YouTube, WhatsApp, Instagram – JIM-Studie 2017

Das Internet gehört zum Alltag – Jugendliche sind Always On. Und sie nutzen das Netz pragmatisch, egoistisch und autonom. Das sind zentrale Befunde der JIM-Studie 2017, die Anfang Dezember veröffentlicht wurde.

1.200 Jugendliche im Alter 12 bis 19 Jahren wurden im Sommer 2017 telefonisch zu ihrer Mediennutzung befragt. Damit setzt sich die Studienreihe des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest (mpfs) fort, der seit 1998 regelmäßig junge Zielgruppen zu ihrem Freizeitverhalten befragen lässt.

Fast jeder Jugendliche besitzt heute ein Smartphone

Eines der zentralen Ergebnisse: Alle Jugendlichen besitzen ein Smartphone (genau genommen sind es 97%) – bei den 12- bis 13-Jährigen sind es immerhin schon 92%. Die technische Ausstattung wird durch das Elternhaus unterstützt; in allen Haushalten (99%) gibt es ein Smartphone und einen Internetzugang (98%). Und weitere Digitalplattformen finden Einzug. So gibt es in den Haushalten, in denen Jugendliche aufwachsen, erstmals mehr Abos von Streaming-Dienstleistern wie Netflix, Amazon Prime etc. (54%) als von Tageszeitungen (48%).

Die Jugendlichen nutzen diese Möglichkeiten immer ausgeprägter: Ihre Onlinenutzung nimmt deutlich zu und liegt (als Selbsteinschätzung) nun bei 221 Minuten für einen durchschnittlichen Werktag; 21 Minuten mehr als noch in 2016. 89% der 12- bis 19-Jährigen sind täglich online – ein neuer Höchststand. Und er zieht sich durch alle Altersgruppen; auch die Jüngeren (12-13 Jahre) sind zu 78% täglich im Netz.

© oneinchpunch - fotolia.com
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Die wichtigsten Nutzungskategorien für die Internetnutzung sind Kommunikation, Unterhaltung und Spiele

Die Nutzung von Unterhaltungsangeboten im Netz steigt zunehmend. Maßgeblich dafür ist das Anschauen von (Musik-) Videos im Netz. Größter Anbieter und wichtigste Plattform ist YouTube, welche von Kindern und Jugendlichen auch als Suchmaschine verwendet wird. Schließlich ist es viel praktischer, wenn man als Suchergebnis einen Film bekommt als einen langen Wikipedia-Text.

88% der Befragten nutzen YouTube mindestens mehrmals pro Woche, 63% täglich. Auch die 12- bis 13-Jährigen nutzen die Plattform zu 60% täglich, obwohl die Altersfreigabe bei 13 Jahren liegt. Somit ist YouTube fest verankert im Alltag, besonders auch deshalb, weil die Vielfalt kaum zu überbieten ist. Das wichtigste Genre bei YouTube für die Heranwachsenden sind Musikvideos. Im weiteren Ranking gibt es deutliche Unterschiede nach Geschlecht. Die Jungs bevorzugen Let’s-Play-Videos, lustige Clips und Comedy-Formate von YouTubern. Bei den Mädchen spielen neben den lustigen Clips (z.B. Katzenvideos) auch Beauty-Videos und Tutorials eine Rolle. Ähnlich wie auch in der Fernsehnutzung unterscheiden sich Jungs und Mädchen hier sehr deutlich in der Rezeption. In der Fernsehforschung kann man das durch die GfK-Messung sehr genau abbilden und auf einzelne Sendungen runtergebrochen auswerten. Leider gibt es solche Daten nicht zur YouTube-Nutzung, so dass man auf Befragungsdaten zurückgreifen muss, die in keiner Weise in die Tiefe gehen können. Was die Befragten unter „lustigen Clips“ verstehen, ist sicher unklar. Aus qualitativen Studien weiß man, dass es hier auch um grenzwertige Mutproben gehen kann.

