Situationskomik „The American Way“: Der Erfolg amerikanischer Sitcoms

Bei mir war es Full House. Vielleicht erinnern Sie sich noch an diese penetrant dauergrinsende Patchworkfamilie um Vater Danny Tanner, die in den späten 1980er- und frühen 1990er-Jahren mit subtiler Spießigkeit ganz Amerika und wenig später einen guten Teil der Restwelt verzauberte. Kaum ein Problem war so ernsthaft, als dass es nicht in knapp 30 Minuten Sendezeit hätte gelöst werden können. Begleitet von den etwas überzogenen und nicht immer ganz platziert wirkenden Lachern des Publikums und nahezu minütlich auftretenden Gags und Pointen von Onkel Joey. Und das vor einem traurigen Hintergrund: Onkel Joey und Neffe Jesse unterstützten Vater Danny Tanner bei der Erziehung der drei Töchter nach dem Unfalltod der Mutter. Nicht immer erfolgreich, aber ich bin fest davon überzeugt, dass die Super Nanny viele Jahre später nicht selten aus genau dieser Quelle schöpfte.

Jedenfalls erfüllte Full House schon damals in grandioser Weise die Hauptmerkmale einer amerikanischen Sitcom („situation comedy“): Gags, Pointen und komische Momente mit zirkulärer Dramaturgie und möglichst linearer Handlung. Aufgezeichnet in etwa 22 bis 25 Minuten netto, mit wenigen wiederkehrenden Schauplätzen auf einer Guckkastenbühne vor kleinem Publikum. Dass die Lacher hierzulande oft etwas deplatziert und überzogen anmuten (bis hin zu Fremdschäm-Attacken), hat vor allem mit der notwendigen Nachsynchronisation („canned laughter“) zu tun.

Zwar ist die Ausgangssituation oft tragisch, doch anschließend passieren wirklich tragische Ereignisse meistens nur noch dann, wenn ein Darsteller dauerhaft die Serie verlässt oder dazustößt. So wurde etwa Charlie Sheens alter Ego Charlie Harper (Two and a Half Man) ziemlich endgültig von einer U-Bahn überrollt. (Wobei wir seit Dallas wissen, dass kein noch so tödlicher Serienabgang wirklich von Dauer sein muss.)

Angefangen hat aber alles schon viel früher, als 1951 die Schauspielerin Lucille Ball beschloss, eine Serie über das Leben mit Ehemann Desi Arnaz zu drehen. I love Lucy wurde zur ersten US-amerikanischen (Fernseh-)Sitcom. Erzählt wird die Geschichte eines New Yorker Ehepaars in den 1950er-Jahren (quasi die Familie Hesselbach Amerikas …), mit dem sich viele Zuschauer identifizierten.

Denn die Sitcom-Charaktere sind bis heute alle irgendwie ein bisschen wie wir selbst ‒ wenn auch in ziemlich überspitzter Form. Beispiele seit den frühen 1990er-Jahren ‒ der Sitcom-Hochphase ‒ gibt es zuhauf, Doug Heffernan, der King of Queens, etwa. Ein übergewichtiger Mittdreißiger eben aus dem New Yorker Stadtteil Queens, der am liebsten mit seinen drei ungleichen Freunden in der Garage sitzt und Football schaut oder Barbecues im Garten veranstaltet. Jedenfalls deutlich lieber, als seine Freizeit mit der zeternden Ehefrau Carrie oder deren nicht weniger anstrengenden Vater Arthur zu verbringen. Wohl kaum jemand repräsentiert den amerikanischen Klischee-Mittelschichtler der 1990er-Jahre sympathischer als Kevin James.

Die Friends haben es etwa zeitgleich zumindest bis nach Manhattan geschafft (wovon übrigens auch Carrie Heffernan träumt), wenn auch nicht alle übermäßig erfolgreich. Sie sind kurz über 30, haben (meistens) einen Job und sind trotzdem noch immer auf der Suche nach dem Sinn des Lebens. Jeder an anderer Stelle. Doch fast in jeder Folge landen die Freunde irgendwann im „Central Perk“, einer Kneipe im Herzen Manhattans, dessen winzige Kulisse in Wirklichkeit in einem Studio in Burbank steht. Sicher, bei den meisten Zuschauern ist es eher die benachbarte Eckkneipe in Castrop-Rauxel oder Oberammergau, aber das Prinzip ist ähnlich.

Oder Charlie Harper (40 ‒ gefühlt über mindestens elf Staffeln) ‒ der, bis Ende der 8. Staffel, zusammen mit seinem schmarotzenden, mittellosen Bruder Alan und dessen vulgärem Sohn Jake, einer der Two and a half man war: er hatte mehr Geld, als wir es uns jemals wünschen könnten, einen Mercedes (in den USA ist das was Tolles) und ein Strandhaus in Malibu, aber leider auch einen Hang zu Alkohol und Gelegenheitsbekanntschaften.

Letzteres kann man von Sheldon Cooper, dem Protagonisten der Big Bang Theory nun nicht behaupten. Auch er ist „um die dreißig“ und lebt in Kalifornien, aber Alkohol und jegliche Art zwischenmenschlicher Beziehungen (seine eigene Freundin Amy übrigens eingeschlossen) liegen ihm fern. Widmet er sein Genie doch im Wesentlichen der Wissenschaft und dem Streben nach dem begehrten (Physik-) Nobelpreis. Den hätten auch seine Wissenschaftler-Freunde Leonard, Radj und Howard gern. Sie bewegen sich ständig zwischen der Bewunderung für ihren Freund und dem Wunsch, ihn baldmöglichst um die Ecke zu bringen ‒ mit aktuell noch ungewissem Ausgang. Die Liste ließe sich beliebig verlängern.

Auch der Aufbau der Episoden ist scheinbar in fast allen Sitcoms ziemlich identisch. Im Teaser wird der Zuschauer auf das gerade aktuelle Problem vorbreitet: explodierende Ohrläppchen etwa (Two and a half man), unliebsame Mitbewohner (The Big Bang Theory) oder pubertierende Teenager (eigentlich in fast allen Sitcoms). Eingeblendet werden die Namen der Mitwirkenden und Verantwortlichen (und man bekommt den Eindruck, dass letztere seit etwa zwanzig Jahren in jeder Episode sämtlicher Sitcoms ausschließlich Chuck Lorre und Lee Aronsohn heißen). Es folgt der Vorspann, der stets so ausgewählt wird, dass es unterschiedlichster Strategien bedarf, um die Titelmelodie irgendwann wieder aus dem Kopf zu bekommen. Der Hauptteil vertieft das Problem, um es wenig später in Wohlgefallen aufzulösen (zumindest bis zur nächsten Episode). Den Abspann kennen seit dem Privatfernsehen wohl die wenigsten von uns. Der Vollständigkeit halber soll er aber dennoch an dieser Stelle erwähnt werden.

Die meisten Sitcoms spielen in Strandhäusern mit Meerblick oder in exklusiven Apartments in New York City, während wir mit etwas Glück auf den benachbarten Baggersee oder den örtlichen Stadtpark blicken. Und trotzdem sprechen sie uns irgendwie aus der Seele. (Außerdem kommt irgendein Protagonist immer aus der Provinz). Denn Liebeskummer, Jobängste oder Magen-Darm-Grippe hatten wir sicher alle schon mal.

Über Cornelia Klein

Dr. Cornelia Klein studierte Diplom-Pädagogik mit dem Schwerpunkt Medienpädagogik und promovierte über die mediale Vorbildkompetenz. Sie arbeitet als Lektorin und Redakteurin bei einem pädagogischen Fachverlag.