Auf die Länge kommt es an

Ein neuer Serientrend wirft seine Schatten voraus. Die Vorboten heißen Fargo, About a Boy, From Dusk Till Dawn und Bates Motel. Angekündigt: Rosemary’s Baby, Scream, Gotham City und die Truman Show.

Es handelt sich um zu Serien adaptierte Filmstoffe. Nicht unbedingt eine neue Idee. Über die Jahre konnten jüngere Zuschauer ihre animierten Helden in aller Regelmäßigkeit bewundern: Toy Story, Alladin, Timon & Pumba waren Serien zu dazugehörigen Filmen. Doch auch Klassiker des Genres wie Highlander, Indiana Jones und Terminator mussten schon als Vorlage für TV-Serien herhalten. Im Moment jedoch vergeht kaum ein Tag, ohne dass eine neue Serie angekündigt wird, die auf einem erfolgreichen Film basieren wird. Und in der Regel sind das nicht nur Filme, von denen ich der Meinung bin, dass man sich an ihnen nicht vergreifen sollte. Es stellt sich vor allem die Frage, was diese Serien erzählen wollen, was die Filme nicht erzählt haben. Denn die bisherigen Beispiele zeigen, dass die TV-Versionen meist die Geschichten wiederholen. Nur länger.

So zum Beispiel geschehen in From Dusk Till Dawn. Robert Rodrigez hat die Serie für den Fernsehsender El Rey produziert, basierend auf seinem eigenen Kultstreifen. Die Strategie dieser Adaption ist es, zunächst einmal alle Lücken, die der Film hatte, auszufüllen. Der zu Anfang erschossene Cop hat einen jungen Partner, dem er sterbend ein Versprechen abnimmt. Dieser macht sich daraufhin auf zu einer Macho-Vendetta vom Klischeehaftesten. Die Brüder kriegen eine Genese verpasst, genauso wie die Familie und nicht zu vergessen die Vampire. Richie hat nun nicht einfach mehr schwer einen an der Waffel, sondern bedeutungsschwangere Visionen. Wobei Zane Holtz der einzige Lichtblick ist in diesem sonnenuntergangsgetränken Kitschepos. Denn die Serie nimmt dem ursprünglichen Filmstoff das, was ihn so erfolgreich gemacht hat: die durchgeknallte cineastische Anarchie. Gangster-auf-der-Flucht-Roadmovie? Psychokiller? Familiendrama? Ach sooo, es ist ein Vampirstreifen! Der Film hat funktioniert, weil er eigentlich gar nicht hätte funktionieren dürfen. Man wollte und musste gar nicht mehr über die Figuren wissen. Die Serie versucht, das alles zu einem großen Ganzen zu verbinden und glättet damit alles tot. Von dem bissigen Schneid und unkonventionellen visuellen Stil des Films ist nichts übrig geblieben. Ersatzlos gestrichen. Hinzu kommt: Die Szenen sind teils dieselben, die Dialoge neu. Und wenn das Ursprungsskript schon der Gipfel des zynischen Witzes war, was macht man dann? Nicht viel. Da helfen auch keine platten Tarantino-Anspielungen à la „Würdest du bitte nicht mit der Waffe auf uns zielen; wir könnten über einen Huckel fahren und dann könnte sie losgehen.“

Ein ähnliches Beispiel ist About a Boy – eine Comedyserie basierend auf der Verfilmung des gleichnamigen Buches von Nick Hornby. About a Boy war eines der seltenen Beispiele für eine gelungene Literaturverfilmung. Sie blieb dem Geist des Buches treu, trotz abgewandeltem Ende. Ein Mann, der nicht erwachsenen werden will, trifft ein Kind, das viel zu erwachsen ist. Ohne es eigentlich zu wollen, helfen die beiden einander, besser im Leben klarzukommen. Nick Hornbys Stoffe sind zwar witzig, aber auch immer melancholisch-nachdenklich. Letzteres Element ignoriert die Serie völlig: den Dreh- und Angelpunkt für das Buch und den Film, den Selbstmordversuch der Mutter, der die Figuren aneinander bindet. Das macht die Mutter in der Serie (Minni Driver) zu einer einfach nur unerklärlich überspannten Person, die wie eine Glucke auf ihrem Sohn hockt. Dass der dann lieber mit dem unreifen Nachbarn abhängt, ist irgendwie keine Überraschung mehr. Die Serie ist immer noch unterhaltsam, aber die Originalgeschichte stark verwässert und die Chance vertan, sowohl vielschichtig als auch komisch zu sein. In der Ursprungserzählung ging es um das emotionale Wachsen der Figuren, weswegen die Serie bereits nach wenigen Folgen Probleme bekommt. Denn nach Comedyregeln ändern sich Figuren nicht nennenswert.

