Ein Jahr lang den Kinderfilm feiern! 2017 in Festivals

In der Berichterstattung über Filmfestivals spielt der Kinderfilm meist nur eine Nebenrolle – im gedruckten Feuilleton kommt er bei den „Großen“ von Berlin bis Cannes praktisch überhaupt nicht vor. Dabei reiht sich für das Kino für Menschen von vier bis vierzehn (oder, je nach Zählweise, bis achtzehn) eine glitzernde Perlenschnur von Festivals durchs Land, auf denen zum Teil bemerkenswerte Entdeckungen möglich sind – nach Altersgruppen sortiert, aber deswegen nicht weichgespült.

Die Auswahl an Kinderfilmfestivals, die ich jetzt kurz vorstellen möchte, ist allerdings subjektiv (da will ich hin!) und definitiv unvollständig – die wichtigsten in Deutschland und der Welt sind dabei, außerdem kleine Abstecher zum Dokumentar- und zum Kurzfilm. Also: meine ganz persönliche Wunschreise durch das Abenteuer Kinderfilm, wie ich sie in diesem Jahr gerne machen würde.

Ein Jahr lang den Kinderfilm feiern; Fotolia #41396992 © Karramba Production
Ein Jahr lang den Kinderfilm feiern; Fotolia #41396992 © Karramba Production

Kleine Festivals zeigen auch tolle Filme

Aber es gibt genug Festivals, deren Rolle oder Ruf vielleicht nur geringfügig kleiner ist als die der hier aufgelisteten. Nicht wenige davon haben auch nicht den Anspruch, echte Neuheiten aus aller Welt zu entdecken, sondern sind im besten Sinne des Wortes Publikumsfestivals: Sie wollen eine Woche lang interessante Filme versammeln und vorstellen, die es sonst kaum oder gar nicht zu sehen gäbe. Mit anderen Worten: Sie zeigen in Bonn, Stuttgart, Schwäbisch Gmünd oder bei den Kinderfilmtagen Ruhrgebiet, was sonst nicht oder nur kurz im Kino auftaucht, in festlichem Rahmen auf großer Leinwand, für die, auf die es ankommt. Kinder.

Eine Reise durchs Festivaljahr

Meine Tour durch den Kinderfilm beginnt 2017, wie eigentlich in jedem Jahr, beim Platzhirsch. Die Filme der Berlinale Generation (10.–19. Februar) sind zum Großteil Welt- und Europapremieren – für die wichtigsten Vorstellungen bilden sich lange Schlangen im Haus der Kulturen der Welt, Berlins „schwangerer Auster“. Man muss für Berlin regen- und windfest sowie hinreichend warm gekleidet sein – auf Wärme von der Leinwand kann man nicht immer vertrauen. Berlin hat einen Ruf zu verlieren: In vielen Filmen vor allem für Jugendliche geht es ernst und politisch zu.

Im April ist es in Toronto dann noch nicht unbedingt wärmer, wenn das TIFF Kids startet (7.–23. April). Es ist mit 30.000 Besuchern im vergangenen Jahr eines der größten Kinderfilmfestivals der Welt, mit dem erklärten Ziel, das Kino als Ort von Bildung und kultureller Verständigung für Kinder zu nutzen. Kanada ist aber leider auch ziemlich weit weg.

Es wird Sommer

Es gibt dann etwas Zeit zum Durchatmen, bis ab Juni die Sommerfestivals dicht auf dicht folgen. Es geht noch gemütlich los mit dem sehr heimelig benamsten Mo&Friese KinderKurzFilmFestival in Hamburg (4.–11. Juni). Das Mo&Friese gibt es seit 1999, es gibt natürlich auch eine Kinderjury und das Ganze ist allein schon deshalb so wunderbar, weil Kurzfilme viel zu wenig Aufmerksamkeit und Würdigung bekommen, obwohl sie doch gerade für Kinder ein perfektes Medium sind.

Das Deutsche Kinder-Medien-Festival Goldener Spatz, das sich gleich an zwei Orten, in Gera und Erfurt präsentiert (11.–17. Juni), blickt auf eine lange Geschichte zurück: Ab 1979 war der Spatz das nationale Festival für Kinderfilme in der DDR. Seit 1993 gibt es die Stiftung gleichen Namens, die den Anspruch hochhält: Hier gibt es Spiel- und Dokumentarfilme, Kurzfilme, Serien und Fernsehproduktionen aus Deutschland zu sehen – ein klarer Fokus, der zuweilen Juwelen ans Licht bringt, die anderswo im internationalen Rahmen keinen Platz finden.

