„Hilflose Eltern – hilflose Regulierung?“, lautete der provokative Titel des medien impuls

Doch der Jugendmedienschutz fiel nicht durch den Praxischeck, jedenfalls nicht ganz, und schon gar nicht in der Form, die er sich zukünftig geben möchte

Martin Drechsler, Geschäftsführer der FSM, eröffnete die Tagung mit einem Buch von Bill Gates in der Hand (The Road Ahead, 1995), das prophetische Weitsicht offenbart. So eine Perspektive, befreit von Alltagsproblemen, die den Blick verstellen, wünschte sich Drechsler auch für den Jugendmedienschutz. Der Teufel, der im Detail steckt, war daher ausnahmsweise nicht eingeladen, und der Blick blieb entspannt aufs große Ganze gerichtet.

Bettina Bundszus (Abteilungsleiterin für Kinder und Jugend im BMFSFJ) und Heike Raab (Staatssekretärin für Medien und Digitales des Landes Rheinland-Pfalz) betonten die gemeinsame Verantwortung von Bund und Ländern.

Schutz, Förderung und Teilhabe hingen zusammen, so Bundszus, und ohne Schutz gehe es nicht – zumal die Medienkompetenz der Kinder mit dem Bildungsgrad der Eltern zusammenhinge und alle Kinder erreicht werden müssten. Heike Raab lobte den Koalitionsvertrag, in dem festgelegt sei, dass der Bund die Novelle des Jugendschutzgesetzes in Angriff nehme. Man habe nun die Chance, es kohärent zum JMStV zu gestalten und den richtigen Mix aus Regulierung, medienpädagogischen Angeboten und Medienaufsicht zu finden. Auch Martina Hannak (Vorsitzende der BPjM) sprach sich für einen zukunftsfähigen Jugendmedienschutz aus, der „vom Kind aus“ gedacht werden müsse. Die einträchtige Runde begann und endete optimistisch.

Zuvor gab Christa Gebel, JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, einen Überblick über die Ergebnisse des Jugendmedienschutzindex – Umgang mit onlinebezogenen Risiken, einer repräsentativen Studie, die im Auftrag der FSM durchgeführt wurde. Es handelt sich um eine Langzeitstudie, die periodisch fortgesetzt werden soll. Ende 2018 werden die Ergebnisse der Befragung von pädagogischen Fachkräften vorliegen, derzeit sind die Ergebnisse der Befragung von Eltern und deren Kindern im Alter von 10 bis 16 Jahren verfügbar. Zielrichtung des Jugendmedienschutzindex ist es, die tatsächliche Regulierung und das Bedürfnis der Betroffenen besser in Einklang zu bringen.

Facebook

Mit dem Laden des Beitrags akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von Facebook.
Mehr erfahren

Beitrag laden

Nach Gebels Ausführungen sehen sich die Eltern selbst in der Verantwortung, wenn es darum geht, ihre Kinder vor Online-Risiken zu schützen. Die klassische Alterskennzeichnung genießt zwar eine hohe Anerkennung, doch die Eltern wünschen sich mehr Unterstützung von den zuständigen Behörden, den Medien- und Diensteanbietern, den Selbstkontrollen, den Schulen und der Politik – allerdings ohne die bereits bestehenden Angebote zu kennen. Die Eltern interessieren sich wenig für das System des Jugendmedienschutzes, sondern nur für ihr Kind, und erwarten situationsbezogene, leicht zugängliche Hilfsangebote.

Deutlich wird auch der Bedarf an mehr geschützten Räumen im Internet für Kinder unter 12 Jahren. Den wünschen sich auch die Kinder selbst, denn sie sind unsicher beispielsweise in der Beurteilung, ob etwas wahr ist oder nicht, sowie bei Kosten, die durch Apps entstehenden können. Je älter die Kinder, desto weniger unternehmen die Eltern in puncto Kontrolle und Kommunikation und übertragen den Heranwachsenden zunehmend die Verantwortung. Ab 13 Jahren ist der Nachwuchs ohnehin der Auffassung, sich besser auszukennen als die Eltern. Damit verändert sich auch der Blick auf die Online-Risiken, z.B. bekommt Mobbing einen höheren Stellenwert. Die Schwerpunkte des Sorgenspektrums von Jugendlichen werden vom klassischen Jugendmedienschutz kaum noch abgedeckt.

In einem weiteren Panel ging es um Ansätze für einen Jugendschutz im digitalen Zeitalter. Marie-Teresa Weber von Facebook Germany versicherte, dass sich ihr Konzern nun seiner Verantwortung bewusst sei, betonte dessen pädagogisches und soziales Engagement und die Absicht, u.a. das Facebook-Elternportal besser publik zu machen.

Stefan Schellenberg, Vorsitzender von JusProg e.V. – einem Verein, der den technischen Jugendmedienschutz mit entsprechender Filtersoftware voranbringt –, äußerte Unverständnis über die Skepsis vieler Eltern, zumal die Installation der Software inzwischen sehr einfach sei.

Claudia Mikat, Geschäftsführerin der Programmprüfung bei der FSF, fragte selbstkritisch, warum die vielen Informationen über den Jugendmedienschutz nur so spärlich bei der Zielgruppe ankommen? Sie forderte eine einheitliche Linie der Institutionen, die in Deutschland mit dem Jugendmedienschutz befasst sind, und richtete den Blick auf die europäische Ebene, auf der man sich Anregungen für zukünftige Herausforderungen holen könne.

Weitere Informationen zum medien impuls, einer Veranstaltungsreihe von Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM) und Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen e.V. (FSF) , finden Sie, kompakt zusammengetragen, hier.

Über Susanne Bergmann

Susanne Bergmann ist Dozentin und Autorin, u.a. für den Kinderfunk von rbb und dlr. Seit 1995 Prüferin bei der FSF. Seit 2020 Ehrenamtliche Richterin am Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.