Anders, wenn nicht unbedingt besser, verfahren die Macher von Sleepy Hollow. Sie sind einfach so weit von der Geschichte und dem Stil des Films abgewichen, dass die Serie nur noch den Titel damit gemein hat. Jedoch ist die Serie, trotz aller übernatürlichen Mächte, reichlich konventionell: ein Gott-gegen-Teufel-Spektakel, das sich unglaublich ernst nimmt. Tim Burton kopieren zu wollen, wäre zwar albern gewesen, aber ein wenig nicht durcherklärte Mystik und Absurdität hätten der Serie gut getan. Eine Ausnahme von der Nacherzählstrategie stellt Bates Motel dar; oder: „Wie ziehe ich einen Serienmörder für Hitchcocks Psycho groß?“ Eine Vorgeschichte also.

Was auch immer eine Serie mit einem Filmstoff anstellt, sie kann nicht einfach nur dieselbe Geschichte noch einmal erzählen, nur länger. Für mich als Zuschauer muss ein Grund erkennbar sein, wieso der Plot in ein anderes Medium gegossen wird. Denn die Handlung eines Films wurde deswegen cineastisch inszeniert, weil das das beste Format dafür war. Eine Serie sollte demnach die Geschichte nicht nur anders erzählen, sie sollte auch etwas anderes AN der Geschichte erzählen. Einen Aspekt oder das Vor- oder Nachspiel. Das Medium Serie sollte mehr zu sagen haben oder etwas Neues zu der Geschichte zu sagen haben. Hat es das nicht, sollte man es lieber lassen. Denn bei manchen Dingen liegt im wahrsten Sinne des Wortes in der Kürze die Würze.

Und so ist Fargo das bislang einzige vielversprechende Beispiel für den neuen Trend. Die Serie spielt gekonnt mit dem Original, anstatt es einfach nur zu kopieren. Der Ort und die Menschen kommen einem bekannt vor und auch die düster-beklemmende Stimmung. Die Coen-Brüder sind auch hier als Produzenten beteiligt. Und doch ist in der Serie vieles ganz anders. Eröffnungsszene: Ein Auto, das langsam, langsam, auf einer schneegesäumten Straße aus der Ferne auf die statische Kamera zufährt, zu geradezu bizarr opulenter Orchestermusik. Doch es ist nicht der gedemütigte Provinzler, der da zum Rendevous mit den Kidnappern seiner Frau fährt, die er gedenkt zu beauftragen. Es ist Billy Bob Thornton, der wie eine unheilvolle Regenwolke hinter dem Steuer sitzt.

Er wandelt als eine Art Agent Provocateur durch die verschneite Kleinstadt und scheint mal für eine verdrehte Art von Gerechtigkeit zu sorgen und mal Dinge komplett aus dem Ruder laufen zu lassen. „Manche Wege“, sagt er selbst zu einem Polizisten,„sollte man besser nicht beschreiten.“ Was wieder an den Film erinnert. Doch findet die Serie eine eigene Grundkonstellation für die Geschichte und einen ganz eigenen Erzählrhythmus. Und sie inszeniert ihre Ausgangssituation in einer Art und Weise, die mir als Zuschauer klarmacht: da kommt noch so einiges auch mich zu, dass über den Film weit hinausgehen wird. Und die Anspielungen auf die Filme der Coen-Brüder? Einfach und elegant, wie zum Beispiel ein Schild, das man fast übersieht: „White Russian 4,95“.

Über Katja Dallmann

Katja Dallmann hat ein Übersetzer-Diplom und einen Bachelor in Publizistik- und Kommunikationswissenschaft abgeschlossen. Sie ist freie Übersetzerin und Autorin, hat als Onlineredakteurin gearbeitet und verschiedentlich in Print und Online publiziert. Katja ist leidenschaftlicher Serienfan und bloggt sonst unter Serielle Schnittstelle.

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