugendschutzrecht bei der FSF auf. Sie betreut u.a. den Rechtsreport in der tv diskurs.