Freedom House mahnt an: Internetfreiheiten weltweit weiter eingeschränkt

Jahresbericht Freedom of the Net 2015

Die US-amerikanische Nichtregierungsorganisation Freedom House veröffentlichte im Oktober 2015 eine neue Ausgabe ihres Berichts Freedom of the Net, in dem die weltweite Situation der Freiheit im Internet untersucht wurde.

Zunächst kurz eine Vorstellung der initiierenden Institution:
Freedom House, mit Sitz in Washington, hat sich zum Ziel gesetzt, liberale Demokratien weltweit zu fördern. Die Organisation wurde 1941 als Reaktion auf den totalitären Nationalsozialismus gegründet. Zu ihren bekanntesten Untersuchungen zählen Freedom in the World und Freedom of the Press, die weitreichende Beachtung in Medien, Wirtschaft und Politik finden.

Bebilderung für Beitrag Freedom of the Net 215: Schwarze Tastatur mit grün markierten Buchstaben auf den Tasten, die das Wort Zensur ergeben. Sichtbare Finger auf diesen Tasten suggerieren, das Wort Zensur zu tippen. © FSF
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Der hier vorgestellte Bericht umfasst den Untersuchungszeitraum von Juni 2014 bis Mai 2015. Untersucht wurden die Rechte von Bürgern im Netz in 65 Ländern, in denen insgesamt 88 % der Internetnutzer leben. Analysiert wurden u.a. entlang der Kategorien Zugangshürden, Inhaltsbeschränkungen und Verletzung von Nutzerrechten; eingestuft wurden die Länder dann in die Kategorien „free“, „partly free“, „not free“.

Insgesamt konstatiert die Organisation, dass die Freiheiten nun bereits das fünfte Jahr in Folge insgesamt weiter eingeschränkt worden seien. Auf dem letzten Platz befindet sich China, dicht gefolgt von Syrien und dem Iran. Nordkorea als hermetisch abgeriegeltes Land wurde nicht in die Untersuchung miteinbezogen.
Positiv angeführt wird das Ranking von Island. Platz zwei und drei belegen Estland und Canada. Deutschland verfehlt das Treppchen nur knapp und belegt 2015 den vierten Platz. Damit macht es zum Vorjahr einen Platz gut.
Deutliche Verschlechterungen – wohl zurückzuführen auf den Anschlag auf die Redaktion der Satirezeitung Charlie Hebdo – stellten die Bügerrechtler in Frankreich fest.

Zu den Ergebnissen im Einzelnen:
61 Prozent der Onliner leben in Ländern, in denen Kritik an der Regierung, dem Militär oder der Herrscherfamilie der Zensur unterworfen ist. 58 Prozent nutzen das Internet in Staaten, in denen für die Weitergabe von Informationen zu Politik, Gesellschaft oder Religion Gefängnisstrafen drohen. Des Weiteren wurden allein im vergangenen Jahr den Angaben zufolge in 14 Staaten Gesetze beschlossen, die die Überwachung verstärken. 42 der 65 untersuchten Staaten verlangen zudem, dass private Unternehmen oder Nutzer den Zugang zu bestimmten Inhalten beschränken (2014: 37 Staaten).

Lediglich einige wenige positive Entwicklungen seien zu verzeichnen – in 15 Ländern, allen voran Sri Lanka, habe sich die Situation verbessert. Dort habe die jetzige Regierung im Anschluss an die Wahlen im Januar 2015 zunächst blockierte Internetseiten freigegeben und die Verfolgung von Internetnutzern eingestellt.

Deutschland belegt, wie erwähnt, den 4. Platz und befindet sich damit sicher im Feld der „freien Länder“. Dennoch verbleiben Kritikpunkte. Für Freedom House berichtet seit mehreren Jahren Philipp Otto, Gründer und geschäftsführender Partner des iRights Labs, zur Situation in Deutschland.

Bemängelt wird zunächst, dass Deutschland den Breitbandausbau deutlich schneller vorantreiben müsse, flächendeckend fehle es am schnellen Internet. Auch gelte es der fortschreitenden digitalen Kluft zwischen Arm und Reich zu begegnen, so müssten entsprechende Internetkosten verstärkt von den Sozialleistungen berücksichtigt werden.

Die Autoren monieren des Weiteren das in Deutschland scharf diskutierte Leistungsschutzrecht der Presseverlage. (Das lex google gibt Presseverlegern neben den eigentlichen Urhebern ein eigenes ausschließliches Recht, Presseerzeugnisse zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen – mit Ausnahme einzelner Wörter oder kleinster Textausschnitte.)
Skeptiker des Gesetzes befürchten, dass es Innovationen behindere und die Informationsfreiheiten einschränke. Kritische Erwähnung findet zudem die unkoordinierte Umsetzung des nicht zu Ende gedachten Recht auf Vergessen werden-Urteils des Europäischen Gerichtshofs. Auch die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung (Speicherung von personenbezogenen Daten durch öffentliche Stellen, ohne dass die Daten aktuell benötigt werden) wirke sich negativ auf ein freiheitliches Internet aus. Schließlich stehe auch die Unterstützung der NSA-Überwachung durch den Bundesnachrichtendienst einer besseren Platzierung Deutschlands entgegen.

Abschließend lässt sich jedoch konstatieren, dass Deutschland trotz dieser Schwachstellen im weltweiten Vergleich sehr gut abschneidet.

Quellen:
der Freitag
Süddeutsche Zeitung
evangelisch.de

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Über Anke Soergel

Studierte Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln. Im Rahmen ihres Referendariats arbeitete sie u.a. bei der Verwertungsgesellschaft VG Bild-Kunst sowie bei der Produktionsfirma Zieglerfilm Köln GmbH. Als Volljuristin nahm sie 2008 ihre Tätigkeit als Referentin für Jugendschutzrecht bei der FSF auf. Sie betreut u.a. den Rechtsreport in der tv diskurs.