Barbie und Ken im Land der Vampire

Man sollte meinen, dem Vampirgenre geht so langsam mal die Luft aus. Aber die alten Freunde der Nacht sind bekanntermaßen schwer totzukriegen. Und so tauchen immer wieder neue Varianten dieser uralten Geschichte auf. In manchen Fällen sind sie eine willkommene, weil originelle Spielart, wie der letzte Film von Jim Jarmusch. In Only Lovers Left Alive findet dieser eine wunderbare Antwort auf die Frage, wie man die Ewigkeit verbringen kann. Auch die wirklich mäßig gelungene TV-Version von From Dusk Till Dawn beinhaltet die schon aus dem Film bekannten Blutsauger. Immerhin in einer seltenen Ausprägung, basierend auf Maja-Mythen und Kriechtieren.. Das nicht enden wollende Drama von The Vampire Diaries hat unlängst durchaus unterhaltsamen Nachwuchs bekommen, in Form von The Originals. Und so mancher Filmemacher begibt sich zurück zu den Ursprüngen des Mythos. Das verspricht zumindest die Kurzbeschreibung von Dracula Untold, mit der sich so illustre Namen wie Dominic Cooper und Luke Evans verbinden.

Eine Rückkehr zu den Wurzeln der anderen Art stellt das hier dar: Van Helsing befreit Dracula, weil er ihn für eine persönliche Vendetta braucht. Dracula versucht als amerikanischer Geschäftsmann durchzugehen, der Lampen leuchten lassen kann. Renfield ist ein stattlicher Schwarzer mit sagenhafter Wirtschaftsexpertise, der als Draculas persönlicher Sekretär fungiert. Mina ist eine angehende Ärztin, die nicht von ihrem Verlobten ernst genommen wird. Besagter Verlobter Jonathan Harker wird wiederum der PR-Heini von Dracula. Um Captain Jack Sparrow zu zitieren: „Alles klar soweit?“

Die Beteiligten dieses Szenarios kommen einem irgendwie bekannt vor. Es handelt sich dabei um die Besetzung der Vampir-Urgeschichte von Bram Stoker, wie sie Francis Ford Coppola 1992 verfilmt hat. Das oben umrissene Set-up jedoch entstammt der neuen NBC-Serie Dracula.

In den Hauptrollen: Jonathan Rhys Meyers, Thomas Kretschmann und noch ein paar Briten, die man schon mal im TV gesehen haben könnte. So wird etwa Minas Busenfreundin Lucy von Katie McGrath gespielt – dem einen oder anderen als Morgana aus Merlin bekannt.

Ich wünschte wirklich, die obige Beschreibung würde einen augenzwinkernden Umgang mit dem Genre signalisieren – so wie bei den Piraten der Karibik. Doch leider ist das ernst gemeint. Bierernst. Die Serie bemüht sich so sehr um epische Schwere und vielsagende Tiefe, dass sie sich an dem einen verhebt und in dem anderen kläglich untergeht. Und ich muss sagen, dass ich es persönlich wirklich anmaßend finde, dass sie sich trotzdem in der Tradition der Bram-Stoker-Vorgänger sieht. In der ersten Folge gibt es sogar ein wörtliches Zitat aus der Coppola-Verfilmung. Doch obwohl Jonathan Rhys Meyers hübsch anzusehen ist, kommt er nicht mal in die Nähe der abgründigen Ambivalenz und strahlenden Versuchung, die Gary Oldman darstellte. Rhys Meyers tut hier wieder das, was er schon in den Tudors getan hat: Charisma spielen, anstatt es zu haben.

Die Figuren scheinen allesamt durch eine Art anachronistische Mangel gedreht worden zu sein: Minas Pseudofeminismus, Van Helsings Fähigkeiten als Wissenschaftler, die seiner Zeit weit voraus sind, Draculas kabellose Wunderelektrizität. So ist es nicht verwunderlich, dass auch das viktorianische London, in dem die Serie spielt, kaum wiederzuerkennen ist. Es wirkt so blankpoliert und unecht, dass man das Gefühl hat, die Handlung findet im Schaufenster eines Luxuskaufhauses statt. Darin agiert ein Haufen Puppen in unglaublich farbgesättigten und ausstaffierten Kostümen, die mit der Zeit ebenfalls kaum etwas zutun haben. Und ungefähr so authentisch sind auch die schauspielerischen Leistungen. Mina und Harker kommen einem vor wie Barbie und Ken auf Abwegen. Miss Murray gibt, trotz feministischer Veranlagung, ständig die zu rettende Jungfer und schaut mit großen Kulleraugen auf jeden Mann in ihrem Leben. Rhys Meyers starrt ständig leidend in die Ferne, Renfield blickt ständig nachdenklich auf seinen Meister, und Harker ist in der Regel wegen irgendwas erbost. Was ihm, zugegeben, recht gut zu Gesicht steht.

Auch versucht die Serie, ausgesprochen verrucht daherzukommen. Wenn der Vampir tötet, dann spritzt das Blut tassenweise nur so in der Gegend herum. Es gibt eine Vampirjägerin, die auch nicht gerade zimperlich ist, Geheimbünde, denen man sich bis in den Tod anschließt und lauter skrupellose Intriganten, die jemandem Böses wollen. Auch landen jede Menge Leute miteinander in der Kiste. Dort wird es dann aber plötzlich unglaublich keusch, denn alle haben beim Sex immer die Klamotten an. Und das hat nichts mit subtiler Erotik zu tun, wie sie die Coppola-Version oder sogar Nosferatu an den Tag (oder besser die Nacht) legten. Bei Dracula konnte sich jemand nicht entscheiden, ob er was für die ganze Familie oder gepflegte Erwachsenenunterhaltung machen wollte. Und diese alberne Doppelmoral verstärkt nur den Eindruck von gewollt und nicht gekonnt. Die Geschichte hat dementsprechend mit dem Stokerschen Original nur noch wenig zu tun und ist angereichert mit Action und Verfolgungsjagden und amourösen Verstrickungen und natürlich jeder Menge Intrigen. Leider kommt sie so seelenlos daher wie ihr Protagonist.

Wer jedoch an der Ästhetik der Show gefallen findet und sich gern Jonathan Rhys Meyers ansieht, wie er bedeutungsschwanger vor sich hinblickt und sich immer mal seiner Oberteile entledigt, der ist bei Dracula gut aufgehoben. Für kurzweilige Unterhaltung ist allemal gesorgt. Allen anderen empfehle ich die Klassiker und Jim Jarmusch.

Über Katja Dallmann

Katja Dallmann hat ein Übersetzer-Diplom und einen Bachelor in Publizistik- und Kommunikationswissenschaft abgeschlossen. Sie ist freie Übersetzerin und Autorin, hat als Onlineredakteurin gearbeitet und verschiedentlich in Print und Online publiziert. Katja ist leidenschaftlicher Serienfan und bloggt sonst unter Serielle Schnittstelle.