Sponsoring

Wir leben in einer Konsumgesellschaft, was nicht nur bedeutet, dass wir ständig Geld für Waren und Dienstleistungen ausgeben, sondern was auch eine Omnipräsenz werblicher Botschaften zur Folge hat. In Zeitungen und Zeitschriften gibt es Anzeigen, in Kino, Radio und Fernsehen Werbespots, im Internet eine Fülle vorher unbekannter Werbeformen wie etwa Banner, Wallpaper oder Pop-ups. Aber auch in der realen Alltagswelt begegnet uns überall Werbung – auf Litfaßsäulen und Plakatwänden, auf Taxis und Bussen, als Leuchtreklame und bedrucktes Streichholzbriefchen. Manchmal geben wir sogar Geld aus, um uns selbst in Werbeträger zu verwandeln: Wenn wir ein Trikot unseres Lieblingsfußballvereins erwerben, erwerben wir damit gleichzeitig ein zentrales Werbemittel des jeweiligen Trikotsponsors, dessen Logo mehr Platz auf der Trikotvorderseite einnimmt als das Vereinsemblem. Werbung ist überall, und wir haben uns daran gewöhnt. In manchen Fällen finden wir Werbung sogar sympathisch, wenn etwa Leuchtreklamen die nächtliche Stadt in ein faszinierendes Lichtermeer verwandeln, ein Kinotrailer auf einen tollen neuen Film hinweist oder uns ein pfiffiger Werbespot vielleicht sogar besser unterhält als die Sendung, die er unterbricht.

Leuchtreklamen-lichtermeer in New York (c) Luise Weigelt
Leuchtreklamen-Lichtermeer in New York (c) Luise Weigelt

Dieser Fall ist jedoch eine Ausnahme und veranschaulicht dadurch das Grundproblem von Werbespots im Fernsehen.

Wer den Fernseher einschaltet, will Programm sehen, aber keine Werbung. Werbespots stellen aus Zuschauersicht entweder (als Scharnierwerbung) eine unnötige Programmpause zwischen zwei Sendungen dar, oder sie stören (als Unterbrecherwerbung) sogar den Programmfluss. Zwar ist den Fernsehzuschauerinnen und -zuschauern mehrheitlich bewusst, dass sich privatrechtliche Fernsehsen- der überwiegend und öffentlich-rechtliche Sender immerhin zu einem kleinen Teil aus den Einnahmen für die Ausstrahlung von Werbespots finanzieren, aber dieses Wissen führt bestenfalls zu Verständnis und Mitleid, aber nicht zu Sympathie. Gleichzeitig ist das Fernsehen immer noch das wichtigste Werbemedium, weshalb die Werbebranche ein großes Interesse an fernsehgeeigneten Werbeformen hat, die vom Publikum als nicht so aufdringlich und lästig wie klassische Spotwerbung empfunden werden.

Geradezu als Königsweg bietet sich dabei das Sponsoring an, also die – in der Regel – finanzielle Unterstützung einer Sendung, auf die in Bild und Ton hingewiesen wird. Vor und neben dem Programmsponsoring im Fernsehen gab und gibt es zahlreiche andere Formen, etwa bei Sport- oder Kulturveranstaltungen. Die Grundidee ist bei allen Varianten die Hoffnung auf einen Sympathietransfer vom gesponserten Ereignis auf den Sponsor. Nicht um Kaufappell oder Wahrnehmungsaufforderung geht es hier, sondern um die Bitte, ein Unternehmen oder ein Produkt zu mögen, weil es etwas anderes ermöglicht hat. Diskussionen im Bereich des Kultursponsoring, insbesondere des Sponsorings von Konzerten populärer Künstler, zeigen jedoch auch, dass diese Werbeform nicht unumstritten ist: Geht es dabei um die Ermöglichung niedrigerer Eintrittsprei- se und/oder aufwendigerer Produktionen oder nur um höhere Künstlergagen? In dem Stück This Note’s for You (1988) lehnt etwa Neil Young das damals aufkommende Sponsoring von Konzerten als Verrat am Publikum und der Musik ab.

