Kurze für Kurze? Das KUKI-Festival bringt großartige Kurzfilme für Kinder

Der Kurzfilm, das ist ein jederzeit angebrachtes Lamento, hat zu wenig Platz in unserer Welt. Das ist umso bizarrer, als er ja eigentlich, per definitionem, weniger Zeit beansprucht als seine längeren Geschwister, die sich aber dennoch flächendeckend in Kino und Fernsehen breitgemacht haben. Und doppelt bedauerlich ist das vor allem deshalb, weil sich die maximal 30 Minuten langen Streifen eigentlich perfekt dafür eignen, die Filmkunst in Augen und Herzen von Kindern zu verankern.

Das klingt Ihnen vielleicht ein wenig übertrieben oder pathetisch, aber man muss den Mangel ja mal klar benennen. Und umso mehr das KUKI preisen, das Internationale Kurzfilmfestival für Kinder und Jugendliche, das am kommenden Wochenende zum zehnten Mal in Berlin beginnt. Die kleine Schwester des zeitgleich laufenden Internationalen Kurzfilmfestivals Berlin (interfilm) präsentiert nämlich ein – soweit sich das vorab beurteilen ließ – sensationell gutes Kurzfilmprogramm für alle Altersstufen ab vier Jahren.

Der Qualitäts-Superlativ gehört da nicht hin, weil das KUKI alle allerbesten kindertauglichen Kurzfilme zeigt, die man so zeigen könnte, sondern weil das Programm auch 2017 die Vielfalt dessen abbildet, wozu Kurzfilme sich eignen. Es zeigt eine witzige, aber alles andere als weiche Milieustudie aus Elfenbeinküste (Debout Kinshasa! von Sébastien Maitre) genauso wie großen Schwachsinn in drei Minuten (Le bruit du gris von Vincent Patar und Stéphane Aubier). Land without Evil aus Ungarn und Argentinien ist eine Meditation über Leben, Metamorphosen und Musik, der polnische Zehnminüter Traf hingegen eine eher grimmige Betrachtung über Lüge, Wahrheit und Strafe, die ihren Zuschauern keine elegante Auflösung bietet.

Es gibt Filme in nachgerade traditioneller Animation, die wie La Licorne von Rémi Durin eine märchenhafte Geschichte erzählen oder ein ganz einfaches Thema kindgerecht aufbereiten (Un peu perdu von Helene Ducrocq).

Szenenfoto La Licorne (The Unicorn), Rémi Durin, Belgien, Frankreich, 2016
Szenenfoto La Licorne (The Unicorn), Rémi Durin, Belgien, Frankreich, 2016

Und schließlich gibt es so herausragende Kleinode wie Karsten Dahlems PRINCESS über den elfjährigen Ole, der sich nichts mehr wünscht, als sich wieder gemeinsam mit seiner Mutter zu schminken, ein Kleid anzuziehen und zu singen und zu tanzen – stattdessen quält er mit seiner Gang andere Kinder.

Das Programm des KUKI beweist immer wieder, dass man in kurzer Zeit auch komplexe Geschichten erzählen kann – oder Handlung soweit reduzieren, dass auch wenige Minuten für eine elegante, kleine Animation zur aktuellen Jahreszeit reichen können.

Das Team um die künstlerische Leiterin Monica Koshka-Stein hat die Filme so nach Altersgruppen sortiert (ab vier, sechs, acht und zehn Jahren sowie für Jugendliche unterschiedlicher Altersstufen), das jedes Segment schon für sich die Vielfalt des Kurzfilms widerspiegelt – auch geographisch reist man da häufiger vielleicht in Europa los, landet aber am Ende zum Beispiel in Südkorea.

Die Wettbewerbsprogramme mit fiktionalen Filmen werden außerdem durch ein Segment mit dokumentarischen Kurzfilmen ergänzt (zum Beispiel mit Gabriel verslaat het WK über einen brasilianischen Jungen, der die Auswirkungen der Fußball-WM in seinem unmittelbaren sozialen Umfeld filmt) sowie durch Sprachprogramme in Englisch, Französisch und Spanisch, die sich gezielt an Jugendliche ab 14 Jahren richten. Belehrend ist dort aber nichts.

Wie überhaupt das ganze Festival, das zeigt die Erfahrung der letzten Jahre vor Ort, sehr entspannt daherkommt. Auch wenn der ästhetische wie politische Anspruch an die Filme klar erkennbar ist, und auch wenn der damit einhergehende pädagogische Impetus klar ist: Hier führen der Wille zu Filmbildung und zu politischer Komplexität in keinem Moment dazu, dass es langweilig wird. Ganz im Gegenteil: Die kurze Form ermöglicht es entspannt, schwereren Sujets mit technisch brillantem Jux aufzureihen wie unterschiedlich strahlende Perlen.

Die visuelle Vielfalt, die hier Realfilme und unterschiedlichste Animationstechniken präsentieren, ist schon ein klares Bekenntnis gegen die oft in Film und Fernsehen herrschende ästhetische Langeweile; und zugleich wirkt sie als freundliche Erinnerung daran, dass der Kurzfilm vielleicht das Format ist, in und an dem sich nicht nur junge Filmemacherinnen und Filmemacher versuchen und austoben können.

Viele gute Gründe also, dem Kurzfilm wieder mehr Platz einzuräumen.

Das 10. Internationale Kurzfilmfestival für Kinder und Jugendliche Berlin (KUKI) beginnt am 19. November 2017 um 14 Uhr mit einer Eröffnungsfeier und läuft bis zum 26. November. Die meisten Vorstellungen finden im Filmtheater am Friedrichshain statt. Alle Infos finden sich auf der Festival-Website.

 

Über Rochus Wolff

Rochus Wolff ist Kulturjournalist, Autor und Filmkritiker. Er lebt mit seiner Familie in Fulda und schreibt zum Thema Kinderfilm seit Anfang 2013 einen eigenen Blog unter kinderfilmblog.de.