Kinder bei Facebook?

In der Presse kursieren derzeit einige aufgeregte Meldungen, selbst sechsjährige Kinder würden sich jetzt schon bei Facebook tummeln, auch wenn das doch noch gar nicht erlaubt sei (die Welt mit der Schlagzeile vom 16.4.2013: Facebook schon bei Sechsjährigen beliebteste Seite). Ausgangspunkt war eine Pressemeldung zur KIM-Studie*, die mit der Headline aufmacht, Facebook sei die wichtigste Website bei Kindern.

Hintergrund ist eine repräsentative Befragung von Sechs- bis 13-Jährigen, die sich zu ihrem Medienverhalten äußern sollen. Die Befragung fand im Juni / Juli 2012 statt.

Ein Ergebnis der Befragung besagt, dass derzeit 62% aller Kinder im Alter von 6-13 Jahre das Internet nutzen, obwohl nahezu jeder Haushalt über einen PC mit Internetanschluss verfügt. Gerade die jüngeren Kinder sind noch zurückhaltend, was das Surfen im Netz anbelangt bzw. werden von ihren Eltern reglementiert.
Zur Frage, welche die Lieblingswebsite sei, äußern sich im Rahmen der KIM-Studie nur 40% aller Kinder. Einige haben eben noch nicht viel Erfahrung im Netz oder können keine spezielle Lieblingsseite nennen. Bezogen auf alle Kinder sagen dann wiederum „nur“ 7%, dass Facebook ihre Lieblingswebsite sei, darunter ist kein sechsjähriges Kind. Die Nennung von Facebook mag auch damit zusammenhängen, dass die Community als Marke eine hohe Präsenz hat und von Kindern in einer Befragungssituation schnell abgerufen werden kann. Ähnlich wie viele Kinder die Simpsons als Lieblingssendung nennen, sie aber nie einen Platz in den TV-Hitlisten bei Kindern erreicht.
Insgesamt ist gut ein Viertel der Kinder bei einer Community angemeldet; zum Zeitraum der Befragung spielte auch das Portal Schüler VZ noch eine Rolle, welches ja Ende April geschlossen wurde. Es bleibt abzuwarten, wo sich die ehemaligen Nutzer dieser Community nun wiederfinden. Das Thema Communities ist aber definitiv erst eines für ältere Kinder, vorzugsweise, wenn der Wechsel auf die weiterführende Schule vollzogen wird und man so den Kontakt zu den jetzt weiter entfernt wohnenden Mitschülern halten kann.
Weiterhin gilt, dass Fernsehen immer noch das wichtigste Medium für Kinder im Alter 6 bis13 Jahre ist. 79% sehen jeden oder fast jeden Tag fern; 57% sagen, sie könnten auf das Fernsehen am wenigsten verzichten. Das hat sich im Vergleich zu 2010 nicht verändert. Für Kinder hat Fernsehen immer noch eine entlastende Funktion und sie nutzen es auch, um mit Eltern oder Geschwistern zusammen zu sein.
Weitere Erkenntnisse aus der KIM-Studie: Der Handy-Besitz bei Kindern stagniert; 52% haben ein Handy – 7% sind Smartphones, der Rest normale Mobiltelefone. Das bedeutet auch, dass die wenigsten Kinder in der Lage sind, mit einem Smartphone mobiles Internet zu nutzen. Wenn überhaupt, so nutzen sie W-LAN-Punkte, um ins Netz zu gehen. Aber der Mobilfunk-Vertrag (meist eine Prepaidkarte) lässt nicht zu, dass sie mobil Daten abrufen.
Das bedeutet für uns Erwachsene: Auch wenn wir Kindern immer gerne alles Mögliche zuschreiben und vor allem glauben wollen, dass sie die neuen Technologien teilweise besser beherrschen als wir, so bleiben Kinder immer noch Kinder. Sie nutzen nur das, was ihnen direkte Vorteile verspricht und / oder nichts kostet. Also – Vorsicht beim Blick auf die Zahlen!

 

*Die Studienreihe KIM wird vom  Medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest (mpfs) seit 1999 regelmäßig durchgeführt. Die repräsentative Studie bildet das Medienverhalten der Sechs- bis 13-Jährigen in Deutschland ab. Für die KIM-Studie 2012 wurden rund 1.200 Kinder und deren Haupterzieher im Frühsommer 2012 zu ihrem Mediennutzungsverhalten befragt.
Die vollständige KIM-Studie 2012 gibt es hier zum Download.

Über Birgit Guth

Birgit Guth ist seit 1995 Leiterin der Medienforschung bei SUPER RTL. In ihrer Verantwortung liegen die Konzeption und Durchführung zahlreicher Studien zum Kinderfreizeit-Verhalten sowie zur Fernseh- und Mediennutzung von Kindern. Außerdem verantwortet sie viele Fachtagungen zum Thema „Kinder und Medien“ und referiert bei Fortbildungen oder als Lehrbeauftragte. Von 2001 bis 2008 war sie zusätzlich als Jugendschutzbeauftragte bei SUPER RTL tätig und leitete das Qualitätsmanagement des Senders. Guth hat Kommunikationswissenschaften, Germanistik und Marketing in Essen studiert. Sie engagiert sich zudem in verschiedenen medienpädagogischen Projekten wie dem Erfurter Netcode, Ein Netz für Kinder, Media Smart und ist Mitglied im JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. Außerdem ist sie Mitglied im Kuratorium der FSF. In ihrem Blog Kurzundguth schreibt sie über Daten und Kommentare zu Kindern, Medien, Fernsehen, Medienpädagogik und Jugendschutzthemen.