Marilyn Monroe ‒ Ein Leben zwischen Naivität und Anspruch

„Hast du das gemalt? Wer ist das denn?“, fragte mich mein achtjähriges Patenkind kürzlich. Die Freude über diese wunderbar maßlose Überschätzung meiner künstlerischen Fähigkeiten vermischte sich mit einem Hauch Ratlosigkeit. Der Warhol‘sche Kunstdruck zeigt Marilyn Monroe ‒ klar. Doch wer war eigentlich die Frau, die seit einiger Zeit in grellbunten Farben von meiner Wohnzimmerwand lächelt? Sicher ist: Das Leben von Marilyn Monroe begann deutlich weniger grell und bunt, als es endete.
Zwischen dem 1. Juni 1926 und dem 5. August 1962 lag ein Leben wie in einem frühen Film der Coen-Brüder: Leichtfertig, ein bisschen trist, zuweilen skurril, aber doch immer erwachsener, garniert durch die niemals enden wollende Suche nach der eigenen Identität. Norma Jeane Bakers Start ins Leben war denkbar ungünstig: Als Halbwaise mal im Waisenhaus, mal bei Pflegeeltern untergebracht, musste sie schon früh lernen, dass einem selbst im Geburtsort Los Angeles Ruhm und Reichtum nicht zwangsläufig in die Wiege gelegt werden. Immerhin, vielleicht sind die Möglichkeiten dort ein bisschen illustrer als anderswo. Wo sonst würde sich ein Modefotograf in eine Munitionsfabrik verirren, um dort das spätere, allererste Playboy-Bunny zu entdecken (wenn auch noch nicht als solches benannt)? Der Sprung vom Pin-up-Girl der späten 1940er-Jahre zum aufgehenden Star der Twentieth Century Fox war nicht sonderlich weit.

Aus Norma Jeane Baker ‒ der stilisierte Künstlername gibt die Zielrichtung schon vor ‒ wurde Marilyn Monroe.
Spätestens Niagara katapultierte sie 1953 in die Liga der Hollywood-Sweethearts. Von dort gab es kein Entkommen: Ein bisschen blonder als die anderen, immer einen Hauch zu enge Kleider und eine Brise Albernheit – das waren fortan ihre Attribute, die sie von einem Blockbuster zum nächsten trieben. Blondinen bevorzugt (1953), Wie angelt man sich einen Millionär (1953) und Das verflixte siebte Jahr (1955) sind wohl die bekanntesten. Verzweifelt heuerte Marilyn 1954 beim Actor’s Studio an, jener New Yorker Talentschmiede, die sicherlich die bedeutendsten Charakterdarsteller der 1950er-Jahre hervorbrachte. Auch eine eigene Produktionsfirma gründete sie ‒ vielleicht nur, um endlich ernst genommen zu werden. Bus Stop (1956), Der Prinz und das Showgirl (1956) und Manche mögen’s heiß (1957) zeugen von Monroes nicht ganz erfolglosem Versuch, als Charakterschauspielerin wahrgenommen zu werden – allerdings wohl am liebsten weiterhin mit platinblonden Locken und hautengen Kleidern.
Diese Zerrissenheit machte sich auch privat bemerkbar: unzählige, mehr oder weniger belegte Affären (von JFK bis RFK) und drei Ehen – unter anderem mit Amerikas Baseballheld Joe DiMaggio und dem Kommunismus nahestehendem Kult-Dramatiker Arthur Miller – sind die Bilanz. So ganz angekommen – in überhaupt irgendeiner Rolle – ist Marilyn Monroe wohl nie. Und so scheint es wenig verwunderlich, dass sofort mehr oder weniger abstruse (Selbst-)Mordtheorien aufgestellt wurden, als „die Monroe“ im August 1962 – in einem selbst für Models und Hollywood-Starlets biblischen Alter von 36 Jahren – in ihrem Haus in Brentwood mit einer Tablettenüberdosis vergiftet tot aufgefunden wurde. In ihrem Nachlass fand man über 400 Bücher ‒ von Salinger über Joyce bis zu Dostojewski und Schallplatten von Beethoven, Mozart und Louis Armstrong. Schade, dass wir nie erfahren werden, ob sie die Kurve noch bekommen hätte. Ob dann allerdings heute auch ein Kunstdruck von Norma Jeane Baker in meinem Wohnzimmer hängen würde?

Das Leben der Marilyn Monroe in bewegten Bildern gibt´s auf YouTube.

Über Cornelia Klein

Dr. Cornelia Klein studierte Diplom-Pädagogik mit dem Schwerpunkt Medienpädagogik und promovierte über die mediale Vorbildkompetenz. Sie arbeitet als Lektorin und Redakteurin bei einem pädagogischen Fachverlag.