Zum Kinderfilmfest München habe ich selbst es leider noch nie geschafft. Aber alle Besucher sind sich einig: die Sektion des „großen“ Filmfests ist nicht nur wegen der Atmosphäre und des Publikums einen Besuch wert (22. Juni–1. Juli). Dafür sorgen allein schon die Filme: Das Programm ist exzellent kuratiert und birgt oft bezaubernde Filme, von denen man sich dann das ganze Jahr über, meist vergeblich, noch wünscht, sie würden einen deutschen Verleih fürs Kino finden.

Zwei Wochen später verwandelt sich dann ein italienisches Dorf (12.000 Einwohner) für eine Woche in das Mekka des Kinderfilms, wenn Giffoni viele Tausende zum größten Festival seiner Art empfängt, das angeblich François Truffaut als das notwendigste Filmfestival der Welt bezeichnet haben soll. Natürlich muss man die italienische Sommerhitze vertragen (14.–22. Juli), aber dafür gibt es ja klimatisierte Kinosäle … Festivalslogan dieses Jahr: „Into the magic“.

Das Herbstprogramm

Gut aus den Schulferien zurück? Dann wird es Zeit für das Filmfestival Schlingel, das alljährlich zum Herbstanfang (25. September–1. Oktober) Chemnitz in Bewegung setzt. Unterteilt in Altersgruppen zeigt das Schlingel deutsche und vor allem viele, viele internationale Produktionen – insgesamt 181 Filme waren es im vergangenen Jahr. Darunter sind immer eine ganze Menge bemerkenswerter Entdeckungen; neben Berlin und München ist Chemnitz einer der wichtigsten Schürfgruben für Schatzsucher/-innen.

Manche der dort funkelnden Goldnuggets sind dann auch auf dem LUCAS-Filmfestival in Frankfurt a.M. (1.–7. Oktober) und dem Hamburger Michel Kinder- und Jugendfilmfest (6.–14. Oktober) zu sehen. Die beiden Festivals kooperieren und haben deshalb in großen Zügen überlappende Programme, setzen aber immer noch eigene Schwerpunkte. In Hamburg etwa ist es im Grunde schon Tradition, dass neue Folgen der TV-Serie Die Pfefferkörner vorgestellt und dann befeiert werden … Wie ich überhaupt aus eigener Anschauung sagen kann, dass es hier, am Rande des „erwachsenen“ Filmfests Hamburg, sehr regional, freundlich und entspannt zugeht.

Im Oktober könnte man dann noch zum  kleinen, aber feinen Cinekid-Festival in Amsterdam reisen und von da aus weiter in die USA, wo mit dem Chicago International Children’s Film Festival (27. Oktober–5. November) das wohl größte amerikanische Kinderfilmfestival stattfindet. Mit seinen sechs Spielorten in der ganzen Stadt verteilt wirkt es aber schon wieder ein wenig einschüchternd.

Da geht es in Deutschland zum Ende des Festivaljahres dann schon wieder etwas ruhiger zu. In Duisburg startet (6.–12. November) das doxs!, das über Fachkreise hinaus leider weitgehend unbekannte, aber älteste und wichtigste Festival für Dokumentarfilme für Kinder und Jugendliche. Hier werden nicht nur zahlreiche Preise verliehen, hier wird vor allem eine völlig unterschätzte Form gepriesen, von der es nur die wenigsten Exemplare jemals in reguläre Kinos schaffen.

Und dann geht es den November hindurch gelassen in die Vorweihnachtszeit: In Berlin lässt das KUKI – Internationales Kurzfilm-Festival (12.–19. November) es für eine Woche richtig krachen.
Ähnlich wie auf dem Mo&Friese sind hier halblange bis kürzeste Filme zu sehen, von brüllend komisch bis welterschütternd. Dem Programm merkt man – und das ist positiv gemeint – den Willen dazu an, Kinderfilm nicht nur als Unterhaltung zu verstehen, sondern auch dezidiert als politische und ästhetische Herausforderung. Zwischen dem Auftakt- und Abschlusswochenende wird das anspruchsvolle Programm vor allem in Kita- und Schulvorstellungen gezeigt.

Etwa gleichzeitig präsentiert auf der anderen Seite der Republik das Cinepänz den Kölner Kindern mit einem kleinen Programm, was sie das Jahr über noch nicht haben sehen können … und streut vielleicht noch ein oder zwei neue Funde mit ein. Danach kann man sich entspannt in die Vorweihnachtszeit fallen lassen und in Winterstarre verfallen – bis die Berlinale wieder ruft.

Über Rochus Wolff

Rochus Wolff ist Kulturjournalist, Autor und Filmkritiker. Er lebt mit seiner Familie in Fulda und schreibt zum Thema Kinderfilm seit Anfang 2013 einen eigenen Blog unter kinderfilmblog.de.

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