Eine Studienreihe über Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland.
Mit dem Forschungs- und Beteiligungsprojekt Junge Deutsche will der Kemptener Simon Schnetzer das Leben und Erwachsenwerden von jungen Menschen nicht nur dokumentieren, sondern auch verbessern. Aktuell laufen die Planungen für die Veröffentlichung der über 5000 Meinungen von 14- bis 34-Jährigen in Deutschland, die am 3. Dezember auf der Konferenz „Moderner Staat 2014“ unter dem Titel Junge Deutsche 2015 veröffentlicht werden. Barbara Weinert sprach mit ihm für den FSF-Blog darüber, wie das Projekt entstanden ist.
Mit Junge Deutsche 2011 haben Sie Ihre erste Jugendstudie veröffentlicht? Welche Motivation und welches Ziel standen dahinter?
Ganz einfach gesagt: Ich wollte etwas bewegen. Als Angestellter in der Entwicklungszusammenarbeit bei der UNO habe ich die enttäuschende Erfahrung gemacht, politisch nicht viel verändern zu können. Ich bin dann mit einer Dokumentarfilmerin gereist. Wir haben auf dieser Reise viele junge Menschen getroffen und deren Geschichten kennengelernt, so dass ich irgendwann auf die Idee gekommen bin, durch Deutschland zu fahren und noch mehr junge Leute zu befragen, um wirklich belastbare Aussagen darüber zu bekommen, in welchen Lebensrealitäten sie heute aufwachsen, mit welchen Problemen und Ängsten sie zu kämpfen haben, was sie umtreibt. Da ich anfangs keine Förderung hatte, habe ich auf eigene Faust das Projekt Junge Deutsche konzipiert, mich auf’s Fahrrad gesetzt und bin zwei Monate lang couchsurfend durch Deutschland geradelt, um in die Lebenswelt junger Menschen einzutauchen.
Wie viele Leute haben Sie für diese erste Studie befragt?
Ich habe 200 Interviews geführt und insgesamt haben an der Studie 2010/2011 über 800 Leute teilgenommen. Die Befragten waren alle zwischen 14 und 34 Jahre alt, eine bewusst recht groß gewählte Spanne, um die verschiedenen Phasen des Erwachsenwerdens dabeizuhaben.
Gab es dabei ein sehr überraschendes Befragungsergebnis für Sie?
Tatsächlich hatte ich ein persönliches Aha-Erlebnis: Sehr viele der Befragten hatten in den Bögen angegeben, dass sie mit ihrer momentanen Lebenssituation nicht zufrieden seien. Also habe ich mich gefragt, warum sie nichts dagegen tun und habe darauf die ganz ehrliche Antwort bekommen: „Aber eigentlich passt es doch gut genug.“ Und wenn ich diejenigen dann damit konfrontiert habe, dass sie auf dem Fragebogen aber etwas anderes angekreuzt haben, habe ich als sinngemäße Antwort bekommen: „Lieber feiere ich den Untergang, als dass ich jetzt schon griesgrämig werde, obwohl ich noch Spaß haben könnte.“ Ohne Frage geht es einigen Leuten nicht besonders gut, gerade die prekären Beschäftigungsverhältnisse sind ein wirklich großes Thema für junge Menschen. Gleichzeitig scheint es für viele noch den Staat oder die Eltern zu geben, mit deren Hilfe es dann doch irgendwie geht. Aus meiner Sicht gäbe es Grund genug, dass viel mehr Junge sich für Veränderungen einsetzen.
Welche Rolle spielt dabei das Gefühl, „sowieso“ nichts ändern zu können?
Das spielt da ganz klar mit rein und wird auch von vielen mit angeführt. Aber viele, die das sagen, haben noch gar nicht versucht, etwas zu ändern. Somit ist es eigentlich eine Ausrede, denn viele der Menschen, die sich insbesondere im Kleineren engagieren, werden überzeugte „Engagementtäter“.
… die merken, dass sie etwas bewegen können oder irgendwann frustriert aufgeben?
Ich glaube, man muss dabei zwei Themen betrachten. Zum einen werden wir in den Medien täglich mit Ereignissen wie Klimawandel, Ebola oder Handelsabkommen zwischen Europa und den USA konfrontiert. Hier kann der Einzelne tatsächlich nicht viel bewegen. Im Lokalen sieht das anders aus. In diese Richtung habe ich auch das Projekt selber weiterentwickelt, nachdem ich begriffen habe, dass junge Menschen sehr schnell aufgeben, wenn man sie mit abstrakten Problemen konfrontiert und sich ein Ohnmachtsgefühl breitmacht. Wir müssen Politik greifbar machen und in ihre Lebenswelt verankern. So habe ich in der zweiten Erhebungswelle von Junge Deutsche junge Menschen vor Ort in Workshops dazu qualifiziert, selber loszuziehen und zu fragen, wie könnte meine Stadt oder meine Gemeinde aus der Sicht junger Leute besser werden? Unglaublich, welch großes Feedback es darauf gab und wie viel wir tatsächlich bewegen können.
Weitere Informationen, auch zu anderen Projekten von Simon Schnetzer, finden Sie auf der Website: http://datajockey.eu/.