Triggerwarnungen bei Rassismus und Diskriminierung

Ergebnisse einer Befragung des British Board of Film Classification

 

Im November 2021 veröffentlichte das British Board of Film Classification (BBFC) Studienergebnisse zur Klassifizierung von Rassismus und Diskriminierung in Film und Fernsehen: Discrimination Research 2021. In Zeiten von #BlackLivesMatter und der Diskussion um Triggerwarnungen liefert die Studie wichtige Ergebnisse, die auch für den deutschen Markt von Bedeutung sein könnten.

 

Die Studie: Wer nahm daran teil?

Gemeinsam mit We Are Family, einer britischen Nichtregierungsorganisation, wählte das BBFC für die Studie 70 Teilnehmende aus. Menschen, die besonders von Rassismus betroffen sind, waren dabei häufiger vertreten, um die Auswirkungen von diskriminierenden Inhalten auf sie zu verstehen. Diese Methode wendet das BBFC nicht zum ersten Mal an. Bereits in der Vergangenheit arbeiteten sie zum Thema der Darstellung von häuslicher Gewalt mit vulnerablen Gruppen, um so eine bessere Perspektive auf die Problematik zu gewinnen. Die Gruppe der Teilnehmer*innen selbst war landesweit repräsentativ, aber die Gesamtstichprobe spiegelte nicht die britische Gesellschaft wider, so der Geschäftsführer des BBFC, David Austin.

 

Welche Beispiele wurden den Teilnehmenden gezeigt?

Einer der Filme, der im Rahmen der Diskriminierungs-Studie gesichtet wurde, ist Dumbo. Der Disney-Film von 1941 erzählt die Geschichte eines fliegenden Elefanten. Im Jahr 2020 gab es Diskussionen über eine Filmszene, in der Dumbo auf Krähen stößt. Im englischsprachigen Original sprechen die Krähen afroamerikanischen Slang, ihr Anführer heißt Jim Crow. Der Name bedient ein rassistisches Klischee aus dem 19. Jahrhundert und bezeichnet das Stereotyp eines tanzenden, singenden Schwarzen, der mit sich und der Welt zufrieden, aber faul ist. Insgesamt bettet Dumbo die Krähen in einen positiven Kontext ein.

Als das BBFC den Forschungsteilnehmenden Ausschnitte aus Dumbo zeigte, fanden einige die Darstellung anstößig, andere nicht. Aber auch diejenigen, die sich nicht an der Abbildung störten, meinten zu verstehen, dass andere sich beleidigt fühlen könnten. Diese Art von Einschätzungen hat das BBFC veranlasst, Warnhinweise anzubringen. Für David Austin ist es eine erfreuliche Erkenntnis, dass die befragten Personen empathisch sind und die Ansichten anderer respektieren.

YouTube: Dumbo When I See an Elephant Fly & Dumbo Flies HD

Als ein weiteres Beispiel wurde Breakfast at Tiffany’s gezeigt. In dem Film von 1961 spielt Mikey Rooney einen Japaner, er selbst ist eigentlich weiß. Seine Darstellung wurde von den meisten Studienteilnehmenden als grotesk, beleidigend und aus heutiger Sicht inakzeptabel bewertet.

YouTube: Breakfast at Mr. Yunioshi’s

Eine ähnliche Problematik besteht bei dem britischen Film Lawrence of Arabia von 1962. Alec Guinness, eine eigentlich weiße Person, spielt in dem Historienfilm den arabischen Prinzen Faisal. Hier meinten die Befragten allerdings, dass die Inszenierung weitaus weniger problematisch sei, da Alec Guinness die Figur respektvoll verkörpere. Wäre der Film allerdings im Jahr 2022 gedreht worden, gebe es die klare Erwartungshaltung für die Figur des Prinzen einen Schauspieler zu casten, der aus demselben ethnischen Kulturkreis wie Prinz Faisal selbst stamme.

YouTube: Lawrence Of Arabia(1962) – Prince Faisal

 

Die wichtigsten Ergebnisse der Studie

Eines der Kernergebnisse der Studie ist die strenge Haltung des BBFC gegenüber dem „N-Wort“, weil dies unmissverständlich als rassistisch und diskriminierend gedeutet wird. Das bedeutet, dass Inhalte, die das „N-Wort“ aufgreifen, in der Regel nicht mehr mit einer niedrigeren Altersfreigabe als 12 oder 12 A bewertet werden, da eine nachhaltige Beeinträchtigung im Sinne einer Desorientierung für die Altersgruppe unter 12 Jahren nicht ausgeschlossen werden kann.
Die britische Alterseinstufung 12A gibt es nur für Filme, die in Kinos gezeigt werden und wenn diese Filme für Kinder ab 12 Jahren geeignet erscheinen. Kinder unter 12 Jahren können sich die Kinofilme in Begleitung einer erwachsenen Person dennoch anschauen. Das Alterskennzeichen 12 wird nur für Videos und DVDs vergeben, wobei Heranwachsende unter 12 Jahren die Inhalte nicht käuflich erwerben können.
Darüber hinaus hat das BBFC auf Wunsch der Studienmitwirkenden den Begriff des „Blackfacing“ gegen „geschminkte*r Schauspieler*in, der*die eine andere Ethnie darstellt“ ausgetauscht.

