Homeland und Hatufim

Ein Thema, zwei Serien

Kennen Sie das? Sie sind von etwas begeistert, brennen dafür und Ihr Gegenüber begegnet Ihnen mit gepflegter Langeweile? Bisher haben sich nur wenige meiner Freunde für Fernsehserien interessiert. Mit Homeland hat sich das geändert. Im Frühjahr lief in SAT.1 die erste Staffel, in der geklärt wird, ob die CIA-Agentin Carrie Mathison verrückt und/oder Nicholas Brody ein Schläfer ist, was sich die ganze Zeit kaum mit eindeutigem „Ja“ oder „Nein“ beantworten lässt.

Inzwischen kann ich selbst mit Unbekannten in der Kneipe über gebrochene Helden und differenzierte Dialoge fachsimpeln und stoße dabei auf reges Interesse. Seit Monaten fragen mich alle, wann es endlich weitergeht mit der zweiten Staffel von Homeland.
Die wenigsten wissen, dass es neben Homeland noch eine andere Serie mit gleichem Thema gibt. Hatufim heißt das israelische Original aus dem Jahr 2010, das unter dem Titel Prisoners of War internationale Erfolge feiert. Gideon Raff, Autor und Regisseur von Hatufim, hat das Skript der israelischen Serie schon vor dem ersten Drehtag in die USA verkauft und bei der Entwicklung von Homeland seine Hände mit im Spiel gehabt. Herausgekommen sind zwei Serien, die zwar die gleiche Ausgangskonstellation haben, aber unterschiedlicher nicht sein könnten.
Homeland und Prisoners of War gehen verschiedenen Fragestellungen nach. Es gibt daher kein besser oder schlechter, nur unterschiedlichen Geschmack. Aber wie man von Hatufim auf Homeland kommt, wie sich die 24-Erfinder Howard Gordon und Alex Gansa von einem hochemotionalen israelischen Familiendrama freigemacht und einen atemberaubenden seriellen Thriller amerikanischer Machart entwickelt haben, das ist spannend zu vergleichen. Es verrät viel darüber, welche Fragen die beiden amerikanischen Starautoren bei der Bearbeitung des Stoffs bewegt haben – und welche nicht.

Vielschichtiges Ensembledrama oder konzentrierter Thriller?

In Homeland, der amerikanischen Adaption von Hatufim, ist aus dem israelischen Ensembledrama eine Serie geworden, die sich auf zwei Figuren konzentriert. Hatufim bringt dagegen die israelische Realität nahe und beleuchtet Traumata und Integrationsschwierigkeiten der heimgekehrten Soldaten genauso wie die Probleme ihrer Frauen und Familien. In Hatufim sind drei Soldaten in Gefangenschaft geraten. Während zwei von ihnen nach 17 Jahren zurückkehren, scheint der dritte tot zu sein. Die beiden finden ein fremdes Leben anstelle der vertrauten Familien vor. Die Frau von Nimrod hat auf ihren Mann gewartet und inzwischen die beiden Kinder alleine großgezogen, Uris Verlobte hat seinen Bruder geheiratet und mit dem ein Kind. Die Konflikte um die traumatisierten, von Folter gezeichneten Männer, die zwar als Helden gefeiert werden, aber nach ihrem Platz im Leben suchen müssen, sind vorprogrammiert. Die Serie hat mit ihrer sensiblen Figuren- und Gesellschaftszeichnung einen Nerv israelischer Zeitgeschichte getroffen. Der Rhythmus ist langsamer als der von Homeland und kostet Situationen und Gefühle aus. Erst in den letzten Minuten der ersten Staffel zeigt sich, dass auch der dritte Soldat überlebt hat und Islamist geworden ist. Nähert sich die zweite Staffel etwa Homeland an?
Homeland erinnert an den Spielfilm The Manchurian Candidate aus dem Jahr 2004, setzt allerdings noch einen drauf. Die zwischen Obsession, Psychose und Hellsichtigkeit oszillierende Heldin und der verdächtige Marine, der zwischen Anpassungszwang, Alltagsbanalität und Auftrag zerriebene Terrorist, verlieben sich. In der zweiten Staffel lassen sich politische Motive und Emotionen noch weniger trennen, wirkt jeder Satz, der zwischen Carrie und Nicholas gewechselt wird, so doppelbödig und brüchig wie eine Kippfigur. Gut und Böse fließen ineinander. Homeland ist nah dran und doch weit weg von der Wirklichkeit. Gepflegte Langeweile ist nicht zu erwarten!

Die zweite Staffel Homeland läuft ab dem 29. September immer sonntags ab 22.15 Uhr in Doppelfolgen in Sat.1. Und ProSiebenMaxx zeigt ab dem 02. Oktober, 20.15 Uhr, alle Folgen der zweiten Staffel im Original mit deutschen Untertiteln.

Über Barbara Förster

Nach dem Studium (Literaturgeschichte, Politologie und Hispanistik) Dramaturgin am Staatstheater Darmstadt, danach freie Mitarbeit beim Hessischen Rundfunk. Viele Jahre Redakteurin in der deutschen Fiction bei SAT.1 in Berlin. Seit 2008 Redakteurin für Jugendschutz und Programmberatung bei Pro7Sat.1 in München, seit 2014 Jugendschutzbeauftragte Pay-TV.