Mit 20 Jahren ist man erwachsen und steht in der Blüte seines Lebens. Und das Schöne ist, mit 20 hat man die ganze Zukunft noch vor sich! Das Nederlands Instituut voor de Classificatie van Audiovisuele Media (NICAM) ist erst 14 Jahre alt, steht also mitten in der Pubertät. Deshalb befinde ich mich in einer gewissen Verlegenheit: Was kann von einem 14-Jährigen erwartet werden, wenn das Thema „Visionen für ein Jugendschutzrecht der Zukunft“ heißt? Doch lassen Sie mich einen Wurf wagen! Denn Sie wissen: Wer nicht wagt, gewinnt nicht!
Wenn wir etwas Sinnvolles über die Zukunft des Jugendschutzrechts sagen wollen, dann kann es klug sein, in die Vergangenheit zu schauen.
Angst vor neuen Medien
Im Lauf der Jahrhunderte hat man vor den Medien immer wieder Angst gehabt. Neue Medien werden gefürchtet; sie führen zu Unruhe, Angst und Sorge. Angst vor der Aushöhlung von Standards, von religiöser und politischer Autorität. Kurz: Medien bringen Unheil und Verderben. Und sie haben eine verheerende Wirkung auf die Kinder. Jedes Mal, wenn ein neues Bildmedium in Erscheinung tritt und populär wird, kommt es zu Bedenken gegenüber den individuellen und sozialen Veränderungen, die das Medium zur Folge haben wird. Das sahen wir in Bezug auf Bücher, Film, Fernsehen, Spiele und zuletzt beim Internet und bei Social Media. Diese Reaktionen sind sicherlich am Anfang oft heftig und emotional. Aber nach einiger Zeit, wenn die erste Aufregung sich gelegt hat, wenn das Neue daran verschwindet und sich zeigt, dass die Welt nicht untergeht, folgt in der Regel eine nüchterne Reaktion.
Die Aufmerksamkeit, die man der gesellschaftlichen Auswirkung von audiovisuellen Medien und ihren spezifischen Effekten schenkt, ist verständlich. Die audiovisuellen Medien sind buchstäblich Massenmedien, die jeder fast jeden Tag benutzt. Eine in diesem Jahr in den Niederlanden veröffentlichte Studie zeigt, dass wir von den insgesamt 1.440 Minuten pro Tag durchschnittlich 525 Minuten (36 %) schlafen, 205 Minuten (14 %) dem Medienkonsum widmen und nur 196 Minuten (13 %) mit Arbeit verbringen.
Die Geschichte zeigt, dass das Erscheinen audiovisueller Angebote zu Klassifizierungen führt, d. h. zu Prüfverfahren, die der Öffentlichkeit Altersangaben, Warnungen etc. liefern. Das sahen wir bereits beim Bücherindex und danach beim Klassifikationsbedürfnis auf den Gebieten „Film“, „Fernsehen“, „Computerspiel“ und „Internet“.
In den 1990er-Jahren führte das explosive Wachstum der audiovisuellen Angebote zu Institutionen wie FSF, der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) und NICAM. Eltern brauchten bei dem ständig steigenden Angebot einen Rückhalt, nämlich Instrumente, die ihnen bei der Auswahl der für ihre Kinder geeigneten TV-Programme, Spiele, Videos und Filme halfen. Denn je größer das Angebot, desto schwieriger und komplizierter die Wahl. Jetzt – 20 Jahre später – haben wir es mit einer neuerlichen Explosion im audiovisuellen Medienangebot zu tun: online, digital, massenhaft und grenzenlos.
Die Frage, mit der wir alle kämpfen, ist, wie damit umzugehen ist? Können wir überhaupt noch einen sinnvollen Beitrag zum Jugendschutz liefern?
Kinder fit machen
Lösungen: Eine Medienpädagogik, die sich zum Ziel setzt, Kinder zu klugen Medienkonsumenten zu machen, ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig – das scheint mir offensichtlich. Denn wenn wir Kindern das Lesen, Schreiben, Rechnen und Schwimmen beibringen und sie in die Verkehrserziehung bringen, dann ist es angesichts der großen Rolle, die die Medien spielen, vollkommen logisch, Kinder mit der Funktionsweise der Medien und ihren möglichen Risiken vertraut zu machen. Damit sie gewappnet sind.
Außerdem, und das ist die Position von NICAM, ist es wichtig, Eltern und natürlich auch Kindern einen Halt, ein Instrument an die Hand zu geben – bei ihrer Wahl der richtigen audiovisuellen Produktionen: Filme, Spiele, TV-Shows, Apps, User Generated Content etc. Online und offline, linear und nicht linear. Denn in dem Maß, wie das audiovisuelle Angebot wächst, nimmt die Bedeutung von Produktinformationen in Form von klaren, auf einen Blick zu erkennenden, kompakten Altersangaben und Inhaltsinformationen – z. B. in Form von Symbolen – noch zu. Sodass Eltern und Kinder eine wohlüberlegte Auswahl treffen können.
Ein größeres Angebot bedeutet nicht weniger Klassifizierung, sondern mehr – mit dem Ziel, der Öffentlichkeit adäquate Produktinformationen bereitzustellen.
Morgen folgt die Fortsetzung dieses Beitrages von Wim Bekkers, anläßlich der 20-Jahrfeier der FSF in Berlin. Unter dem Titel Visionen für einen Jugendschutz der Zukunft: Lösungsvorschläge stellen wir morgen Teil 2 der Rede online.