Programmsponsoring im Fernsehen stößt nur bei einem kleinen Teil des Publikums auf heftiges Missfallen, umgekehrt wird im besten Fall bei langjährigem Sponsoring geradezu eine assoziative Beziehung aufgebaut. So präentierte von 1995 bis Ende 2012 eine im Siegerland beheimatete Großbrauerei den ARD- Tatort am Sonntagabend, und der Sponsorenhinweis markierte seinen Beginn. Wichtigste Voraussetzung für ein so erfolgreiches Sponsoring ist natürlich, dass Produkt und Programm zusammenpassen. Der Tatort verpricht beste Abendunterhaltung, und zu einem gelungenen Fernsehabend gehört (natürlich?) ein Bier – wie auch zum Fernsehsport, wenn man davon ausgeht, dass die Sponsoren einschlägiger Sportübertragungen wissen, was sie tun. Ein besonders kreatives Beispiel konnte man 2007 bei RTL sehen: Die Krimireihe Monk, deren Protagonist – u.a. – unter einer Schmutzphobie leidet, wurde zeitweise von einem bekannten Hersteller von Haushaltstüchern präsentiert. Im umgekehrten Fall muss misslungenes Sponsoring nicht zwangsläufig an zu großer Distanz zwischen Produkt und Programm liegen, es kann auch auf zu große Nähe zurückzuführen sein. Als sich das ZDF 1995 darauf einließ, sein Kulturmagazin Aspekte von einem Print-Nachrichtenmagazin sponsern zu lassen (dem, das nicht in Hamburg erscheint), geschah dies nicht nur gegen den Widerstand der Redaktion, sondern sorgte für heftige Irritationen. Sponsor wie gesponsertes Programm beschäftigten sich mit Kultur, zudem wurden in Aspekte immer schon auch Printmedien thematisiert – wie war dann noch eine unabhängige Berichterstattung möglich? Bis zum Beginn des Jahres 2013, und damit bis zu dem Inkrafttreten der 15. geänderten Fassung des Rundfunkstaatsvertrags, war Sponsoring nicht zuletzt für öffentlich-rechtliche Sender eine wichtige Einnahmequelle. Während die Ausstrahlung von Werbespots auf 20 Minuten an Werktagen vor dem Abendprogramm beschränkt war, durften allgemein auch Sendungen in der Hauptsendezeit sowie an Sonn- und Feiertagen gesponsert werden. Heute ist dies nur noch bei sportlichen Großereignissen zulässig.

Was Kinder betrifft,  gilt für Programmsponsoring, was für Werbung allgemein gilt – aber mit einer besonderen Komplikation. Kinder müssen erst lernen, dass sie Werbung nicht bloß unterhalten will, sondern ganz be- sondere Absichten verfolgt und ihre Einstellungen und ihr Handeln beeinflussen möchte. Indirekte Werbung wie Sponsoring oder Product-Placement, deren appellativer Charakter nicht sofort ersichtlich ist, bieten dabei natürlich besondere Schwierigkeiten. Zumal dank Merchandising viele Medienfiguren ohnehin selbstverständlicher Teil der kindlichen Lebenswelt sind – und SpongeBob ist doch bloß ein medialer Freund, oder …?

Sie wollen mehr zum Thema Werbung lesen? Anfang November erschien die tv diskurs mit dem Titelthema Werbung. Aspekte kommerzieller Kommunikation. Auf tvdiskurs.de gibt es alle Beiträge.

Über Gerd Hallenberger

Dr. phil. habil. Gerd Hallenberger forscht als freiberuflicher Medienwissenschaftler über Fernsehunterhaltung, allgemeine Medienentwicklung und Populärkultur. Er lehrt an verschiedenen Universitäten und ist Mitglied des Kuratoriums der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF).