Menschenwürde: unantastbar, aber kaum fassbar

medien impuls von FSF und FSM zum schwierigen Umgang mit dem höchsten Verfassungsgut

Vor laufenden Kameras werden wehrlose Kinder verprügelt, Aufnahmen von Verbrechens- oder Kriegs­opfern werden veröffentlicht, Menschen gedemütigt, gequält, getötet. Solche Darstellung beschäftigen regelmäßig auch die Freiwilligen Selbstkontrollen. Der Berliner medien impuls von FSM und FSF befasste sich am 26. November mit dem Schutz der Menschenwürde in den Medien.

Prof. Joachim von Gottberg, Geschäftsführer der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen, machte in seiner Einführung deutlich, dass die Frage, ob Medieninhalte gegen den Schutz der Menschenwürde verstoßen, immer häufiger gestellt wird. Im Grundgesetz als „unantastbar“ geschützt, ist die Feststellung der Menschenwürdeverletzung in der Praxis allerdings schwierig. Oft wird ein Menschenwürdeverstoß diskutiert, wenn eine gefühlte Grenze des Zulässigen überschritten ist, aber klare Kriterien für die Ablehnung fehlen. In vielen Fällen stellt sich darüber hinaus die Frage, wie notwendige mediale Berichterstattung, die über Missstände aufklärt, von der Verletzung der Menschenwürde zu trennen ist.

Der Kieler Rechtsphilosoph und juristische Grundlagenforscher Prof. Dr. Dr. Ino Augsberg forderte einen äußerst sparsamen Einsatz des höchsten Verfassungsguts als „last line of defence für das, was wir früher als Grenzen des guten Geschmacks bezeichnet haben“. Er erläuterte, dass aus Sicht des Verfassungsgerichts die Menschenwürde nicht gegeneinander abwägbar ist. Eine Definition der Menschenwürde würde automatisch zu einer Ausgrenzung derer führen, die nicht in der Definition erfasst sind.

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In die „Definitionsfalle“ dürfe man nie tappen, warnte Dr. Mark D. Cole, Professor an der Universität Luxemburg und Wissenschaftlicher Direktor des Saarbrücker Instituts für Europäisches Medienrecht. So sehr sich hier die Prüfer der Freiwilligen Selbstkontrollen ein klares Instrumentarium zur Freigabe strittiger Inhalte wünschten: „Es bleibt nur die Einzelfallentscheidung.“ Dabei könne es, so Cole, durchaus national unterschiedliche Wahrnehmungen geben. Die Europäische Union sei zwar ein gemeinsamer Wirtschaftsraum, „aber kein gemeinsamer Menschenwürdemarkt“.

Auch die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) greift eher selten zu der Menschwürdebegründung, berichtete deren stellvertretender Vorsitzender Andreas Fischer. Dann freilich gelte: „Die Dosis macht das Gift“, wenn zum Beispiel bei der Sendung „Die Super Nanny“ Szenen einer gewalttätigen Mutter mit extrem dramatischer Musikuntermalung mehrfach wiederholt würden. Selbst die wiederholte Darstellung extremer Gewalt könne in Medien notwendig sein, sagte Rechtsanwalt Prof. Dr. Oliver Castendyk von der Allianz Deutscher Produzenten – Film & Fernsehen. So habe letztlich die öffentliche Empörung über „furchtbare Bilder aus dem Vietnamkrieg“ zum Ende des Grauens geführt.

medien impuls: Diskussion mit Andreas Fischer (r.), Niedersaechsische Landesmedienanstalt, und Prof. Dr. Oliver Castendyk (l.), Allianz deutscher Produzenten mit Moderator Torsten Koerner © Thomas Trutschel/ photothek.net
medien impuls: Diskussion mit Andreas Fischer (r.), Niedersaechsische Landesmedienanstalt, und Prof. Dr. Oliver Castendyk (l.), Allianz deutscher Produzenten mit Moderator Torsten Koerner © Thomas Trutschel/ photothek.net

Der medien impuls endete mit Beispielen aus der Prüfpraxis von FSM und FSF, an denen sich ein lebhafter Diskurs über die Kriterien entzündete. Dabei betonte Claudia Mikat, Leiterin der FSF-Programmprüfung und hauptamtliche Vorsitzende in den Prüfausschüssen, die große Bedeutung des Rezipientenschutzes. Otto Vollmers, Geschäftsführer der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter, berichtete von den Problemen in der Prüfpraxis im Internet, die beim Entfernen brutaler Videoclips aus dem Internet oder bei dem Versuch, gegen die Urheber vorzugehen, auftauchen können: „Oft sind die Inhalte schon vielfach kopiert und online verbreitet, wenn die FSM davon erfährt. Die eigentliche Quelle des vorgelegten Inhalts zu ermitteln ist häufig nicht möglich.“

medien impuls "Schutz der Menschenwürde in den Medien". Claudia Mikat (FSF) und Otto Vollmers © Thomas Trutschel / photothek.net
medien impuls „Schutz der Menschenwürde in den Medien“. Claudia Mikat (FSF) und Otto Vollmers © Thomas Trutschel / photothek.net

Die Pressemitteilung als Download sowie weitere Informationen zu den Referenten finden Sie auf unserer Website.

Über FSF

Die Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) ist ein gemeinnütziger Verein privater Fernsehanbieter in Deutschland. Ziel der FSF ist es, einerseits durch eine Programmbegutachtung den Jugendschutzbelangen im Fernsehen gerecht zu werden und andererseits durch Publikationen, Veranstaltungen und medienpädagogische Aktivitäten den bewussteren Umgang mit dem Medium Fernsehen zu fördern. Seit April 1994 lassen die Vereinsmitglieder ihre Programme bei der FSF prüfen, seit August 2003 arbeitet die FSF als anerkannte Selbstkontrolle im Rahmen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV).