„Die Zeit ist ein Fluss ohne Ufer“ (Chagall)

Wir kennen uns jetzt 19 Jahre, die FSF und ich. Eine Beziehung mit unterschiedlichen Höhen, aber ohne dramatische Tiefen, obwohl wir uns beide verändert haben im Laufe der Zeit – wie es sich gehört für alles, was lebt.

1995 war für mich ein Jahr des persönlichen Umbruchs. Meine berufliche Familie, das Jugendfilmstudio Berlin, wurde „abgewickelt“ – wie so vieles in der Hauptstadt, die von der Wende nachhaltig erschüttert wurde. Ich hatte Unterschlupf in einem Forschungsprojekt an der TU Berlin gefunden und konzentrierte mich auf meine freiberufliche Arbeit als Autorin für das Kinderradio.

An einem schönen Sommerabend traf ich im Café am Neuen See zufällig auf Hajo, Joachim von Gottberg, den Geschäftsführer der FSF. Er hatte dort eine Besprechung mit einem Freund von mir, die etwas länger dauerte als geplant. Ich setzte mich dazu.
Kurz darauf kam die Kellnerin und schüttete Hajo ein Glas Rotwein über sein helles Outfit.

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© photl.com

Sie blieb die einzige, die das schlimm fand – er blieb ganz gelassen. Als er mir später am Abend erzählte, dass die FSF noch Bedarf an Prüferinnen mit medienpädagogischem Background habe – damals war ich im Bundesvorstand der Gesellschaft für Medienpädagogik (GMK) –, sagte ich sofort zu. Der Weinunfall hatte mich davon überzeugt, dass man mit Hajo gut auskommen konnte. So war es dann auch, und so blieb es.

Ganz am Anfang meiner Arbeit für die FSF standen drei Tage Hospitation, die auch heute noch üblich sind für potenzielle Prüferinnen und Prüfer. Heute werden sie aber weniger in Cafés rekrutiert als über den offiziellen Bewerbungsbogen auf der FSF-Website. An meinen Hospitationstagen guckten wir Erotikfilme. Ich erinnere mich gut an meine Verblüffung über die umwerfend komischen und kenntnisreichen Kommentare. Trotz des Genres machte es Spaß zuzuhören und schließlich mitreden zu dürfen. Ein Prüftag dauerte damals oft nur von 10 bis 14 Uhr. Auch der Schriftkram, die Gutachten waren kein großes Thema. Man notierte, was einem von der interessanten Debatte im Gedächtnis haften geblieben war – fertig. Hier hat sich vieles geändert. Inzwischen sind die Prüftage deutlich länger, den Gutachten liegt eine strenge Matrix zugrunde, und der bürokratische Aufwand ist insgesamt gestiegen.

Seit 2004 gibt es, neben den etwa 100 ehrenamtlich Prüfenden aus dem ganzen Bundesgebiet, fünf „Hauptamtliche“, zu denen ich gehöre. Wir sollen auf eine möglichst einheitliche Spruchpraxis hinwirken. Seitdem sitze ich an etwa 50 Tagen im Jahr mit wechselnden Kolleginnen und Kollegen in einem FSF-Prüfausschuss und bewerte Filme, Serien, usw. – nur unter Jugendschutzaspekten. Das klingt nach Alltagstrott, doch der hat sich bisher nicht eingestellt. Denn die Medien und die Programmformate ändern sich ebenso wie die gesetzlichen Grundlagen unserer Arbeit. Der Kreis der Kolleginnen und Kollegen erneuert sich kontinuierlich. Auch das Medienverhalten von Kindern und Jugendlichen verändert sich und spiegelt aktuelle Entwicklungen. Unter dem Strich ergeben sich daher genug Turbulenzen, um keine Langeweile aufkommen zu lassen.
Als ich bei der FSF anfing, lag ein dicker Hund bei Claudia Mikat im Büro. Später lag an gleicher Stelle auf einer Wolldecke ihre Tochter Paula, die inzwischen zu einer jungen Dame herangewachsen ist und 2014 ihre Jugendweihe gefeiert hat. Was werden die nächsten 20 Jahre bringen? Es bleibt spannend, soviel steht fest. Deshalb freue ich mich, dass unser gemeinsamer Weg noch nicht am Ende ist.

Über Susanne Bergmann

Susanne Bergmann ist Dozentin und Autorin, u.a. für den Kinderfunk von rbb und dlr. Seit 1995 Prüferin bei der FSF. Seit 2020 Ehrenamtliche Richterin am Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.