Warum arbeitest Du für den Jugendschutz?

20-jahre-logo_CMYK_15_400dpi_blogIn diesem Jahr feiert die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V. ihr 20-jähriges Bestehen. Dies nahmen wir zum Anlass, Prüfer, die die FSF schon viele Jahre begleiten, um einen Jubiläumsbeitrag zu bitten. Klaus-Dieter Felsmann und Susanne Bergmann kamen der Bitte für den Blog nach. Weitere Stimmen zu 20 Jahre FSF folgen in der kommenden tv diskurs!

Selbst der schüchternste Prüfer des Medien-Jugendschutzes muss sich auf Partys, Tagungen oder Zugfahrten nicht vor dem Gefühl der Einsamkeit fürchten. Auch dann, wenn er niemanden der Anwesenden kennt, braucht er nur anzudeuten, dass er gerade über die Freigabe eines Films, eines Spiels oder einer Fernsehsendung befunden hat, schon ist ihm alle Aufmerksamkeit sicher. Allerdings, das muss in Kauf genommen werden, selten wird er nach seinen Kriterien oder Beweggründen für die jeweilige Entscheidung gefragt. Der Prüfer wird zur Projektionsfläche aller möglichen Meinungen und Befindlichkeiten. Geradezu als sei er Verursacher all der Medienprodukte, über die man meint, sich aus den unterschiedlichsten Gründen aufregen zu müssen. Wie kann man einen Film, in dem dreimal das A-Wort vorkommt, ab 12 Jahren freigeben? Warum wird der Ritterfilm, in dem Spießgesellen andere Spießgesellen aufspießen, für das Tagesprogramm als tauglich befunden? Warum werden Spiele, in denen Kriegsszenarien eine Rolle spielen, nicht grundsätzlich verboten? Andererseits wird aber auch gern erklärt, dass man als Zensor gesehen werde, der als solcher geradezu der Antipode der freien Kunstentfaltung ist. Irgendwann kann der arme Prüfer zum Trost aber darauf hoffen, dass jemand mit ihm Mitleid hat. Wenn er dann nicht auf weitere Erörterung seines Tuns besteht, dann ist ihm therapeutisch motivierte Aufmerksamkeit sicher. Das schließt allerdings latent die Frage ein: „Warum arbeitest Du eigentlich für den Jugendschutz?“.

Ein ziemlich kluger Freund meinte jüngst, angesichts der unkontrollierbaren Zugriffsmöglichkeiten im Internet könne man sich das Prozedere mit den Freigaben doch überhaupt sparen. Das sagt jemand, der in Vorträgen und Aufsätzen gern über die zunehmende Orientierungslosigkeit innerhalb der globalisierten Welt klagt. Müsste er nicht froh sein, wenn innerhalb einer Gesellschaft Einrichtungen vorgehalten werden, die genau das machen, was er als Defizit beklagt, nämlich Orientierungspunkte setzen? Ich frage mich, woher ein derart weit verbreitetes öffentliches Missverständnis gegenüber dem Medien-Jugendschutz kommt? An der Selbstdarstellung kann es nicht liegen. Gerade bei der FSF wird diesbezüglich sehr viel getan. Die Darstellung in anderen journalistischen Formaten könnte allerdings ein gewisser Indikator sein. Hier ist man schnell dabei, kriminelle Fehlhandlungen auf die Wirkung von Bildmedien zurückzuführen, was mehr oder weniger direkt ein Versagen der Medienkontrolle zu implizieren scheint. Wenn dann auch noch versucht wird, aus selbstherrlicher Einzelperspektive vorzuführen, wie Wertungen richtig zu treffen seien, dann wird deutlich, dass auch hier das Grundprinzip des Medienjugendschutzes nicht verstanden wurde. Ist allerdings ein Außenstehender tatsächlich einmal bereit, die Strukturen der Prüfverfahren genauer kennenzulernen, dann folgt meist großes Erstaunen. Es gibt wenig vergleichbare demokratische Findungsprozesse, in denen die Gesellschaft, vertreten durch Gremien, aushandelt, wie sie Gesetzesvorgaben im Sinne des Allgemeinwohls interpretieren möchte. Gewiss ist das anstrengend, man braucht Toleranzvermögen und Kompromissfähigkeit und es ist immer erforderlich, Entscheidungen kulturellen Entwicklungen anzupassen. Eine Schießerei in einem Western wird heute wesentlich entspannter gesehen, als vor dreißig Jahren. Dafür bereiten nackte Kinder in der Badewanne inzwischen erheblich Kopfzerbrechen.

Vielleicht ist es gerade die Differenziertheit des Verfahrens, was in der Öffentlichkeit oft Irritierungen auslöst? Mehr noch bereitet aber wohl der Umstand Probleme, dass der Rezipient mit Jugendschutzentscheidungen nicht seiner eigenen Verantwortung im Umgang mit den Medien enthoben wird. Doch gerade die beiden Aspekte stellen elementare Voraussetzungen dar, dass demokratische Gesellschaftsmodelle langfristig auch in globalen Verhältnissen funktionieren können. Mein kluger Freund hat diesen Gedanken inzwischen in seine Vorträge eingearbeitet. Auf Freiwilligkeit aufbauende Selbstkontrolle interpretiert er nunmehr als ein in alle Lebensbereiche hineinreichendes Modell.

Über Klaus-Dieter Felsmann

Studium der Germanistik und Geschichte. Klaus-Dieter Felsmann ist freier Publizist, Medienberater und Moderator sowie Prüfer bei der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF).