Stand der Novellierung des Jugendschutzrechts
Im Dezember 2015 haben die Ministerpräsidenten der Länder den Entwurf zur Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) ratifiziert. Seitdem liegt er den Länderparlamenten zur Zustimmung vor. Erst nach dieser Zustimmung kann der Entwurf wie geplant am 1. Oktober 2016 in Kraft treten. Ein wesentlicher Bestandteil der Novellierung ist eine Erleichterung für die Zulassung von Jugendschutzprogrammen, die in Zukunft von den Selbstkontrollen anerkannt werden können und für die einige neue Entwicklungsmöglichkeiten – z. B. spezifische Lösungen für Apps oder Smart-TV – aufgezeigt werden.
Ein weiterer Punkt ist die sogenannte Durchwirkungsregelung. Sie besagt, dass Inhalte, die von der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) bereits mit Altersfreigaben für die Ausstrahlung im TV freigegeben wurden, nicht noch einmal neu von der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) geprüft werden müssen, wenn sie auf DVD erscheinen. Einerseits ist zwar bisher die FSK-Freigabe für bestimmte Sendezeitbeschränkungen im Fernsehen bindend, andererseits muss die Freigabe für das Fernsehen für eine DVD-Freigabe allerdings nicht berücksichtigt werden. Daraus ergaben sich nicht nur erhebliche Doppelprüfungen, sondern als problematisch erwies sich vor allem, dass dabei z. T. unterschiedliche Ergebnisse herauskamen, die für die Anbieter und die Jugendschützer zu rechtlichen Unsicherheiten führten.
Diese Durchwirkungsregelung hat die Verfasser des Gesetzes vor große Herausforderungen gestellt. Schließlich arbeitet die FSK nach dem Jugendschutzgesetz (JuSchG), für das der Bund zuständig ist. Danach werden die Altersfreigaben für Kino, DVD und Computerspiele von den Obersten Landesjugendbehörden als Verwaltungsakt erteilt. Die FSF dagegen arbeitet nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag – und damit nach einem Gesetz der Länder.
Der gegenwärtige Entwurf sieht vor, dass die Freigaben der FSF von den Landesbehörden übernommen werden, wenn sie durch die für das Fernsehen zuständige Kontrollinstitution, die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), bestätigt wurden. Obwohl man davon ausgehen kann, dass für Länderbehörden Ländergesetze gelten, vertreten die Obersten Landesjugendbehörden die Meinung, ihre Prüfkompetenz sei im Bundesgesetz geregelt, könne also von Ländergesetzen nicht eingeschränkt werden. Der JMStV würde sie zwingen, die Prüfung eines Verwaltungsaktes nicht mehr selbst vorzunehmen, sondern die Entscheidung eines Dritten ohne Wenn und Aber zu übernehmen. Das ist aus ihrer Sicht rechtswidrig.
Das für Jugendfragen zuständige Bundesministerium schließt sich auf der einen Seite der Rechtsauffassung der Obersten Landesjugendbehörden an, sieht aber auf der anderen Seite auch ein, dass Doppelprüfungen mit unterschiedlichem Ergebnis verhindert werden sollten. Im Grunde müsste das Bundesgesetz neben den Obersten Landesjugendbehörden auch den nach dem JMStV anerkannten Selbstkontrollen – mit der Bestätigung der KJM – das Recht einräumen, Altersfreigaben nach dem JuSchG zu erteilen.
Nun ist von Vertretern des Ministeriums auf der Jahrestagung von I-KiZ am 21. Juni 2016 ein Papier verteilt worden, das als die Grundlage eines Gesetzentwurfs angekündigt wurde, der noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden soll. Nach dem Papier können die Obersten Landesjugendbehörden von der KJM bestätigte Freigaben der FSF übernehmen – müssen es aber nicht.
Was soll das? Haben die Behörden nun die Wahl, ob sie die politische Entscheidung der Länder, also ihrer Arbeitgeber, anwenden oder ignorieren wollen? Abgesehen davon ist es höchst unwahrscheinlich, dass ein umstrittener Gesetzentwurf, der noch mit niemandem beraten wurde – auch nicht mit den Staatskanzleien der Länder –, noch in dieser Legislaturperiode vom Bundestag verabschiedet werden kann. Warum ist es so schwierig, eine unumstrittene Regelung zwischen Bund und Ländern abzusprechen und gesetzlich umzusetzen? Das bleibt ein großes Rätsel!
Der Jugendschutz müsste dringend Antworten auf grundsätzliche Fragen der Medienentwicklung finden. Stattdessen wird seit Jahren akribisch über rechtliche Detailfragen gestritten.
Das Editorial sowie weitere Beitrage aus der Fachzeitschrift tv diskurs – Verantwortung in ausiovisuellen Medien gibt es auf tvdiskurs.de.