„FSF und Sender stehen Seite an Seite“

Seit Ende des letzten Jahres hat die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) einen neuen Vorstandsvorsitzenden: Joachim Moczall. Im Jugendmedienschutz ist er ein alter Hase: 2001 begann Moczall seine Arbeit als Jugendschutzbeauftragter bei Vox. Seit Anfang dieses Jahres ist er Jugendschutzbeauftragter für den Sender RTL und stellvertretender Leiter der Abteilung Jugendschutz für die Mediengruppe RTL Deutschland. Wir sprachen mit ihm über seine beruflichen Erfahrungen und über die Zukunft des Jugendschutzes.

Joachim Moczall (Vorstandsvorsitzender der FSF und Jugendschutzbeauftragter für den Sender RTL) © Mediengruppe RTL Deutschland
Joachim Moczall (Vorstandsvorsitzender der FSF und Jugendschutzbeauftragter für den Sender RTL) © Mediengruppe RTL Deutschland

Sie sind schon seit einer ganzen Weile im Jugendmedienschutz tätig und kennen die Szene gut. Was meinen Sie, ist das derzeit praktizierte Modell noch zeitgemäß?

Immer weniger. Wir befinden uns inmitten einer Entwicklung, deren Geschwindigkeit und Dynamik niemand wirklich vorhersagen kann. Wir müssen uns der Tatsache stellen, dass der klassische Begriff des Jugendschutzes, der aufsichtsorientiert und eher restriktiv ausgerichtet ist, immer angreifbarer wird, weil es eine offensichtliche Regulierungsdiskrepanz zwischen Online- und Offlinewelt gibt. Im Offline- und Fernsehbereich haben wir derzeit eine Überregulierung, während online viele Dinge überhaupt nicht reguliert sind. Momentan leben wir noch in der Situation, dass die Einnahmen überwiegend aus dem Fernsehbereich kommen. Online ist zwar hip, aber es rechnet sich noch nicht wirklich. Das wird sich mit der Zeit aber verlagern.

Was bedeutet das aus Sicht der FSF?

Die Geschichte der FSF ist eine Erfolgsgeschichte. Ihre Stärke liegt in der kompetenten und fundierten Beurteilung von Bewegtbildinhalten und es ist sehr beeindruckend, mit welcher Ernsthaftigkeit und Professionalität hier Jugendschutz betrieben wird. Aber darauf dürfen wir uns nicht ausruhen, sondern müssen schauen, dass wir bestimmte Entwicklungen nicht verschlafen und eben nicht nur beobachten, sondern uns entsprechend positionieren. Wenn der Fernsehbegriff sich verändert – weg vom linearen Schauen, hin zu einer fragmentarischeren, konvergenteren Nutzung – stellt sich für uns als FSF die Aufgabe, unsere spezifischen Stärken und Kompetenzen daran anzupassen, um auch zukünftig gut aufgestellt zu sein.

Wie könnte das praktisch und inhaltlich aussehen?

Darauf gibt es nicht die eine Antwort, aber ich bin fest davon überzeugt, dass der medienpädagogische Bereich an Gewicht gewinnen wird. Das ist auch dringend notwendig! Wenn man auf einschlägigen Fachveranstaltungen ist, kann man quasi die Uhr danach stellen, wir lange es dauert, bis zum ersten Mal die Begriffe „Medienkompetenz“ und „Medienpädagogik“ fallen. Dann kommt man an die Schulen und stellt erschrocken fest, wie wenig in der Praxis passiert. Außerdem wird es darum gehen, den Zuschauern und Nutzern mehr Jugendschutz-Informationen zum gewählten Programm an die Hand zu geben. Das ist leicht gesagt, aber es erfordert ein Umdenken in allen Bereichen, sowohl von den traditionellen Institutionen im Jugendschutz als auch von den Nutzern selbst. Vermutlich ist es auch eine Mentalitätsfrage, dass wir in Deutschland die Dinge gern von oben geregelt bekommen. Das wird angesichts der Flut an Inhalten zukünftig aber immer weniger möglich sein, so dass wir in viel stärkerem Maße auf die Kompetenz und Informiertheit der User setzen müssen.

Aus Ihrer Sicht des Jugendschutzbeauftragten bei RTL: Sind Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen in der Abteilung eigentlich die Spielverderber im Sender?

Keineswegs. Natürlich musst du als Jugendschützer im Sender klare Kante zeigen und die Grenze genau definieren, aber du musst es in einer netten Art und Weise machen, so dass die Leute keine Angst haben, zu dir zu kommen. Es geht darum, dass die Kollegen wissen, dass wir ihnen nicht den Kopf abreißen oder das gesamte Programm zerschießen, sondern dass es einfach klug ist, einige Dinge im Vorab zu regeln, damit es hinterher keinen Ärger gibt. In der Regel finden wir dann Lösungen und es ist immer wieder schön zu sehen, wie konstruktiv ein solcher Diskurs sein kann. Ebenso wie wir diesen Diskurs innerhalb des Senders führen, müssen wir ihn auch außerhalb anstoßen. Für mich ist das – gerade in unserer heutigen Zeit – ganz wesentlich. Am Diskurs führt kein Weg vorbei – auch wenn es oft der beschwerlichere und unbequemere Weg ist.

Jugendschützer im Sender und Vorstandsvorsitzender der FSF – ein Spagat?

Nein, das nehme ich überhaupt nicht so wahr. Die FSF ist in den Sendern sehr präsent und akzeptiert. Die größeren Kämpfe, wie sie vielleicht in den Anfangsjahren ausgefochten wurden, finden so heute nicht mehr statt. Dafür stellen sich heute die bereits angesprochenen Herausforderungen einer konvergenten Medienwelt – und dabei sehe ich die Sender und die FSF Seite an Seite stehen. Auch wenn wir Jugendschutz in der Zukunft teils radikal neu denken müssen, ist und bleibt er ein spannendes und gesellschaftlich relevantes Thema. Und auch jenseits von Gesetzesregelungen haben die Medienunternehmen aus ihrer eigenen Verantwortung heraus und auch aus Imagegründen ein großes Interesse daran.

Über Barbara Weinert

Barbara Weinert studierte Kommunikationswissenschaft, Politikwissenschaft und Kunstgeschichte an der TU Dresden. Von 2006 bis April 2018 lebte und arbeitete sie in Berlin und war seit 2008 zehn Jahre in der FSF als Redakteurin der Fachzeitschrift tv diskurs - Verantwortung in audiovisuellen Medien tätig.