Beeinflussen Intermediäre die Meinungsbildung?

Wer früher etwas wissen wollte, schlug im Lexikon nach, las Zeitschriften oder suchte die nächstliegende Stadtbibliothek auf. Und heute? Heute prasseln täglich hunderte E-Mails auf uns ein, fast jeder Haushalt verfügt über PCs und Laptops und unser Smartphone ermöglicht, dass wir 24/7 die Möglichkeit haben, Informationen schnellstmöglich abzurufen. Die traditionelle Medienwelt war entsprechend einfach, die Digitalisierung der Medienwelt verändert diese jedoch bedeutend.

Das Internet hat seit Beginn entscheidende Veränderungen in vielen Bereichen unseres Lebens hervorgerufen. Heutzutage stellen sich neue Plattformen und Intermediäre zwischen Medienanbieter und Öffentlichkeit, die den Zugang zu Informationen und Inhalten vereinfachen und organisieren, sie sind wesentliche Bestandteile des Internets geworden. Da Intermediäre – gemeint sind damit Suchmaschinen, Soziale Netzwerke, Instant-Messaging-Dienste und Foto-/Videoplattformen – immer häufiger genutzt werden, stellt sich allerdings die Frage, ob es eine Gefahr für die freie öffentliche Meinungsbildung geben könnte.  Insbesondere politische Diskurse – so auch der US-Wahlkampf zwischen Trump und Clinton – werden sehr von den Diskussionen im Internet beeinflusst und die Menschen bilden sich Meinungen über politische Entscheidungen, die sie bevorzugen oder auch ablehnen.

Gestaltung: Rosendahl Berlin, Bild: ©Tom Nulens – Fotolia.com | http://www.die-medienanstalten.de/fileadmin/Download/Veranstaltungen/Pr%C3%A4sentation_Intermedi%C3%A4re/Einladung_Intermediaere_und_Meinungsbildung.pdf
Tagungsflyer

Inwiefern nun diese Intermediäre Informations- und Kommunikationspraktiken durchdringen und wie hoch deren Anteil bei der Meinungsbildung zu gesellschaftlichen Fragen ist, sollten zwei im Rahmen des MedienKonvergenzMonitors der Medienanstalten in Auftrag gegebene Studien herausfinden. Die Medienanstalten präsentierten die Befunde der Forschungsprojekte am 30. November in Berlin.

Folgende Ergebnisse wurden bei der repräsentativen Erhebung von Kantar TNS hervorgehoben: Mehr als die Hälfte der deutschen Internetnutzer (57,3% entspricht mehr als 23 Mio. Menschen ab 14 Jahren) nutzen täglich mindestens einen Intermediär zur Informationssuche. Suchmaschinen (39,9%), insbesondere Google, werden dazu am häufigsten genutzt, knapp gefolgt von sozialen Netzwerken (30,2%). Intermediäre gelten als bedeutsamer für die Anschaffung von Informationen denn Instant-Messaging-Dienste (8,5%) oder Foto-/Videoplattformen (9,3%). Darüber hinaus zeigt die repräsentative Befragung den Zusammenhang zwischen Alter und Nutzung von Intermediären zu informierenden Zwecken: Erstaunlicherweise gibt es unter den 14- bis 29-Jährigen viele Nutzer, die sich über alle zur Verfügung stehenden Intermediäre hinsichtlich des Zeitgeschehens informieren. Überdurchschnittlich viele Jugendliche nutzen Instagram, Snapchat, Pinterest, Tumblr und YouTube. Je jünger die Nutzer, desto mehr Intermediäre nutzen sie. Die Studienergebnisse von Kantar TNS zusammengefasst: hier.

Neben der quantitativen Befragung  führte das Hans-Bredow-Institut (HBI) eine qualitative Perspektive der Vertiefungsstudie durch. Sie fanden heraus: Meinungsbildungsprozesse sind heutzutage ohne Intermediäre nicht vorstellbar, aber Intermediäre bilden nur einen Baustein in diesem Prozess. „Intermediär ist nicht gleich Intermediär. So dient Google über alle Altersgruppen hinweg als zentrales Informationswerkzeug zur gezielten Informationssuche. Facebook dagegen ermöglicht es eher, das Meinungsklima wahrzunehmen – und gegebenenfalls auch auf unerwartete Informationen zu stoßen.“ Dennoch erreichen traditionelle Medien und die Face-to-Face-Kommunikation im privaten Umfeld zu gesellschaftlich relevanten Themen eine nach wie vor hohe Relevanz bei der Meinungsbildung. Weitere Studienergebnisse des HBI in dieser Übersicht.

Unerlässlich sei es, die Intermediäre in die aktuellen Überlegungen über neue Regulierungsvorgaben in der konvergenten Welt einzubeziehen, so Siegfried Schneider, Vorsitzender der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM). Transparenz, Kennzeichnung und Nutzerautonomie seien dabei die zentralen regulatorischen Ansätze. Auf Grundlage der Studienbefunde müsse nun ein konkreter Diskurs erfolgen.

Prof. Dr. Ralf Müller-Terpitz, Vorsitzender der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK), betont, die wachsende Bedeutung der Intermediäre […] erfordere deren Einbeziehung in medienkonzentrationsrechtliche Bewertungen. Das gegenwärtige fernsehzentrierte Medienkonzentrationsrecht gewährleiste dies jedoch nur unzureichend, weshalb es so weiterentwickelt werden müsse, dass alle publizistisch relevanten Akteure erfasst werden.

Die Forschungsprojekte werden im Rahmen der MedienGewichtungsStudie fortgesetzt.

Die Ergebnisse beider Studien und weitere Informationen sind auf der Seite der Medienanstalten abrufbar.

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Dem Thema Meinungsbildung heute – Der Umgang mit Nachrichten im digitalen Zeitalter widmete sich auch das diesjährige Sommerforum Medienkompetenz. Gastredner Dr. Jan-Hinrik Schmidt vom Hans-Bredow-Institut für Medienforschung an der Universität Hamburg (HBI) beschäftigt sich mit digitalen interaktiven Medien. Sein Vortrag Soziale Medien als Intermediäre der Meinungsbildung und Nachrichtenvermittlung ist auf unserem YouTube-Kanal abrufbar.

Über Annika Schütz

Während ihres Studiums der Kommunikationswissenschaften an der Bond University in Australien arbeitete Annika Schütz als Social-Media-Verantwortliche bei Lemon Tree Marketing. Daneben suchte sie den sportlichen Ausgleich und qualifizierte sich zur Surflehrerin. Zurück in Deutschland sammelt sie während ihres Praktikums bei der FSF neue Berufserfahrungen.