In der heutigen Medienlandschaft ist „Format“ ein Schlüsselbegriff. Während beim Radio dieser Begriff für die Vereinheitlichung des Gesamtprogramms eines Senders und die erstrebte Ähnlichkeit aller Programmbeiträge steht, handelt es sich bei einem „Fernsehformat“ um eine einzelne Produktion, die in mehreren Ländern ausgestrahlt wird, aber in je eigener nationaler Version. Um Ähnlichkeit geht es auch hier, um die Ähnlichkeit der Adaptionen.
Beim Begriff „Fernsehformat“ denkt man zunächst an das zugrunde liegende Sendungskonzept, gemeint ist aber weitaus mehr. Ein „Format“ ist eine Gebrauchsanweisung, nach der aus einer Sendungsidee auf mehreren Fernsehmärkten ein kommerziell Erfolg versprechendes serielles Programmangebot erstellt werden kann. Zentrale Formatbestandteile können also etwa auch Erscheinungsbild, Dramaturgie, Moderationsstil oder optische (Logo) und akustische Signale sein. Im besten Fall wird so aus einer Programmidee ein global gehandelter Markenartikel wie beispielsweise Who Wants to Be a Millionaire? (Wer wird Millionär?).
„Format“ und Formathandel sind untrennbar verbunden. Der dafür erforderliche globale Markt nahm ab den 1980er Jahren Gestalt an. Kabel- und Satellitenfernsehen ermöglichten eine radikale Vermehrung von Fernsehsendern, darunter in vielen Ländern dank der Deregulierung der Fernsehmärkte auch erstmals kommerzielle Anbieter – nicht zuletzt in Westund Osteuropa. Insbesondere diese Sender brauchten dringend kostengünstige und massenattraktive Unterhaltungsware, wobei sich der Formatimport als Ideallösung für ein Dilemma anbot. Einerseits sind einheimische Programme in der Regel erfolgreicher als importierte, andererseits sind sie kostspieliger und meist auch riskanter. Die lokale Adaption eines Formats sieht wie ein einheimisches Programm aus, die aufwendige Entwicklungsarbeit ist jedoch schon woanders geleistet worden – und seine Bewährungsprobe hat das Format auch schon bestanden. Natürlich muss beispielsweise nicht auch in Deutschland automatisch erfolgreich sein, was in anderen Ländern große Zuschauerzahlen erreicht hat, das Risiko des Scheiterns ist jedoch geringer als bei Eigenentwicklungen.
Vor den 1980er-Jahren gab es zwar auch schon einen globalen Markt für Programmideen, aber er war recht klein und unsystematisch. Es handelte sich um Einzelfälle auf der Grundlage individueller Absprachen, die dem adaptierenden Sender weitgehende Freiheiten bei der Umsetzung ließen. So hatte etwa das bis Ende der 1960er-Jahre in der Bundesrepublik ausgestrahlte Fernsehquiz Hätten Sie’s gewußt? (ARD) mit seiner amerikanischen Vorlage Twenty-One lediglich das Spielkonzept gemein, Erscheinungsbild und Anmutung waren jedoch grundverschieden. Der Formathandel, wie wir ihn heute kennen, beschränkte sich zu Beginn weitgehend auf ein Genre und war eine Einbahnstraße: Seit langer Zeit erfolgreiche Gameshows wurden aus den USA in andere Länder exportiert. Die Gründe sind naheliegend: Gameshows waren immer schon bei Zuschauern beliebt, sie lassen sich kostengünstig in großen Stückzahlen produzieren und bieten dank der Preispräsentationen unvergleichliche Werbemöglichkeiten.
In Deutschland wie in vielen anderen Ländern lernte das Fernsehpublikum in dieser Zeit alle wichtigen Klassiker der amerikanischen Gameshow Geschichte kennen – von The Price is Right (Der Peis ist heiß) über Wheel of Fortune (Das Glücksrad) bis zu Family Feud (Familienduell). Einige Jahre später, in Deutschland ab den frühen 1990er-Jahren, erweiterte sich das Genrespektrum und andere englischsprachige Länder traten als Formatexporteure auf. Nun wurden auch „Reality-TV-Shows“ und Daily Soaps australischen Ursprungs (wie etwa Gute Zeiten – Schlechte Zeiten) als Formate gehandelt. Seit dieser Zeit hat sich das Genrespektrum nochmals deutlich vergrößert, vor allem um zahlreiche Varianten im Bereich „Reality“ (etwa um Casting-, Coaching- und Makeovershows).
Bei insgesamt stark gewachsenem Marktvolumen sind inzwischen Großbritannien und die Niederlande die wichtigsten Formatexportländer, noch vor den USA. Deutschland ist weiterhin hauptsächlich Importland, kann aber immerhin in den letzten Jahren auch einige Exporterfolge verzeichnen (z. B. Schillerstraße, Schlag den Raab). Prinzipiell kann jede serielle Fernsehproduktion „formatiert“ werden. Damit sie global als Markenartikel fungieren kann, sollte sie jedoch möglichst viele im doppelten Sinn „konstante“ und möglichst wenige „variable“ Elemente aufweisen. Erstens sollten nicht allzu viele Modifikationen von Land zu Land erforderlich sein, zweitens sollte die Varianz zwischen den Einzelfolgen gering sein. Quiz- und Gameshows eignen sich deshalb besonders gut zur Formatierung: Spielidee, Spielablauf und Setdesign lassen sich relativ leicht in allen Adaptionen übernehmen, bis auf die Kandidaten und die Spielaufgaben sind die einzelnen Folgen weitgehend gleich. Besonders schlecht sind die Voraussetzungen dagegen bei fiktionalen Produktionen. Jede nationale Adaption verlangt erhebliche kulturelle Anpassung, jede Folge ein neues Drehbuch. Als Konsequenz spielen fiktionale Produktionen im Formathandel eine geringe Rolle – abgesehen von Daily Soaps und Telenovelas, den am stärksten standardisierten fiktionalen Genres. Dass sich ein florierender globaler Formathandel entwickeln konnte, ist in juristischer Hinsicht bemerkenswert, da Formate an sich rechtlich kaum geschützt sind. Trotzdem verhalten sich die meisten Akteure aus verschiedenen Gründen so, als ob es einen urheberrechtlichen Schutz gäbe. Wer offiziell ein Format „erwirbt“, erlangt Zugang zu produktionstechnischem Know-how, vermeidet gerichtliche Auseinandersetzungen und Streit mit möglichen zukünftigen Geschäftspartnern. Außerdem können sich Entscheider so absichern: Beim Scheitern der Adaption kann man immerhin auf den Erfolg des Formats in anderen Ländern verweisen, beim Scheitern einer selbst gebastelten Variante wäre man selbst der Sündenbock.