Nackte Träume von der guten alten Zeit

Don Draper marschiert in einem schwarzen Anzug über den makellosen Boden des Hotelflurs, Tony Soprano beehrt ein schmuddeliges Wettbüro, und Dexter Morgan sitzt unter einem Sonnenschirm am Pool und nippt an einem Tom Collins. Ach nein, der Mann im schwarzen Anzug heißt nicht Draper, sondern Evans, der Besitzer des Wettbüros kann Tony Sopranos Wetten nicht entgegengenommen haben (wir befinden uns im Jahr 1958/59), und auch Dexter wird erst Jahrzehnte später seine Leichen hier versenken.

Der Verwirrung kann man sich nicht entziehen, denn in Flair, Story und Charakteren von Magic City spiegeln sich sowohl Mad MenThe Sopranos und auch ein wenig Dexter. Die Befürchtung, dass eine Mischung aus so viel Gutem zwingend in einem Fiasko enden muss, bewahrheitet sich jedoch nicht. Im Gegenteil, es ist ein gut gemixter Seriencocktail, den Mitch Glazer da angesetzt hat und unter der Leitung von Ike Evans (Jeffrey Dean Morgan) in und um das Miramar Playa Hotel am Strand von Miami stattfinden lässt.

Eigentlich hängt ein dekadenter Schleier der Zufriedenheit über der magischen Hotelstadt des Miramar. Kontrollfreak Evans herrscht mit strenger Hand über sein Imperium und die Gäste lieben ihn und sein Programm (kein geringerer als Frank Sinatra ist Stargast seiner Silvestergala). Schnell entpuppt sich all das als trügerische Idylle, die Zukunft des Hotels hängt an vielen kleinen Fäden, genauer: an vielen kleinen und großen Gefallen, die Ike jetzt zum Abhängigen machen. Schnell entfalten sich die Beziehungen, in die Evans und mit ihm sein Hotel verflochten sind.

Ikes vielleicht größtes Problem ist Ben, „The Butcher“ Diamond (Danny Huston) – ein alter Geschäftsfreund, der grobschlächtig und brutal mit Freunden und Feinden gleichermaßen kurzen Prozess macht und dummerweise die Hälfte der Hotelanteile besitzt.

Vor der Lobby tobt ein Streik der Hotelangestellten, die für bessere Arbeitsbedingungen und um eine Gewerkschaft kämpfen und dann wäre da noch ein politisches Problem: Fidel Castro ist gerade dabei, die Macht auf Kuba zu übernehmen. Ein Haufen Dinge, die Evans in der sengenden Hitze Floridas koordinieren muss, dazu kommt alltägliches wie die Bat Mitzvah-Feier seiner Tochter.

Davon unbeeindruckt amüsiert sich die amerikanische Oberschicht in Magic City: Politiker, Schauspieler und Sternchen trinken und feiern in Evans opulentem Palast, während die Angestellten die Reste der Party so schnell beseitigen müssen, dass keinem auffällt, dass die Feier überhaupt ein Ende genommen hat. Im Leben im Überfluss darf ein Blowjob auch während der Fahrt in einem himmelblauen Cabrio stattfinden und kann trotz Bruchlandung im Seerosenteich vergnüglich enden. Die Damen dürfen im Pool an Longdrinks nippen und schlanke Zigaretten rauchen. Nebenan werden Politiker mit hoteleigenen Amüsierdamen bestochen, es wird geraucht, getanzt, gevögelt und im schummrigen, von Rauchschwaden durchzogenen Licht der Hotelbar, können die Gäste durch Bullaugen hindurch die immens schönen und meist unbekleideten Körper der sich im Pool tummelnden Badenixen betrachten.

Magic City ist ein schillernder, brutaler, promisker Traum von der guten alten Zeit, in der man nur auf die langlebige Qualität der Stricke zu achten hatte, mit denen die Leichen am Meeresgrund befestigt waren. Ein Cocktail mit Potenzial, den man probieren sollte, auch wenn es nur zwei Staffeln der Serie geben wird.

Seit Freitag, 10. Januar 2014, wiederholt Sky Atlantic die 16-teiligen Glamourserie Magic City  montags bis freitags ab 18.00 Uhr. Nonstop kann man sich die beiden Staffeln auch noch einmal am 22. und 23. Januar jeweils ab 14 Uhr anschauen.
Zur ProgrammInfo Traum vergangener Zeiten geht es hier und auf der FSF-Website findet sich die Altersfreigabe der FSF zur Serie Magic City.

Über Lena Ackermann

Lena Ackermann teilt sich ihren Geburtstag mit Michael Jackson und hoffte jahrelang auf eine Einladung nach Neverland. Sie hat in Köln Geschichte studiert, in Hamburg bei einer Filmproduktionsfirma gearbeitet und in Berlin ein Volontariat beim Rolling Stone gemacht. Sie schreibt für Erwachsene und Kinder. Mittlerweile hat sie Graceland besucht – auf die Einladung nach Neverland wartet sie weiterhin.