YouTube wird von den Jugendlichen hauptsächlich mit dem eigenen Smartphone genutzt – und überwiegend zu Hause, wo man durch WLAN nicht auf das Datenvolumen des Handys zurückgreifen muss. Außerdem bietet das Smartphone den geschützten und intimen Bereich; nicht jeder Jugendliche möchte preisgeben, welche Inhalte er gerade konsumiert. Hinzu kommt, dass der Laptop- bzw. PC-Besitz in der Zielgruppe deutlich nach unten geht; nur noch 69% der Befragten besitzen einen Computer; 2013 waren es noch 80%.

Welche Internetangebote sind für Jugendliche noch relevant?

Weitere wichtige Internetangebote sind WhatsApp, Instagram und Snapchat; wichtige Dienste, die der Kommunikation und Selbstinszenierung dienen und auf denen man sich hauptsächlich mit Leuten austauscht, die man persönlich kennt. Facebook hingegen verliert weiter an Relevanz und wird nur noch von den älteren Jugendlichen genutzt. Die Schattenseite der sozialen Netzwerke wird ebenfalls wahrgenommen; jeder fünfte Jugendliche gibt zu, dass über ihn bzw. sie schon beleidigende oder falsche Inhalte verbreitet wurden.

Digitale Angebote vs. klassische Mediennutzung

Trotz der Dominanz der digitalen Angebote nutzen Heranwachsene auch noch normales, lineares Fernsehen. 75% von ihnen schauen mindestens mehrmals pro Woche fern; 38% nutzen Streamingdienste. Und 40% lesen nach wie vor regelmäßig ein Buch – ein Wert, der sich in den letzten Jahren nicht verändert hat.

Was lässt sich abschließend aus der JIM-Studie 2017 ableiten?

Die Mediennutzung dieser jungen Zielgruppe ist starken Veränderungen unterworfen und folgt permanent neuen Trends und Plattformen. Die Jugendlichen gehen unvoreingenommen und vielleicht auch etwas sorglos mit dem Angebot um. Sie denken nicht an Urheberrecht oder problematische Inhalte, wenn sie YouTube nutzen. Und sie reflektieren vielleicht auch zu selten ihr Handeln in sozialen Netzwerken. Für sie steht der persönliche Nutzen im Vordergrund. Und dieser ist zweifelsohne vorhanden.

Damit Gesellschaft und Wissenschaft auf guten Grundlagen über Fragen der Mediennutzung Heranwachsender reflektieren können, ist die JIM-Studie eine wichtige Quelle. Sie liefert repräsentative Daten zu einem Feld, das zunehmend schwerer zu beforschen ist. In diesem Sinne wäre es sehr wünschenswert, wenn die Ergebnisse in einem Tabellenband mit allen Unterzielgruppen zur Verfügung ständen. Das mühsame Zusammensuchen der Daten im Fließtext ist überflüssig und erlaubt zu wenig Vergleiche mit dem Vorjahr oder Analysen der Teilzielgruppen.

Der Berichtsband in pdf-Form liegt hier ab: https://www.mpfs.de/studien/jim-studie/2017/

Über Birgit Guth

Birgit Guth ist seit 1995 Leiterin der Medienforschung bei SUPER RTL. In ihrer Verantwortung liegen die Konzeption und Durchführung zahlreicher Studien zum Kinderfreizeit-Verhalten sowie zur Fernseh- und Mediennutzung von Kindern. Außerdem verantwortet sie viele Fachtagungen zum Thema „Kinder und Medien“ und referiert bei Fortbildungen oder als Lehrbeauftragte. Von 2001 bis 2008 war sie zusätzlich als Jugendschutzbeauftragte bei SUPER RTL tätig und leitete das Qualitätsmanagement des Senders. Guth hat Kommunikationswissenschaften, Germanistik und Marketing in Essen studiert. Sie engagiert sich zudem in verschiedenen medienpädagogischen Projekten wie dem Erfurter Netcode, Ein Netz für Kinder, Media Smart und ist Mitglied im JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. Außerdem ist sie Mitglied im Kuratorium der FSF. In ihrem Blog Kurzundguth schreibt sie über Daten und Kommentare zu Kindern, Medien, Fernsehen, Medienpädagogik und Jugendschutzthemen.