Niedrigschwellige Elternarbeit zu Medienthemen
Was ist Elterntalk?
Mit dem Projekt Elterntalk werden Mütter und Väter erreicht, die sich lieber im privaten Umfeld oder in ihrer Muttersprache ansprechen lassen, als Informationsveranstaltungen im öffentlichen Raum zu besuchen. Insbesondere Eltern mit Migrationshintergrund sowie Eltern in besonderen und/oder belasteten Lebenslagen sollen in ihrer Erziehungskompetenz und -verantwortung gestärkt werden. Die Eltern sind hierbei die Hauptakteure: Sie treffen sich zu moderierten Gesprächen, um sich über ihre Erziehungsfragen auszutauschen. Im Mittelpunkt stehen Themen rund um die Mediennutzung und den Erziehungsalltag zu Hause. Dabei geht es um Fragen wie:
Wie viel Fernsehen ist angemessen für mein Kind?
Welche Internetseiten sind für Kinder empfehlenswert?
oder: Sind Handys schon für die Jüngsten sinnvoll?
Elterntalk zeichnet sich durch eine wertschätzende Haltung gegenüber den Eltern und ihrem Alltagswissen aus. Dies stärkt die Eltern und fördert das soziale Leben in den jeweiligen Milieus.
Der Ablauf eines Elterntalks
Die Gesprächskreise finden im privaten Raum statt. Eine Gastgeberin oder ein Gastgeber lädt fünf bis sieben Eltern zu sich nach Hause ein. Für das Öffnen der eigenen vier Wände bekommt die Gastgeberin als Dankeschön von der Moderatorin/dem Moderator ein Geschenk überreicht. „Obwohl wir den Gastgebern sagen, dass ein paar Kekse, Tee und Kaffee reichen, servieren sie den teilnehmenden Eltern gerne ein ausgiebiges Frühstück oder haben extra einen Kuchen gebacken“, berichtet eine arabischstämmige Moderatorin. Bewährt haben sich Einkaufsgutscheine und ein paar Blumen, die der ganzen Familie zugutekommen. Bei der Gewinnung von Gastgebern ist das Geschenk oft das i-Tüpfelchen, um die privaten Räume für einen Talk zu öffnen.
„Nun gucken wir die Serie gemeinsam“
„Sabah verehre ich sehr, mit ihrer Musik verknüpfe ich sehr viele schöne Kindheitserinnerungen“, erzählt eine libanesische Mutter zu Beginn eines Elterntalks zum Thema Fernsehen. Auf dem Wohnzimmertisch, an dem sich sieben Mütter zu einem Elterntalk versammelt haben, liegen die arabische und die deutsche Heldenleine ausgebreitet. Auf den Karten sind Stars und Sternchen aus Film und Fernsehen zu sehen. Die Moderatorin eröffnet den Elterntalk und bittet die Mütter, sich eine Heldenfigur auszusuchen, bei der sie den Fernseher gerne anschalten oder bei welchen Helden sie lieber ausschalten. Die Methode der Heldenleine ist eine von vielen Methoden, mit der ein Elterntalk eröffnet werden kann. Die Eltern erinnern sich an die Fernsehvorlieben aus ihrer eigenen Kindheit und schwärmen von vergangenen Zeiten. Sie öffnen sich für das Thema Fernsehen und überwinden anfängliche Hemmnisse der Beteiligung. „Ich habe mir Sindbad al Bahri (dt.: Sindbad der Seefahrer) ausgesucht. Das habe ich früher selber geguckt. Meinem Sohn habe ich eine DVD der Comicserie zum Geburtstag geschenkt und nun gucken wir die Serie gemeinsam“, berichtet eine andere Mutter aus dem Iran. Die Methode soll Eltern helfen, ihren eigenen Helden und Idolen aus Film und Fernsehen auf die Spur zu kommen, um sich dadurch für die Medienhelden der Kinder zu öffnen.
„Ich war überrascht, dass andere Eltern auch das Problem haben“
Die ca. zweistündige Veranstaltung setzt sich aus einem themenorientierten und einem geselligen Teil zusammen. „Toll, dass wir uns gemeinsam für ein Thema entscheiden können, zu dem wir uns untereinander austauschen können. Wir treffen uns in dieser Runde auch so mal zum Kaffee – aber keiner käme auf die Idee, mal übers Fernsehen zu sprechen“, berichtet eine Mutter mit türkischen Wurzeln. Eine Moderatorin/ein Moderator führt in das jeweilige Thema ein und begleitet das nachfolgende Gespräch. Die Moderatoren sollen in der Regel zweisprachig sein, so dass ein Elterntalk z.B. auch auf türkisch stattfinden kann. Die Erfahrungen zeigen, dass es oftmals einfacher ist, sich über die Erziehungsthemen in der Muttersprache auszutauschen. Der offene Erfahrungsaustausch ermutigt die Eltern, aktuelle Erziehungsfragen in der Familie anzusprechen und alltagsnahe Lösungen zu finden. Die Eltern als Akteure werden so zu „Experten ihres Erziehungsalltags“.
Eine Mutter berichtete erleichtert nach einem Elterntalk zum Thema Fernsehen: „Ich war überrascht, dass nicht nur mein Kind so lange vor dem Fernseher sitzt, sondern dass alle oder viele andere Mütter auch das Problem haben“. Eltern suchen nach Lösungen für ihre Erziehungsprobleme zu Hause und schätzen das fokussierte Gespräch beim Elterntalk. Sie erleben die Talks in einer offenen und entspannten Atmosphäre ohne erhobenen Zeigefinger. „Die anderen Mütter haben mich ermutigt, die Fernsehzeiten meiner Kinder zu begrenzen“, berichtet eine 29-jährige Mutter.
An zwölf Standorten in Niedersachsen findet Elterntalk statt. Das Angebot richtet sich an alle Eltern von Kindern bis vierzehn Jahren und ist kostenfrei. Trotz der kurzen Projektlaufzeit in den jeweiligen Kommunen haben in dem Zeitraum Januar bis Ende September 2013 bereits 152 Talks mit 864 teilnehmenden Eltern stattgefunden.
Informationen rund um das Projekt, Ansprechpartner und Materialien finden Sie hier: www.elterntalk-niedersachsen.de