 

Preparers und Protectors

Die Befragten lassen sich laut Ergebnis der Studie in zwei Kategorien unterteilen, die sogenannten Preparers und Protectors. Während die Preparers Inhalte mit rassistischen und diskriminierenden Verhaltensweisen mit ihren Kindern beispielhaft anschauen würden, um sie auf die „echte Welt“ und ihre rassistisch und diskriminierend geprägten Realitäten vorzubereiten, wollen die Protectors ihre Kinder so lange wie möglich vor Diskriminierung und Rassismus abschirmen und schützen. Beide Gruppen sind sich jedoch einig: Sie wollen Inhaltswarnungen, um fundierte Entscheidungen darüber treffen zu können, ob der Inhalt nun für ihre Kinder geeignet ist oder nicht. Das BBFC kommt dieser Bitte zukünftig verstärkt nach und passte seine Informationen zur Altersbewertung dementsprechend an.

 

„Context is everything“

Wie in Deutschland ist der Kontext für die Altersfreigaben ausschlaggebend. So könnten ältere Filme mit rassistischer Sprache eventuell eine PG-Freigabe bekommen, allerdings nur, wenn dies beispielsweise durch eine historische Einbettung gerechtfertigt sei. Die britische PG-Freigabe bedeutet Parental Guidance (Elterliche Begleitung) und meint, dass der Inhalt für jede Altersgruppe erlaubt ist. Eltern werden aber darauf hingewiesen, dass manche Szenen für Kinder unter 8 Jahren nicht geeignet sind. Auch eine klare Verurteilung, Sympathie mit den Opfern oder ein dokumentarischer Rahmen können dem audiovisuellen Inhalt möglicherweise einen pädagogischen Wert verleihen. Der Vizepräsident des BBFC, Lord Kamlesh Patel, sagte dazu: „Wir sind uns bewusst, dass es nicht nur darum geht, Kinder vor schädigenden Inhalten zu schützen, sondern auch darum, Eltern zu helfen, die Darstellungen von Diskriminierung und Rassismus als potenziell pädagogisches Moment zu nutzen.“ Insgesamt waren die Befragten der Meinung, dass ältere Filme und Fernsehsendungen nicht unbedingt eine höhere Altersfreigabe benötigen, wenn sie veraltete Verhaltensweisen oder Sprache enthalten. Allerdings wurde auch hier wieder der Wunsch geäußert, dass vor potenziell anstößigen Worten oder Darstellungen in den Rating-Informationen gewarnt werden solle.

Schlüsselfaktoren für eine höhere Altersfreigabe sind außerdem eine gezielte aggressive oder gewalttätige Darstellung von Diskriminierung oder die Wahrscheinlichkeit, dass die abgebildete Form von Rassismus oder rassistischer Sprache für Kinder leicht nachahmbar ist. Context is everything – auch im Vereinigten Königreich.

 

Ist das BBFC jetzt woke?

Die Antwort darauf ist ganz simpel: nein. Das BBFC hat Diskriminierung schon immer als eines der zentralen Kriterien für die Altersbewertung betrachtet. Die jetzt veröffentlichte Studie ist nur die Antwort auf eine gewachsene Sensibilität der britischen Gesellschaft für diskriminierende Momente und für die Belange von Minderheiten und von Rassismus besonders betroffenen Communities. Als unabhängige Institution im Bereich des Jugendmedienschutzes ist es ihre Aufgabe, darauf zu reagieren und ihre Standards und Leitlinien dementsprechend anzupassen. Mit Wokeness hat das wenig zu tun, eher mit einer partizipatorischen Ausgestaltung von Jugendmedienschutz. Und das hat Vorbildcharakter.

 

Quellen und Links:

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Über Elizabeth Ávila González

Elizabeth Avila hat Internationales Recht mit Fokus auf Menschenrechte und Medien in Dresden, Paris und Wrocław studiert. Sie unterstützt seit 2020 die FSF in der Geschäftsstelle als Assistenz der Geschäftsführung sowie als jugendschutzrechtliche Referentin. Besonders am Herzen liegt ihr das Thema Datenschutz.