Vom „golden Age“ zu „New Hollywood

Wie ist Hollywood zu dem geworden, was heute jährlich Myriaden von Plastik-Oscars hervorbringt? Zu einer selbst ernannten Jury über Glück und Unglück? So viel ist schon mal klar: Die Geschichte Hollywoods zu erzählen, bedeutet immer beides: zum einen, die des rasch wachsenden, schillernden Stadtteils von Los Angeles und die der symbolhaften Traumfabrik. Und der erste Teil eben jener Geschichte Hollywoods erschien bereits gestern unter dem Titel Mythos Hollywood ‒ ein (nicht ganz vollständiges) Geschichts-Potpourri Tinseltowns. Heute nun die Fortsetzung.

Das Ende des klassischen Hollywood in Technicolor

 

Bis ins Jahr 1932 wurde ein Film zumeist in unterschiedlichen Sprachen gedreht ‒ selbst, wenn die Schauspieler kein Wort von dem, was sie da in Lautschrift ablasen, verstanden. Ähnlich klangen dann auch die Dialoge. Deshalb ging man dazu über, Filme zu synchronisieren.

1934 läutete der erste abendfüllende Farbfilm in Technicolor, Becky Sharp, eine neue Ära ein. (Kurze Farbfilme gibt es tatsächlich schon seit 1902.) Den Durchbruch schaffte der Farbfilm erst 1937 und mit einer Zeichentrickproduktion. Schneewittchen und die sieben Zwerge prägt bis heute unser Bild der Prinzessin mit den blutroten Lippen, der schneeweißen Haut und den ebenholzfarbenen Haaren (das selbst Ottos 7-Zwerge-Filme überdauerte). Als 1939 Rhett Butler und Scarlett O´Hara mit Gone with the Wind Hollywoodgeschichte schrieben, war der Farbfilm längst nicht mehr aufzuhalten.

Selbst die Kriegsjahre konnten dem Durchbruch der Technicolortechnik nichts anhaben ‒ wirklich viele Innovationen fallen allerdings nicht in diese Zeit. Die meisten Filme sollten von der Kriegstristesse ablenken oder Amerika (nicht zum ersten Mal) als Retter der Welt inszenieren. Verwunderlich, dass der in unterschiedlichsten Medien als bester Film aller Zeiten gelistete Citizen Kane von Orson Welles gerade in dieser Zeit entstand (1941). Weniger verwunderlich, dass Citizen Kane dem spleenigen Medienmogul William Randolph Hearst nachempfunden ist, der in seinem Schloß (!) in San Simeon regelmäßig Hollywoodprominenz empfing. Bette Davis gründete indes die „Hollywood Canteen“, in der Soldaten ‒ natürlich für einen Unkostenbeitrag ‒ Kabarettauftritte besuchen oder mit den Stars tanzen konnten.

Die Nachkriegsjahre stellten Hollywood vor bis dato unbekannte Herausforderungen: die Revolution der Jugend. Nur so lässt sich erklären, dass Marlon Brando mit solch einer Frisur durchkam. Scheinbar zum ersten Mal in der Geschichte Hollywoods wählte sich das Publikum konsequent seine Helden selbst. Hollywood reagierte, indem es Dutzende Teeniestars hervorbrachte ‒ allen voran der unvergessliche James Dean, Marlon Brando und irgendwie auch Elvis (der vielleicht doch besser nur Musik gemacht hätte). Umbrüche waren ohnehin nötig, denn das sich rasch verbreitende Fernsehen schickte sich an, das Kino vom Thron zu stoßen. Hollywood reagierte mit einer Fülle an Neuerungen, die das Publikum anziehen sollten ‒ etwa die ersten, zaghaften 3-D-Versuche, aber allen voran die Einführung des Breitbandverfahrens (das uns anschließend Unmengen von Monumentalfilmen bescherte) in Cinemascope, VistaVision oder Cinerama. Eine handfeste Filmkrise ließ sich dennoch nicht verhindern. Die Folge war das Verbot des Blocksystems, das bis dahin Kinobetreibern vorschrieb, Filme im eher willkürlich zusammengestellten Block buchen zu müssen. Auch durften die „Majors“ keine eigenen Kinoketten mehr betreiben.

Derweil versuchte das physische Hollywood mit einer Modernisierung zu punkten. Mit der Eröffnung des Hollywood Boulevards erhielt es 1950 sein inoffizielles Zentrum; 1958 folgte der Walk of Fame, der bis heute mehr als 2.600 Sterne hervorbrachte. Da hatte sich Hollywood gerade von der „Hexenjagd“ des Senators von Massachussetts, Joseph McCarthy, gelöst, der unzählige Filmschaffende als Kommunisten denunzierte und sie auf schwarzen Listen mit einem Berufsverbot belegte.

Trotzdem erholte sich das Filmbusiness an der Westküste nur langsam, und so fand das klassische Hollywoodkkino 1967 mit der Abschaffung des Hays Code ein jähes, wenn auch nicht unerwartetes Ende. Zwischen 1930 und 1934 hatte dieser Production Code als freiwillige Selbstkontrolle agiert; anschließend mussten alle neuen Filme von der zugehörigen Behörde begutachtet und freigegeben werden. Seit 1967 gilt ein freiwilliges Bewertungssystem. Dies kam vor allem unabhängigen Regisseuren zugute, die bis spät in die 1970er-Jahre vor allem gesellschaftskritische Filme mit ambivalenten Protagonisten (etwa ein sehr junger Dustin Hoffman in Die Reifeprüfung oder der ewige Easy Rider Dennis Hopper) und gerne ohne Happy End drehten. Ungefähr in diese Zeit fiel auch der Aufstieg der Agenten, die von nun an die Gagen für die Künstler verhandelten und sie in exorbitante Höhen trieben.

Spielberg, Lucas & Co.: Blockbuster

1975 läutete ein gefräßiger Hai eine neue Phase ein. Heute findet man den Weißen Hai eher im Vorabendprogramm der privaten Sender, aber in den 70er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts war der Film ein echter Shocker. Und gleichzeitig einer der ersten Blockbuster, der Steven Spielberg direkt in Hollywoods Ahnengalerie katapultierte. Dort wartete seit 1968 schon Stanley Kubrick, ebenfalls Regisseur und Produzent, der mit 2001 ‒ A Space Odysee den ersten echten Science-Fiction-Film gedreht hatte (dieses Genre wurde in den späten 1970ern von George Lucas‘ Star Wars-Trilogie und zahlreichen neuen Effekten perfektioniert). Dass sich die Geschichte anders entwickeln würde, musste auch Robert Zemeckis lernen, der uns in Zurück in die Zukunft I ‒ III bereits 2015 über die Autobahn fliegen sah (sollte dies bis zum nächsten Jahr doch noch gelingen, entschuldige ich mich schon mal für die Fehleinschätzung). Die Traumfabrik avancierte zu einem Sammelbecken für Normalo-Helden ‒ eigentlich ganz einfache Typen, die zufällig in ein Abenteuer stolperten, das sie am Ende irgendwie meisterten ‒ nicht selten in einer Trilogie. So flogen wir 1977 mit Han Solo in die Vergangenheit, mit Marty McFly eben in die Zukunft oder trieben uns mit Indiana Jones und Rambo in diversen Dschungeln und Wüsten dieser Welt herum. Manchmal bekamen wir auch einfach nur eins von Rocky auf die Mütze. Irgendwo unterwegs muss sich Hollywood auch mit dem Fernsehen versöhnt haben ‒ bedeutete es doch nicht nur Konkurrenz, sondern gleichzeitig auch lukrative Einnahmequellen durch Zweitverwertungslizenzen.

Von den Straßen Tinseltowns verschwanden endgültig die Zeichen des „Golden Age“. Zwar hatte Hugh Hefner 1978 sein Geld vorübergehend statt in Playboy-Bunnies in die Restaurierung des Hollywood-Schriftzuges gesteckt (übrigens mit prominenter Unterstützung, etwa von Alice Cooper), doch wurde das physische Hollywood zunehmend zu einem Ort, den man nach Einbruch der Dunkelheit lieber mied.

Filme aus dem Computer: Hollywood rüstet um

Die 1990er-Jahre spalteten Hollywood in zwei Lager wie seit dem „Golden Age“ nicht mehr: Zum einen erlebten Blockbuster ihren vorläufigen Höhepunkt: Kaum einer, der nicht mit Kate Winslet um (den damals noch recht ansehnlichen) Leonardo DiCaprio trauerte, als die RMS Titanic mit ihm zusammen in die ewigen Jagdgründe überging. Dort wären wir beinahe alle gelandet, hätte Bruce Willis nicht in letzter Sekunde das Armageddon stoppen können. Auch im Jurassic Park fühlten wir uns nicht wirklich wohl. Gemeinsam hatten diese Blockbuster die immensen Produktionskosten, die im Wesentlichen verursacht wurden durch unzählige neue und computeranimierte Spezialeffekte (z.B. DTS Sound, Digital Photo Trickery oder Digital Video). Anders die ‒ kommerziell selten erfolgreichen, aber dennoch oft zu Kultstatus gelangten ‒ Independentfilme. Quentin Tarantino (Pulp Fiction) und Co. perfektionierten das „Unperfekte“.

Ein weiterer Meilenstein in der Geschichte der Filmmetropole war sicherlich 1995 Toy Story, der erste vollständig computeranimierte Kinolangfilm.

Auch im neuen Millennium kommen Visual Effects (VFX) aus dem Computer ‒ zunehmend gepaart mit dem Fantasygenre. So lassen sich auch Filme umsetzen, die lange Zeit als „unverfilmbar“ galten ‒ allen voran Der Herr der Ringe und die Harry Potter-Saga (z.B. Digital Doubles, Motion Capture Data).

Die Geschichte Hollywoods stärker zu komprimieren, als Robert Zemeckis Forrest Gump durch die amerikanische Zeitgeschichte laufen lässt, bedeutet immer auch, auf vieles zu verzichten; Lücken zu lassen. Doch das ist in Ordnung, denn was heute in der Traumfabrik aktuell ist, kann morgen ohnehin schon wieder völlig out sein. Vor dem Film ist nach dem Film.

Ich glaube, der Plastik-Oscar bleibt noch eine Weile im Regal stehen …

Über Cornelia Klein

Dr. Cornelia Klein studierte Diplom-Pädagogik mit dem Schwerpunkt Medienpädagogik und promovierte über die mediale Vorbildkompetenz. Sie arbeitet als Lektorin und Redakteurin bei einem pädagogischen Fachverlag.